Flirt mit einem Blauring-Oktopus (noch einmal…)
Alle Taucher mögen irgendwie das Abenteuer, ob es sich dabei nun um tiefes Tauchen, das Tauchen durch eine Unterwasserhöhle, oder den Reiz der Begegnung mit einem giftigen und gleichzeitig bezaubernden Wesen handelt. Wie z. B. die Faszination von Elizabeth Cook und Robert Yin für den Blauring-Oktopus: in der Ausgabe III/2005 des Alert Diver zeigten sie uns in einem ansprechenden Artikel die gefährliche Schönheit dieser Kreatur. In diesem Artikel werden wir uns einmal mehr bewusst, warum wir in alle Ecken der Welt reisen und uns beim Tauchen die wundervollen, aber zugleich gefährlichen Wunder der Natur ansehen.
Kapalai ist ein wunderschöner, wirklich bezaubernder Tauchplatz und wurde einmal als ‚zwischen Himmel und Wasser hängender Traum‘ bezeichnet. Eine Insel Malaysias, die wie eine Illusion unvermittelt aus der Celebes-See aufragt. Die Giebeldächer der eleganten Wasser-Chalets ruhen, auf Pfählen gebaut, über dem türkisen Wasser voller Fische. Als mein Boot sich näherte, musste ich mir einfach eingestehen, "das ist ein Architektentraum". Verzaubert von dem Anblick überlegte ich, ob ich den Anleger hinunterlaufen und das auf dem Wasser erbaute Dorf erkunden oder einfach über Bord springen und mit der lokalen Fischpopulation Bekanntschaft machen sollte. Ich entschied mich für die elegantere Ankunft, und lächelnde Besatzungsmitglieder halfen mir auf das Dock, griffen sich meine Ausrüstung und führten mich in mein Chalet.
Nightlife unter Wasser
Dreißig Minuten später hatten der Divemaster und ich unsere Ausrüstung angelegt und Tauchlampen in der Hand, und wir begaben uns zu einem Dämmerungs-Checktauchgang ins Wasser. Wir tauchten um einen Krokodilfisch mit schläfrigen Augen herum, der sich ein Plätzchen unten am Fuß des Docks gesucht hatte, und ließen uns gemächlich auf 13,7 Meter sinken, wo wir zu einer Wand aus Korallen, Gorgonien und Korallentrümmern kamen, die ein Zuhause für Krebse, Grundeln und Leierfische bildete. Wir blieben lange genug dort, um die Paarung von Mandarinfischen mit ihren kunstvoll verzierten Farben beobachten zu können. Wir konnten leicht die Männchen identifizieren, die zwei– bis dreimal so groß wie die Weibchen sind. Vier oder fünf Weibchen huschten in die Korallentrümmer und wieder heraus; ein einzelnes Männchen jagte ihnen nach.
Es sah aus, als wenn sie Fangen spielen würden. Als das Männchen ein interessierte Weibchen ‚einfing‘, stiegen die beiden zusammen etwa einen Meter auf, ließen Eier und Samen hinter sich und zogen sich schnell wieder in die Sicherheit ihrer Korallentrümmer zurück. Wir setzten unseren Weg fort, vorbei an einem ehrwürdigen Oktopus, der oben auf einem Korallenblock Position bezogen hatte. Er ließ sich von unserer Anwesenheit scheinbar nicht aus der Ruhe bringen. Im Lichtkegel unserer Tauchlampen tauchte ein grellbunter Clown-Anglerfisch auf, der auf einem rot verkrustetem Schwamm herumrutschte. Während wir ihn beobachteten, versuchte er, ein Opfer in seine Reichweite zu locken. In einer Abfolge brachte er seinen Köder aus, öffnete seine Kiefer unglaublich weit und ließ sie dann zusammenschnappen.
Das Ganze lief so rasend schnell ab, dass in der Nähe befindliche Tiere ungerührt ihren bisherigen Aktivitäten nachgingen. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er seine Beute erwischt hatte oder nicht. Viel zu bald wies uns der Divemaster an umzudrehen, und wir kehrten um Richtung Dock. In meinem Kopf schwirrte bereits eine Unzahl möglicher Fotos für den nächsten Morgen herum, und ich ging schließlich schlafen.
Der Morgen danach
Bei Sonnenaufgang faltete ich die hübschen hölzernen Fensterläden zusammen, die gleichzeitig die Rückwand meines Chalets bildeten. Beim Öffnen der vorderen Tür spürte ich die Wärme, als die Sonne über den Hartholzboden hereinströmte. Ich bereitete meine Kamera vor und dachte dabei an Kapalai, das vor vielen Jahren einmal eine kleine Insel mit spärlicher Vegetation war. Kapalai ist ein Teil des Ligitan-Riffs, eines ausgedehnten Riffsystems, das eine natürliche Grenze der tiefen Celebes-See darstellt. Mit der Zeit verschwand die Vegetation, und die Erosion hat aus der Insel die kleine Unterwasser-Sandbank werden lassen, die sie heute ist. Manchmal kann man bei Niedrigwasser auf der Insel herumlaufen. Wenn die Flut wieder steigt, wird die Sandbank unter Wasser zu einer Kinderstube für kleine Blaupunktrochen.
Mein Tauchpartner erreichte Kapalai mit der Celebes Sea, einem lokalen Safariboot. Wir unterhielten uns über die Riffe und Meerestiere, die die Gäste in den letzten Tagen von Bord aus gesehen hatten. Neben anderen Naturwundern erwähnte er, dass sie zwei Blauring-Oktopusse bei der Paarung beobachtet hätten. Die Seltenheit dieser Beobachtung berührte mich nicht sonderlich. Das Einzige, an das ich mich im Zusammenhang mit dem Blauring-Oktopus erinnerte, war, dass er tödlich sein konnte. Wir verbrachten einige Tage damit, uns mit dem Leben unter dem Dock anzufreunden. Wir unternahmen außerdem sehr schöne Bootstauchgänge, die uns zu den Riffen rund um Kapalai führten. Touren zum benachbarten ‚Paradise‘ an der Insel Mabul ermöglichte uns, Seepferdchen und eine bezaubernd exotische Sammlung von zottigen Anglerfischen, Geisterpfeifenfischen, Mosaik-Schlangenaalen und weiteren unbekannten Kreaturen zu fotografieren. Wir ließen die Gelegenheit aus, das nahegelegene Sipadan mit seinen wunderbaren Schildkröten, Makrelen und Barakudas aufzusuchen, aber nur, weil wir dort auf vorherigen Reisen schon viele Tauchgänge unternommen hatten. Wir entschieden uns stattdessen für die ‚Dive Platform‘, bekannter unter dem Namen ‚Seaventures Resort‘, einer gereinigten, für Taucher präparierten Ölplattform. Die ‚Platform‘ hat ihre eigenen Attraktionen zu bieten, darunter den gelben Riesenanglerfisch in der Größe meines Kopfes oder die eleganten Fledermausfische im Szenario einer versunkenen Großtechnik.
Ein tödlicher Besucher
Nach mehreren Tauchtagen entdeckte mein Tauchpartner einen weiteren Blauring-Oktopus, und er war ganz aufgeregt. Mit hektischen Handzeichen forderte er mich auf, näher zu kommen, immer näher an diese giftige kleine Kreatur heran. Er wollte mich offensichtlich als menschlichen Größenmaßstab verwenden und meinen Kopf direkt neben den winzigen Oktopus platzieren. Ich tat ihm den Gefallen und beobachtete das 15 cm kleine Wesen, wie es mit seinen Armen nach kleinen Krustentieren und Fischen in den Ritzen der Korallentrümmer herumfingerte. Da Blauring-Oktopusse als extrem giftig gelten (aber auch als nicht aggressiv), achtete ich genau auf seine Bewegungen, Geschwindigkeit und Agilität: Ich weiß sehr wohl um die möglicherweise tödliche Wirkung diese Tieres. Mein Freund schoss mehrere Fotos, bevor der Oktopus schließlich in einer Spalte entschwand. Später erzählte mir mein Freund, dass er in tausenden von Tauchgängen nur eine Handvoll Begegnungen mit dem Blauring-Oktopus erlebt hat. Als ich ihm zugehört hatte, dachte ich, dass ich dieses Tier vielleicht niemals wieder sehen werde.
Eine sagenhafte Gelegenheit
Als die Tage dahinstrichen, ließ ich mich mehr und mehr einfach am Abhang der Korallentrümmer unter dem Pier hinabgleiten und überließ die Boote und Abfahrtszeiten einfach den Anderen. Ich beschloss, dass es an der Zeit war, den wunderschönen und schwierig zu fotografierenden Mandarinfisch abzulichten. Ich nahm meine Kamera und ließ mich den Abhang hinab zum ‚Mandarin Palace‘ hinabgleiten. Ich wählte einen Platz aus und positionierte meinen Kopf in einer Nische am Fuß einer großen Koralle. Mein ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das Objektiv, und ich konzentrierte mich darauf, eine Nahaufnahme von den Mandarinfischen hinzubekommen, wie sie aus den Korallentrümmern kommend nach oben tanzten. Nach einigen Aufnahmen und einer anhaltend hohen Konzentration bemerkte ich eine wandernde, gleitende Bewegung am Rand meiner Maske. Ich konzentrierte mich immer noch auf die Mandarinfische und ignorierte diese Ablenkung einfach. Wieder sah ich eine Bewegung, und wieder ignorierte ich sie. Irgendwie registrierte ich, wie dieses Etwas sich abwärts bewegte. Genervt versuchte ich es zu verscheuchen. Ich bewegte meinen Kopf nach hinten. Zu meiner Überraschung sah ich nun einen kleinen Oktopus mit glitzernden, pulsierenden blauen Ringen.
Vor Aufregung bekam ich beinahe einen Krampf. Ich schob meine Kamera in Richtung Oktopus. Mit zittrigen Händen stellte ich meine Blitzgeräte ein und verfolgte die ganze Zeit über den Oktopus aus dem Augenwinkel heraus. Ich ließ meine Hand auf den Sucher sinken, fokussierte, zog ruckartig meinen Kopf zurück und starrte wirr blickend über die Kamera hinweg. Ich sah nun nicht einen Oktopus, sondern zwei! Sie waren scheinbar tief im Liebestaumel; das Männchen hielt den Mantel des Weibchens fest umschlossen. Mein Puls beschleunigte sich. Mein Hirn warf mein gesamtes fotografisches Fachwissen mit einem Mal über Bord. Wie viele Fotos konnte ich noch machen? Hatten die Sklavenblitze die richtigen Einfallswinkel? Waren sie schon wieder aufgeladen? Welche Blende hatte ich eingestellt? Hatte ich auf die kleinen Biester fokussiert? Beinahe reflexartig löste ich aus und zwang mich mit meiner Ungeduld zu warten, bis sich die Blitzgeräte zwischen den Aufnahmen wieder aufgeladen hatten – dies waren die längsten Sekunden in meinem Leben. Ein, zwei drei Aufnahmen. Die Blauring-Oktopusse blieben bei mir. "Nur noch ein Foto, nur noch eins," betete ich. "Los jetzt, komm hinter dem Felsen hervor!" sagte ich zu mir selbst und wünschte mir, die Tiere mögen sich fortbewegen.
Es war unglaublich, aber sie glitten direkt auf mich zu, drehten dann aber argwöhnisch zur Seite ab. Ich löste erneut aus und nutzte eine letzte Chance, bevor sie in einer kleinen Grotte hinter einem Vorhang aus Mandarinfischen verschwanden. Mit einem zufriedenen Gefühl und der Sicherheit, dass zumindest eines der Bilder gut sein würde, atmete ich tief durch und flösselte rückwärts, weg von den Korallentrümmern. Nach dem Auftauchen konnte ich es nicht erwarten, meinem Tauchpartner von meinem großen Glück zu berichten, der ganz in der Nähe auftauchte. Er und der Divemaster warteten nicht, bis ich ausgeredet hatte; sie wollten nur schnell wissen, wo ich die Oktopusse gesehen hatte. Sie ließen sich zurück ins Wasser gleiten und schafften es kaum, die Verschlüsse ihrer Fotogehäuse vorher zu verschließen. Leider konnten sie die sich paarenden Oktopusse nicht mehr finden, und sie entdeckten während unseres Aufenthaltes nicht einmal einen einzelnen Blauring-Oktopus mehr. Mehrere Monate später dachte ich nochmals an die Erlebnisse auf dem schönen Kapalai. Ich konnte mich nur schwer an all die 38 Tauchgänge erinnern, die ich dort genossen hatte. Manchmal erinnere ich mich allerdings an die aufregende Entdeckung dieses einen Tages. Ehrlich gesagt konnte ich das Bild der beiden sich paarenden Oktopusse nicht mehr in meinem Kopf rekonstruieren. War es möglich, dass mir dieses magisch anmutende Kapalai eine Illusion vorgespiegelt hatte? Um mich zu vergewissern, sah ich mir nochmals meine Dias an.
Sicherheitstipps für Unterwasser-Fotografen
Denken Sie ans Atmen. Halten Sie sich an die ‚goldene Regel‘ des Tauchens: Halten Sie niemals den Atem an. Durch Atemanhalten kann es zu schweren, sogar tödlichen Lungenüberdruckverletzungen kommen. Perfektionieren Sie Ihre Tarierung: Schon aus rein praktischen Erwägungen ist eine hervorragende Tarierung für einen Fotografen unabdingbar. Wenn sie stabil über einem Riff schweben können, vermeiden Sie Schäden an Kamera, Riff und Lebewesen, z. B. Nacktschnecken, Seeanemonen und anderen, sich langsam bewegenden Kreaturen. Ihre gute Tarierung sorgt außerdem dafür, dass Ihre Flossen keinen Sand aufwirbeln, andere Fotografen verärgern oder Blendpartikel auf Ihre Fotos bringen.
Behalten Sie Ihre Belastung mit verschiedenen Aufgaben im Auge: Die Unterwasser-Fotografie ist wahrscheinlich die mit der höchsten Konzentrationsbelastung. Da Fehler unter Wasser zum Tod führen können, sollten Taucher ihre Fertigkeiten absolut beherrschen, bevor sie das zusätzliche Gewicht der Fotoausrüstung, die zusätzliche Konzentrationsbelastung und die damit verbundene Ablenkung in Kauf nehmen. Kontrollieren Sie sich laufend: Überprüfen Sie noch regelmäßiger Ihre Instrumente. Legen Sie einen strikten Grenzwert für Ihre Atemluftreserve fest und halten Sie sich daran. Ausgerechnet, wenn Sie nur noch 35 Bar in der Flasche haben, wird der Walhai auftauchen. Zum Festlegen einer Grenze und zu deren Einhaltung gehört wirklich Disziplin. Aber davon könnten Ihr Leben und das Leben Ihres Tauchpartners abhängen.