Gerätetauchen und Zahnimplantate

Immer mehr Menschen entschließen sich, schlechte oder fehlende Zähne durch Zahnimplantate ersetzen zu lassen. Traditionelle Lösungen für fehlende Zähne waren und sind unter anderem Brücken, herausnehmbare Teilprothesen oder Vollprothesen.  Als Kieferchirurg und in meiner Funktion als zahnmedizinischer Berater für DAN, ’scubadoc‘ (tauchmedizinische Website, http://scuba-doc.com/) und ScubaBoard (www.scubaboard.com) werden mir zunehmend Fragen gestellt, die sich auf das Tauchen mit Zahnimplantaten beziehen. Die Zahnimplantate sitzen genau dort, wo der Atemregler endet, und sind verbunden mit den selben gasgefüllten Hohlräumen, in denen beim Tauchen ein Druckausgleich hergestellt werden muss.  Die daraus resultierenden Fragen der Taucher reichen von "wie lang sollte ich nach der Implantation warten, bis ich wieder tauche gehe?" bis hin zu "wird der Beißdruck auf mein Atemreglermundstück sich auf die Implantate in meinem Mund auswirken?"

Die Geschichte der Zahnimplantate in Kürze
Wie alt ist die Kunst und Wissenschaft der Implantate? Archäologische Funde lassen darauf schließen, dass frühe Zivilisationen versuchten, verlorene Zähne wieder einzupflanzen und auch Zahnersatz aus geschnitztem Holz oder aus Elfenbein herzustellen. Im 19. Jahrhundert wurden Gold und später auch Platin in den menschlichen Kiefer eingesetzt; diese Lösungen erwiesen sich aber als unbrauchbar. Dr. Alvin E. Strock setzte an der Harvard University 1937 zum ersten Mal erfolgreich Implantate ein. Sie wurden aus einer Art chirurgischem Stahl namens Vitallium hergestellt, einer Legierung aus Chrom, Kobalt und Molybdän (graues, metallisches Element), das normalerweise für herausnehmbare Teilprothesen verwendet wurde.
 

Gustav Dahl aus Schweden meldete 1948 das erste subperiosteal eingesetzte Implantat, ein auf dem Knochen platziertes Implantat. 1967 führten Leonard Linkow, Ralph Roberts und Harold Roberts das enossale Blattimplantat ein, das ebenfalls in den Knochen implantiert wird. 1981 stellte Dr. Per Ingvar Brånemark, ein orthopädischer Chirurg aus Schweden, schließlich enossale, wurzelförmige Titanimplantate vor. Das Implantat in Wurzelform war der Prototyp für die heute meistverwendeten Zahnimplantate. Der Schlüssel zum Erfolg der Implantate war die Verwendung von Titan. Als Brånemark 1952 Versuche zur Knochenheilung an Hasen durchführte, setzte er eine kleine Titanplatte mit einer daran befestigten Linse in die Knochen seiner Versuchstiere ein. Dies ermöglichte ihm, per Mikroskop in den Knochen hineinzusehen und den Heilungsprozess zu beobachten.

Osseointegration
Als Brånemark nach Abschluss der Experimente versuchte, die Titanplatte zu entfernen, stellte er fest, dass sich das umgebende Gewebe mit dem Metall verbunden hatte. Er nannte diese Verschmelzung von Knochen und Metall Osseointegration. Erst durch dieses eher zufällig beobachtete Ereignis wurden erfolgreiche Implantate und auch andere implantierbare orthopädische Elemente realisierbar.

Vorgehensweise bei der Operation
Zuerst wird der Zahn an der Problemstelle entfernt. Möglicherweise muss dann Knochenmaterial transplantiert werden, um an der Stelle einen geeigneten Sitz für das zukünftige Implantat herzustellen, oder der Chirurg muss bei einem Patienten ggf. einen Teil der Kieferhöhle ausfüllen, um die Knochendicke so zu verstärken, dass Implantate im oberen hinteren Teil des Mundes ausreichend Halt finden. In Extremfällen kann es nötig werden, dichteres Knochenmaterial aus anderen Körperteilen abzutragen, z. B. den Hüftknochen, oder künstliches Knochenmaterial zu verwenden, um einen geschwächten Knochen zu restaurieren. Die Operation, die erforderliche Heilungszeit und die eingesetzten Prothesen bestimmen, wann ein Patient wieder tauchen gehen kann. Wenn ein Zahn fehlt und der Kieferknochen geeignete Ausmaße hat, bohrt der Chirurg unter Verwendung von Präzisionsbohrern Löcher von genau festgelegter Größe. Das Implantat wird dann in die Bohrung eingeschraubt. Anschließend wird eine Abdeckschraube oder ein Einheilpfosten auf den Kopf des Implantats geschraubt. Man wartet vier bis sechs Monate, damit sich das Implantat mit dem Knochen verbinden kann.
 

Um eine zweite Operation zu vermeiden, verwenden die meisten Chirurgen heute Einheilpfosten, die während des gesamten Heilungsprozesses bewusst aus dem Zahnfleisch herausragen sollen. Wenn die Zeit gekommen ist, das Implantat aufzusetzen, schraubt der Zahnprothetiker diese Einheilpfosten einfach vorher ab. Nach der Osseointegrationsphase wird das Implantat operativ wieder freigelegt, und die weiteren, für die komplette Restauration erforderlichen Teile werden angefügt.

Nicht auf das Atemreglermundstück beißen
Bislang gibt es keine übereinstimmenden Empfehlungen von Chirurgen für das Tauchen nach Operationen im Mundraum: Allgemein gilt, je komplexer die Operation, desto länger sollte man mit dem Tauchen warten. Wenn nach der Operation Komplikationen auftreten, z. B. durch Erkrankungen, Tabak–oder Alkoholkonsum, wird dieses Intervall nochmals verlängert. Während der Phase der Osseointegration sollte nach der Operation alles vermieden werden, was Druck auf die Haut über dem Implantat und auf die Abdeckschraube bzw. den Einheilpfosten ausüben könnte. Wenn man zu bald nach der Operation taucht, könnten die daraus resultierenden Druckeinwirkungen die Wunde schädigen. Wenn die Bisswarzen des Atemreglermundstücks z. B. auf der Implantatstelle aufliegen, können die übertragenen Beißkräfte dazu führen, dass die Implantation misslingt. Man sollte während der Heilungsphase allerdings nicht nur mit dem Tauchen warten, sondern auch keine allzu harte Nahrung zu sich nehmen und nicht direkt im Bereich der Operationsstelle kauen. Während der ersten vier Wochen nach der Operation ist das Risiko am größten, danach nimmt es ab.

Weitere Ratschläge
Nach Operationen im Mundraum sollte man mit dem Tauchen so lange warten, bis die hierdurch bedingten, möglichen Erscheinungen während der Heilungsphase überwunden sind:

  • Revaskularisation (Nachblutungen);
  • Stabilisierung des Implantats;
  • Druckveränderungen in den Nebenhöhlen von Mund und Nase;
  • Unfähigkeit des Patienten, einen Atemregler im Mund zu halten; und
  • Medikamenteneinnahme gegen Schmerzen oder Infektionen.

Revaskularisation darf nicht unterschätzt werden
Der Gasaustausch, wie er im Körper während eines Tauchgangs abläuft – Stickstoff geht in Lösung und gast wieder aus – ist zum Teil eine Funktion des Gefäßsystems der einzelnen Körpergewebe. In der Wundstelle eines gezogenen Zahnes entwickelt sich schnell eine Blutung; in den Wundstellen von präparierten Implantationssockeln geschieht dies ähnlich schnell. Das einfache Ziehen eines Zahnes erfordert normalerweise ein bis zwei Wochen Erholungszeit vor dem erneuten Tauchen.

Knochentransplantationen beeinflussen die Heilungszeit
Knochentransplantationen und Operationen an den Nebenhöhlen sind komplexer und erfordern eine längere Wartezeit: je größer die Transplantationsstelle, desto länger die Wartezeit. Einige Ärzte empfehlen, sechs Monate lang alle Tätigkeiten zu vermeiden, die Mikrobewegungen [des Implantatrumpfes] verursachen. Die vollständige Abheilung einer Implantation kann bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen. Möglicherweise kann man schon vor Ablauf eines Jahres wieder tauchen, ohne dass es Probleme gibt; die angemessene Wartezeit sollte der Arzt benennen. Sie sollten der Empfehlung Ihres Arztes auch dann folgen, wenn er/sie nicht selbst taucht. Die Quantität und Qualität der darunter liegenden Knochenstruktur beeinflusst ebenfalls die Wartezeit bis zum erneuten Tauchen. Einige Menschen haben sehr harte, dichte, andere wiederum weiche, eher leichte Knochen. Das wirkt sich auf die grundsätzliche Stabilität des darin platzierten Implantats aus. Wenn ein Implantat in einer harten, dichten Knochenstruktur sitzt, ist es nicht so anfällig gegen die oben erwähnten Mikrobewegungen. Das Gegenteil gilt für weiche, eher leichte Knochen. Neu eingesetzte Implantate sind in den ersten zwei bis vier Wochen nach der Operation am anfälligsten gegen Bewegungen. Die Implantate lösen sich dann an den Operationsstellen, bevor sie sich überhaupt stabilisieren können. Während der ersten Phasen der Osseointegration muss das Gerätetauchen daher unterbleiben. Mindestens fünf Wochen bis zwei Monate sind erforderlich, damit sich das Implantat stabilisieren kann. Wenn größere Knochentransplantationen nötig waren, fällt diese Zeitspanne länger aus.

Abschließende Arbeiten
Während der Heilungsphase bleibt die Implantationsstelle normalerweise unbedeckt, oder dem Patienten wird eine Übergangsprothese eingesetzt, die keine Verbindung zu dem/den abheilenden Implantat/en hat, z. B. ein herausnehmbares Teilgebiss. In den vergangenen Jahren haben die Chirurgen Vorgehensweisen entwickelt, mit deren Hilfe die Patienten nicht mehr so lange warten müssen, bis ihnen der endgültige Zahnersatz eingesetzt werden kann.
Provisorien werden in der Regel aus Kunststoff hergestellt und mit einem Kurzzeitkleber oder einer behelfsmäßigen Verschraubung fixiert. Aus Sicherheitsgründen sollte man sich mit dem Tauchen zurückhalten, bis der endgültige Zahnersatz eingesetzt wurde. Wenn sich beispielsweise der Kurzzeitkleber dabei lösen oder der Kunststoff brechen würde, bestünde die Gefahr, dass Teile des Provisoriums in die Atemwege gelangen oder verschluckt werden könnten.
Ob es sich nun um eine implantatgestützte Krone, eine fixierte Brücke oder ein fixiertes, herausnehmbares Gebiss handelt, nach den erforderlichen vier bis sechs Monaten der Osseointegration setzt der Chirurg den endgültigen Zahnersatz ein. Wenn die Implantate sich einmal vollständig mit dem Knochenmaterial verbunden haben und der endgültige Zahnersatz an Ort und Stelle sitzt, gibt es eigentlich vom Gerätetauchen her keine Risiken für das Implantat oder den Zahnersatz mehr. Die in den Implantaten eingearbeiteten Hohlräume zur Aufnahme der darüber liegenden Schrauben, Einheilpfosten und des Zahnersatzes sind eher klein und liegen geschützt inmitten des Titanmaterials. Es gibt keine gasdurchlässige Verbindung zwischen den Implantaten und den diese umgebenden Geweben. Die Struktur der Implantate ist stark genug, um allen möglicherweise auftretenden Druckdifferenzen zu widerstehen, falls kleinere Gasmengen in diese Hohlräume vordringen sollten.

Weitere Empfehlungen
Das Gerätetauchen kann auch bei über Implantaten sitzendem Zahnersatz zu vergleichbaren, wenn gleich extrem selten auftretenden Problemen führen. Es kann zum Abbrechen von Keramikmaterial oder zur Ablösung des Fixierungsklebers kommen, und dass der Zahnersatz auf Implantaten sitzt, bietet keinen besseren Schutz gegen diese Probleme. Durch Implantate gestützter Zahnersatz wird zum Teil eingeklebt, und es liegt in der Natur der Sache, dass sich diese Klebung aufgrund der Druckveränderungen ggf. lösen kann. Aber wie gesagt, das passiert eher selten. Einige Zahnmediziner verwenden vorzugsweise weichere, zeitlich nur begrenzt haltende Kleber unter den endgültig eingesetzten Kronen und Brücken. Dies ermöglicht, den Zahnersatz später im Bedarfsfall noch einmal abnehmen zu können.
 

Andere Zahnmediziner machen beim Einkleben auf die Implantate keinen Unterschied zu echten Zähnen und verwenden dauerhaft haltenden Kleber. Ihre Philosophie lautet, "wenn ich mir bei echten Zähnen über permanenten Zahnzement keine Sorgen mache, warum sollte ich mir dann bei Implantaten welche machen?" Am besten erkundigen Sie sich, welchen Zahnzement Ihr Zahnarzt für die Verklebung Ihres Zahnersatzes verwendet hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Zahnersatz löst, ist selbst für zeitlich begrenzt haftenden Kleber gering, aber Sie sollten sich ganz einfach bewusst sein, dass es passieren könnte. Wenn sich ein Implantat oder Zahnersatz erst einmal länger als ein Jahr problemlos gehalten halt, wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr aufgrund einer mangelnden Osseointegration zu dessen Ausfallen kommen. Es gibt aber andere Gründe, die zu einem Scheitern des Zahnersatzes führen können, allerdings nichts mit der Operation, dem Einsetzen und Heilen der Implantate zu tun haben: In seltenen Fällen zerbrechen Implantate bzw. Einheilpfosten oder Halteschrauben werden defekt. Gründe hierfür sind normalerweise ein sehr kräftiger Biss, Verletzungen, ein mangelhafter Behandlungsplan oder Materialfehler. Diese Ausfälle werden im Allgemeinen nicht durch das Tauchen hervorgerufen.
 

Durch die zunehmende Verbreitung von Zahnimplantaten wird es wahrscheinlich auch immer mehr Gerätetaucher geben, die mit dieser Art Zahnersatz tauchen. Bestimmte Gesichtspunkte der Maßnahmen im Rahmen von Zahnimplantation und Zahnersatz schließen Taucher sicherlich eine Zeit lang von ihrem Sport aus, nach einer erfolgreichen Heilung und Vervollständigung der Implantate spricht aber nichts dafür, das Gerätetauchen weiterhin zu untersagen. Besprechen Sie sich eingehend mit Ihrem Zahnchirurgen und Zahnarzt, dann werden Ihre Zahnimplantate halten und Ihre Tauchgänge sicherer.

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