Hypothermie (Unterkühlung)
Ob Sie in der Antarktis tauchen oder im eiskalten Nordwestpazifik vor den USA, oder aber in einem See oder Baggersee bei sich zu Hause, müssen Sie bei Ihrer Tauchplanung immer die Temperatur mit einkalkulieren: Welche Temperaturen herrschen über dem Wasser? Welche im Wasser? Sind Thermokline vorhanden? Wie tief tauche ich und wie lange? Welche Schutzkleidung benötige ich? Genügt ein einfacher Tauchanzug? Im Grunde genommen stellen Sie sich eine zentrale Frage: wie viel Abkühlung erfahre ich bei diesem Tauchgang? Diese Frage müssen Sie sich in Ihrem Tauchplan beantworten. Unterkühlung kommt selbst bei Tauchgängen in tropischen Wassern vor – wenn Sie z. B. nur in Badeanzug oder Tauchoverall tauchen und lange Zeit im Wasser bleiben. Was genau ist Unterkühlung? Wie kann man sie verhindern? Und wie geht man gegebenenfalls mit ihr um? Lesen Sie weiter.
Auszug aus dem DAN Dive and Travel Medical Guide (DAN Handbuch zur Tauch- und Reisemedizin) 2006.
Unterkühlung ist ein Zustand reduzierter Körpertemperatur, allgemein definiert als Körpertemperatur unter 35°C. Unterkühlung ist das Resultat von Verlust der Körperwärme, die von verschiedenen Variablen abhängt, wie z. B.:
- Schutzkleidung;
- Temperaturgefälle zwischen Haut und Umgebung;
- Wärmeaufnahmefähigkeit der Umgebung (viel größer bei Wasser als bei der Luft);
- Körperbau (magere gegen fette Partien und Verteilung Gewicht:Oberfläche); und
- Wind- oder Wasserströmung.
Wasser leitet Wärme 20 bis 27 Mal besser als Luft. Der plötzliche Kontakt mit Wasser unter 15° C ruft ohne Wärmeschutz automatisch einen Reflex des Nach- Luft-Schnappens aus. Unter Umständen gelangt so Wasser in die Atemorgane und der Herzrhythmus wird gestört. Der Körper reagiert darauf ein bis zwei Minuten lang durch äußerst schnelles Atmen, wobei die unterkühlte Person eventuell Schmerz oder Desorientiertheit empfindet bis hin zu Angst- und Panikanfällen.
Wärmeschutz durch einen Tauchanzug, Trockenanzug oder ähnliche Schutzanzüge mindert diese direkten Auswirkungen stark ab, doch im Verlauf der Zeit kommt es trotz allem zu Wärmeverlust. Selbst Schwimmen hilft hier nicht. Die Produktion von Körperwärme nimmt durch körperliche Betätigung oder Zittern zwar zu, doch bei Menschen mit wenig oder keinem Wärmeschutz vergrößert Schwimmen die Körperoberfläche und damit die Wärmeübertragung an das Wasser. Beim Schwimmen im über 24°C warmen Wasser kann die Körpertemperatur längere Zeit erhalten werden.
Bei kühleren Wassertemperaturen sinkt die Körpertemperatur bei Schwimmern ohne Wärmeschutz jedoch ab, was dazu führt, dass nicht mehr weiter geschwommen werden kann (sogenanntes Schwimmversagen).
Was tun, wenn Sie „in der Tiefe“ sind?
Personen ohne Schutzanzug im Wasser sollten stillhalten und die Körperoberfläche minimieren. (Hinweis: das lässt sich bedeutend leichter bewerkstelligen mit einer Art von Auftriebshilfe.) Man zieht die Knie zur Brust hoch in die sogenannte HELP(Heat Escape Lessening Position = Wärme-Verlust-Minderungs-)Position, bei welcher der Wärmeverlust über besonders Wärmeabgebende Körperregionen wie Achselhöhlen, Intimbereich, Brustoberfläche und Schenkel reduziert wird. Unterkühlung kann auch in relativ warmem Wasser und sogar tropischen Gewässern als Ergebnis langsamer Auskühlung des Körpers auftreten. Ohne Wärmeschutz geschieht dies selbst bei Temperaturen von 29° bis 33°C. Eine gewisse Zeitlang fällt diese langsame Unterkühlung nicht auf. Im Folgenden sind einige Anzeichen (beobachtbare Merkmale) und Symptome (subjektive, nicht beobachtbare Merkmale) der Unterkühlung beschrieben.
Der Umgang mit Unterkühlung
Unterkühlung kann mild ausfallen oder zu einer ernsthaften Bedrohung für den betroffenen Menschen werden. Wenn Sie es mit einem Menschen zu tun haben, der unterkühlt ist, gibt es verschiedene Strategien, ihn wieder aufzuwärmen, je nach Art der Auswirkung der Unterkühlung, dem Bewusstseinszustand des Opfers, eventuell weiterer Verletzungen und den zur Verfügung stehenden Ressourcen bzw. zusätzlicher medizinischer Hilfe. Bei milder Unterkühlung ist die Person wach und kann vernünftig sprechen, sie wird zittern und über Frieren klagen. Solange keine weiteren Verletzungen vorhanden sind, kann die Person mit verschiedenen passiven oder aktiven Mitteln wieder aufgewärmt werden.
Entfernen Sie nasse Kleidung und ersetzen Sie sie durch trockene, wärmeisolierende Unterbekleidung und winddichte Oberbekleidung. Schützen Sie insbesondere auch den Kopf vor Wärmeverlust, wenn möglich. In diesem Stadium wärmt Zittern den Körper auf. Durch Körperübungen kann die Erwärmung weiter gesteigert werden, vorausgesetzt die betroffene Person fühlt sich dabei nicht überfordert. Körperübungen können vorübergehend die Körpertemperatun noch weiter absenken (Afterdrop) – eine Reaktion auf Kältestress – doch in den meisten Fällen sollte dies nicht problematisch werden. Ist der Unterkühlte bei klarem Bewusstsein, kann man warme Getränke reichen. Sie führen zwar wenig Wärme aber Flüssigkeit zu und helfen somit, die übliche Dehydratation auszugleichen. Außerdem bereiten warme Getränke ein Gefühl von Wohligkeit.
Es können so gut wie alle Getränke gereicht werden, doch sollte Alkohol vermieden werden, da er ein falsches Bewusstsein schafft und zur Dehydratation und unangemessener Gefäßerweiterung beiträgt. Leichte Mahlzeiten helfen ebenfalls, da sie dem Körper Kalorienreserven zufügen. Bei mittelgradiger Unterkühlung ist der Mensch zwar wach, eventuell aber verwirrt, apathisch oder nicht kooperativ und tut sich mit dem Sprechen schwer. Größere Vorsicht ist hier aufgrund möglicher Herzrhythmusstörungen angebracht. Wenn möglich, sollte man die Person schonend behandeln und eventuell Wärmedecken, Warmluft und angewärmte Feuchtbeatmung einsetzen. Körperübungen werden bei mittelgradiger Hypothermie nicht empfohlen.
Die physische Koordination ist wahrscheinlich beeinträchtigt, und bei körperlicher Aktivität besteht die Gefahr eines Afterdrops. Dies wiederum erhöht das Risiko eines Kreislaufkollapses, was man nach einer Wasserbergung oft beobachten kann (sogenannter Bergungsschock). Unterkühlte Personen müssen schonend behandelt werden, und sollten entspannt auf dem Rücken liegen; das verringert die Gefahr eines Kollapses. Verhalten Sie sich aufmerksam und wenden sie die am besten geeigneten Methoden zur Wiedererwärmung an. Achten Sie darauf, Verletzte vom Boden und der Umgebung abzupolstern,selbst wenn diese nicht darum bitten. Ein Bad im warmen Wasser kann bei mittelgradiger Hypothermie ebenfalls günstig sein, jedoch nur unterstützt von Haltevorrichtungen beim Ein- und Aussteigen und während des Bads. Die Einstiegstemperatur sollte lauwarm sein und 40°C nicht übersteigen, um kein Brennen auf der Haut zu verursachen. Einmal im Wasser, kann die Temperatur nach und nach erhöht werden, jedoch nur bis maximal 45°C, um Hautverbrühungen zu verhindern.
Ist kein warmes Wasser zur Hand, kann die wärmeschützende Kleidung mit chemischen Wärmepackungen oder elektrischen Pads angewärmt werden. Diese jedoch niemals direkt auf der Haut anbringen, um Verbrennungen zu verhindern. Bei schwerer Unterkühlung ist die Person eventuell bewusstlos, bei schwachem Puls und flacher Atmung,so dass sie wie tot erscheinen kann. Suchen Sie vorsichtig nach Lebenszeichen wie Atmen, Bewegung, Pulsschlag in der Leistenbeuge oder am Hals oberhalb der Halsschlagader. Überprüfen Sie Atem und Puls mindestens eine Minute lang, um Atmungs- oder Herzstillstand festzustellen, die eine Herz-Lungen- Wiederbelebung (HLW) erforderlich machen würden. Bei vorhandenem Atmen oder Herzschlag ist keine HLW nötig. Atmen oder Bewegung bedeutet, dass das Herz des Betroffenen schlägt, wenn auch nur sehr langsam. Deshalb muss längere Zeit gemessen werden, um spontane Pulsaktivität festzustellen. Bei Bewusstlosigkeit ist es das Hauptziel, Blutdruck und Atmung des Unterkühlten aufrecht zu erhalten und weiteren Wärmeverlust zu verhindern. Liegt die Atmungsfrequenz unter sieben Atemzügen pro Minute, sollte man vorsichtig eine langsame Mund-zu-Mund-Beatmung durchführen.
Bei schwerer Unterkühlung besteht immer die Gefahr eines Herzstillstands. Der Unterkühlte benötigt daher äußerst schonende Behandlung, eine gut gepolsterte flache Rückenlage, keinerlei Bewegung – und insbesondere keine hektischen oder invasiven Erwärmungsmaßnahmen. Bei Unterkühlung ist das Herz besonders gefährdet: die Kälte an sich kann schon zu Herzrhythmusstörungen führen, doch aggressives Aufwärmen kann dies ebenfalls tun. Im Prinzip hat bei schwerer Hypothermie das Aufrechterhalten der Basisfunktionen Vorrang vor Aufwärmaktivitäten. Tod im kalten Wasser wird für gewöhnlich ausgelöst durch Bewusstlosigkeit und anschließendes Ertrinken. Geht der Hypothermie das Ertrinken voraus, dann sind Wiederbelebungsversuche meist zwecklos. Bei einer Person ohne Lebenszeichen sollte mit HLW begonnen werden, während der Abtransport zur nächsten Krankenstation in die Wege geleitet wird. Eine Person mit schwerer Hypothermie aufzuwärmen ist vor Ort fast unmöglich, doch sollte man darauf achten, dass kein weiterer Wärmeverlust auftritt.
Wenn HLW erforderlich ist, sollte sie konsequent aufrechterhalten werden, bis medizinische Hilfe eintrifft. Auch nach längerer HLW ist es schon zu erfolgreicher Wiederbelebung gekommen aufgrund der Schutzmechanismen des Zustands selbst. Ganz schlecht sieht es aus bei Erwachsenen, deren innere Körpertemperatur unter 28°C gesunken ist oder die länger als 50 Minuten im Wasser waren, die lebensbedrohliche Verletzungen haben oder mehr als vier Stunden von medizinischer Hilfe entfernt sind. Obwohl Verletzte aufgrund verminderter Hirnund Kreislauffunktionen schon klinisch tot scheinen können, kommt es gelegentlich, wenn auch nicht oft, zu einer vollständigen Wiederbelebung bei voller Funktionsfähigkeit des Nervensystems.
Wie gehe ich vor?
HLW bei einer schwer unterkühlten Person nur unterbrechen, wenn:
- die Person erfolgreich wiederbelebt ist,
- der Retter zu erschöpft ist, um weiter zu machen,
- die Person voll aufgewärmt ist aber nicht auf die korrekt verabreichte HLW reagiert,
- ein medizinisch ausgebildeter und qualifizierter Mensch nach einer Untersuchung die unterkühlte Person für tot erklärt hat.
Bei einer Bergung aus dem kalten Wasser
SOLLTE MAN
- Atmungsorgane, Atmung und Kreislauf der verletzten Person überprüfen,
- bei erforderlicher HLW so langedurchhalten, bis medizinische Hilfe kommt,
- so viel Sauerstoff wie möglich geben,
- feststellen, warum die Person im Wasser war,
- Hals und Nacken stützen und immobilisieren, wenn Verdacht auf Verletzung besteht,
- den Transport zu einer medizinischen Einrichtung veranlassen,
- weiteren Wärmeverlust verhindern,
- bei Bedarf die Person aufwärmen.
SOLL TE MAN NICH T
- bei der Rettung das eigene Leben in Gefahr setzen,
- HLW unnötigerweise unterbrechen.
Prävention
Prävention von Unterkühlung erfordert einige Planung. Der Taucher muss ein Verständnis dafür haben, wie Schutzkleidung die Körperwärme erhalten und ihren Verlust verhindern kann. Generell sollte Thermokleidung bei Wassertemperaturen unter 27°C getragen werden. Ernsthafter Kältestress ist zu erwarten bei Temperaturen unter 24°C. Taucher sollten darauf achten, in kaltem Wasser nur mit der nötigen Schutzkleidung und Erfahrung zu tauchen. Es ist durchaus möglich, im kalten Wasser zu tauchen, man muss sich jedoch richtig darauf vorbereiten.
Anzeichen & Symptome von Hypothermie
MILDE HYPOTHERMIE
(innere Körpertemperatur 32-35°C)
- erhöhte Herzfrequenz
- beeinträchtigte Koordination
- Frieren
- Konzentrationsschwierigkeiten
- Zittern
- Introvertiertheit/Unachtsamkeit
- verlangsamte Motorik
- Erschöpfung
MITTELGRADIGE HYPOTHERMIE
(innere Körpertemperatur 28-32°C)
- zunehmender Verlust der Muskelkoordination
- stolpernder Gang
- undeutliches Sprechen
- Verwirrtheit
- Amnesie
- Zittern lässt nach oder hört auf
- Schwäche
- Schläfrigkeit
- Halluzinationen
SCHWERE HYPOTHERMIE
(innere Körpertemperatur <28°C)
- Unfähigkeit, Anordnungen nachzukommen
- niedrige Herzfrequenz
- Unfähigkeit zu gehen
- Bewusstlosigkeit
- flaches Atmen
- kein Zittern
- erweiterte Pupillen
- niedriger Blutdruck
- Anschein von Tod
- verkrampfte Muskeln