Hören Sie auf das, was Ihr Körper Ihnen sagt

Meine Tochter leidet gelegentlich unter Migräne. Als Vorzeichen einer dieser ‚es-haut-sie-aus-den Pantinen‘ Kopfschmerzattacken sieht sie plötzlich ’schwarze Flecken‘. Sie weiß, dass sie rasch auf dieses Warnzeichen reagieren und ihr verschriebenes Medikament einnehmen muss, das hoffentlich die Auswirkungen der Migräne abschwächen wird. Wenn sie dieses enge Handlungszeitfenster verpasst, ist sie dazu verdammt, sich bis zu einen Tag lang in völliger Dunkelheit in Embryonalstellung in ihrem Bett zusammen zu kauern, bis der Schmerz nachlässt. Die Signale, die meine Tochter bekommt, haben nur dann einen Sinn, wenn sie richtig interpretiert werden und wenn angemessen auf sie reagiert wird. In ihrem Fall ist ein Medikament erforderlich.

Wenn Sie mit Ihrem Körper reden könnten
Ihr Körper sendet Ihnen Signale, vor, während und nach jedem Tauchgang. Die Signale mögen subtil sein, möglicherweise das anfängliche Stechen eines Beinkrampfes, ein Gefühl von Erschöpfung nach einem Tauchgang, oder vielleicht eine gewisse Steifheit in Schultern und Rücken. Jedes dieser Dinge mag nichts weiter bedeuten: vielleicht einfach dadurch verursacht, dass Sie lange nicht tauchen waren oder ihre gesamte Ausrüstung herumschleppen mussten. Aber diese Signale könnten andererseits auch der Weg Ihres Körpers sein, Ihnen zu sagen, dass etwas nicht stimmt.
 

Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Tauchen belastet Ihren Körper. Wie gut oder schlecht Sie auf diese Vorgänge reagieren – ohne gleich als Hypochonder betitelt zu werden – könnte wahrlich ausmachen, wie schnell und wie vollständig Sie sich von einer tauchbedingten Verletzung erholen. Leider ignorieren Taucher diese Signale häufig, in der Hoffnung, dass sie ‚einfach verschwinden werden‘. Verletzte Taucher neigen oft dazu, Dinge abzustreiten: Sie fürchten sich vor dem, was geschehen wird, falls sie tatsächlich eine Dekompressionskrankheit (DCS) erlitten haben, oder die Signale sind so schwach, dass sie von den Tauchern falsch gedeutet werden.

‚Kehre erst einmal vor Deiner eigenen Haustür!‘
Sie müssen kein Arzt sein, um auf die Signale achten zu können, die Ihnen Ihr Körper sendet. Wenn sie die Signale erst einmal deuten, ist es wichtig, auch richtig darauf zu reagieren. Das könnte bedeuten, dass Sie bei Verdacht auf eine tauchbedingte Verletzung 100 Prozent Sauerstoff atmen und medizinische Hilfe aufsuchen. Es ist schon interessant, wie oft in Berichten über Verletzungen steht, dass verletzte Taucher einige der Warnzeichen einer DCS erkannten, um sich im gleichen Moment selbst davon zu überzeugen, dass dies nichts bedeutet, und dann einen weiteren Tauchgang oder eine Reihe von Tauchgängen unternehmen, bis sie schließlich doch jemanden alarmieren und mitteilen, dass sie ein Problem haben.
 

Der ‚DAN Report on Decompression Illness, Diving Fatalities and Project Dive Exploration‘ aus dem Jahr 2004 hält fest, dass Taucher in 14 Prozent aller Fälle bereits vor ihrem letzten Tauchgang von Symptomen berichteten bzw. diese eingestanden. Das zeigt, dass der Taucher entweder wissentlich mit DCS-Symptomen erneut ins Wasser ging oder die Symptome nicht einer DCS zugeschrieben hat, bevor er wieder tauchen ging. In 6 Prozent der Fälle traten die Symptome während des letzten Tauchgangs auf, als der Taucher noch unter Wasser war.

Wenn Sie sich nicht sicher sind, sollten Sie Hilfe anfordern In vielen Fällen rufen verletzte Taucher DAN nicht an, weil sie Symptome haben; sie rufen an, weil ihre Symptome einfach nicht verschwinden. Auch wenn Sie sich bei Ihren Symptomen nicht sicher sind, ist es ratsam, Hilfe anzufordern (ob sie das auch bezahlen können, sollte niemals Ihre Entscheidung beeinflussen, sich helfen zu lassen oder nicht; und genau dieser Punkt ist gerade mal einer der vielen Vorteile einer DAN-Mitgliedschaft und der darin enthaltenen Tauchunfallversicherung). Und wenn es tatsächlich einmal ein Problem geben sollte, ist es besser, das so bald wie möglich klären zu lassen, denn Verzögerungen bis zur Behandlung können zu Verzögerungen und Komplikationen bei der Genesung führen. Wenn Sie sich nicht sicher sind, sollten Sie Hilfe anfordern.

Die häufigsten Anzeichen, über die verletzte Taucher im Report aus dem Jahr 2004 berichteten, waren die gleichen wie in den Jahren zuvor. 37 Prozent aller Taucher berichteten über Schmerzen als ihrem wesentlichen Symptom, und das nächst häufige Symptom, mit 26 Prozent aller Taucher, war ein Taubheitsgefühl mit Prickeln. In 21 Prozent der Fälle kam es zu einer Muskelschwäche. Interessanterweise wurden Schwächesymptome in den Muskeln häufiger durch die Mediziner festgestellt als von den Tauchern selbst.

Wenn Sie sich fragen, ob Sie eine DSC davongetragen haben könnten, fordern Sie Hilfe an. Wenn jemand in ihrer Gruppe darin ausgebildet ist, eine neurologische Beurteilung vor Ort durchzuführen, könnten Sie hierdurch besser einschätzen, inwieweit Ihre Bedenken begründet sind und sich eher von der Notwendigkeit überzeugen lassen, Notfallsauerstoff zu atmen und sich weiter medizinisch versorgen zu lassen. Die Durchführung einer neurologischen Beurteilung vor Ort hilft, neurologische Ausfallerscheinungen zu identifizieren, u. a. eine Schwäche in der Muskulatur, die vor Ihrem Tauchgang noch nicht da war. Hierdurch erhalten Ärzte zugleich einen ersten Anhaltspunkt für die Untersuchung Ihres Zustands. Die Atmung von Sauerstoff ist immer noch die beste Soforthilfe für einen verletzten Taucher. Wenn es in der Ausbildung um die Versorgung verletzter Taucher geht, unterstützt die gesamte Tauchbranche diese Aussage, und das seit Jahrzehnten.
 

Aber trotz aller Mahnungen scheinen einige Taucher diese Botschaft immer noch nicht voll und ganz verstanden zu haben. Sie gehen immer noch tauchen, ohne an ihren Tauchplätzen eine Sauerstoff-Notfallausrüstung verfügbar zu haben. Wieder andere haben diese zwar, aber aus unerfindlichen Gründen kommt sie bei einem Taucher mit Verdacht auf eine DCS nicht zum Einsatz. Dies mag zum Teil daran liegen, dass die Symptome nur schwach ausgeprägt sind oder erst verzögert auftreten, aber es kann genauso gut daran liegen, dass die Signale des Körpers falsch gedeutet werden. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Personen, die laut dem Report aus dem Jahr 2004 ein Lungenbarotrauma oder eine arterielle Gasembolie erlitten, eher Notfallsauerstoff erhielten. Mehr als 80 Prozent der Fälle mit Lungenbarotrauma und annähernd 70 Prozent mit AGE erhielten Sauerstoff. Weniger als 50 Prozent der Taucher mit DCS-Symptomen erhielten Notfall-Sauerstoff. Bei den Fällen mit Lungenbarotrauma und AGE war wahrscheinlich die frühe Erkennung der damit zusammenhängenden Symptome Auslöser für die Sauerstoffgabe.

Eine Befragung
Um besser zu verstehen, wie Notfallsauerstoff in der Praxis angewendet wird, haben wir einen kurzen Fragebogen entwickelt (eine vergleichbare Befragung zum Thema AED wird es ebenfalls geben), der vom Helfer und dem verletzten Taucher gemeinsam ausgefüllt werden kann (natürlich soll das Ausfüllen dieses Fragebogens nicht die unverzügliche Ersthilfe für den verletzten Taucher oder die nachfolgende professionelle medizinische Versorgung aufhalten).
Die Auswertung der Befragung wird uns u. a. dabei helfen zu klären:

  • auf welche Weise Sauerstoff verabreicht wird;
  • wenn dies nicht geschah, warum; und
  • falls die Sauerstofftherapie unterbrochen wurde, warum.

DAN wird allen Sauerstoff-Notfalleinheiten und Ausbildungsmaterialien Fragebögen wie diesen beilegen. Wir werden ebenfalls eine herunterladbare Version auf unserer Website bereitstellen. Helfen Sie uns, mithilfe dieser Befragung mehr herauszubekommen, helfen Sie uns dabei, Ihnen besser erklären zu können, was draußen in der Praxis mit dem Notfallsauerstoff wirklich passiert. Das Motto von Tauchern überall muss lauten: Sauerstoff an jedem Tauchplatz und auf jedem Tauchboot. Wir müssen auch weiterhin Tauchern erklären, wie Notfallsauerstoff einem Taucher mit einer möglichen DCS hilft, und wir müssen die Wachsamkeit der Taucher für die Signale erhöhen, die ihre Körper ihnen senden. Ebenso wichtig ist, dass wir Tauchern nachsehen, wenn sie unter Wasser ein Problem hatten. Taucher fühlen sich allzu oft schuldig, etwas ‚vermasselt‘ zu haben. Eine Tauchverletzung kann selbst dann auftreten, wenn Taucher bei einem gegebenen Tauchgang alles richtig machen. Tauchen Sie gut. Tauchen Sie oft. Tauchen Sie gut vorbereitet, Tauchen Sie sicher. Und denken Sie daran, rufen Sie DAN an, wenn ein Unfall passiert.

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