Fliegen nach dem Tauchen

1989 nahm DAN an der ersten Arbeitstagung zum Thema ‚Fliegen nach dem Tauchen‘ (Flying After Diving – FAD) teil. Dieser Workshop wurde von der ‚Undersea and Hyperbaric Medical Society‘ [Gesellschaft für Unterwasser– und Hyperbarmedizin] unterstützt, und dort wurden von DAN gesammelte Tauchunfalldaten präsentiert, und es wurde von Versuchen zum Thema Fliegen nach dem Tauchen berichtet, die im Labor der Duke University Medical Center durchgeführt wurden (Quellen 1-3).
 

Nach dem Treffen im Jahr 1989 veröffentlichten die Verantwortlichen des Workshops ein Kommuniqué mit Richtlinien zum Fliegen nach dem Tauchen. In diesen Richtlinien wurde empfohlen, nach Nullzeittauchgängen von insgesamt bis zu zwei Stunden an einem Tag 12 Stunden zu warten, bevor man fliegt; nach mehreren Tagen mit unbegrenzten Nullzeittauchgängen in Folge sollte man 24 Stunden damit warten. DAN empfahl eine konservativere Regelung von 24 Stunden Wartezeit nach jeglichem Tauchen. Die Sporttauchbranche entgegnete allerdings, dass sie die Risiken einer Dekompressionskrankheit zu niedrig einschätzten, als dass diese eine Wartezeit von 24 Stunden rechtfertigen würden, und sie würden zudem Einnahmeverluste für Tauchresorts auf den Inseln befürchten.
1991 revidierte DAN seine Richtlinien dahingehend, dass man nach einem einzelnen Nullzeittauchgang mindestens 12 Stunden und nach Wiederholungstauchgängen, dekompressionspflichtigen Tauchgängen und mehreren Tauchtagen in Folge länger als 12 Stunden warten sollte (Quellen 4 und 5). DAN hat seitdem zwei Laborstudien zum Fliegen nach dem Tauchen durchgeführt und eine zusätzliche Studie, bei der Daten von verletzten Tauchern und Untersuchungen über Taucher, die mit Symptomen oder nach einer Druckkammertherapie geflogen sind, verwertet wurden.

Experimentelle Studien zum Fliegen nach dem Tauchen
Eine Durchsicht der Daten aus der Arbeitstagung aus dem Jahr 1989 ergab, dass es keine hinreichenden empirischen Belege für eine der vorgeschlagenen Richtlinien gab. Um solche Belege hervorzubringen, initiierte DAN 1992 experimentelle Versuche zum Fliegen nach dem Tauchen mit simulierten Flügen auf 2438 Meter Höhe (8000 Fuß). Die Versuchsreihe wurde 1999 beendet, und es gab bei insgesamt 802 Einzelversuchen 40 Fälle von DCS. Die 1999 veröffentlichten Vorgehensweisen der U.S. Navy für das Fliegen nach dem Tauchen basierten auf eben diesen Daten, genau wie die Richtlinien des Kommuniqués für das Fliegen nach Sporttauchgängen, die in einer von DAN gesponserten Arbeitstagung im Jahr 2002 entwickelt wurden. Die experimentelle Studie und das Protokoll der Tagung wurden 2004 veröffentlicht (Quellen 6 und 7).
 

Die aktualisierten Richtlinien für das Fliegen nach dem Tauchen lauteten:
a)Nach einem einzelnen Nullzeittauchgang wird eine Wartezeit von 12 Stunden vor dem Fliegen empfohlen.
b)Nach mehreren Tauchgängen pro Tag oder mehreren Tauchtagen in Folge wird eine Wartezeit von 18 Stunden empfohlen.
c)Für Tauchgänge, die Dekompressionsstopps erfordern, gibt es zu wenige Erkenntnisse, als dass man eine Empfehlung aussprechen könnte, aber eine Wartezeit vor dem Fliegen von erheblich mehr als 18 Stunden erscheint ratsam.
 

Die Versuche von DAN waren so konzipiert, dass die erforderlichen Wartezeiten vor dem Fliegen für die längsten anzunehmenden Nullzeitgrenzen eines einzelnen Tauchgangs oder für Wiederholungstauchgänge beim Sporttauchen abgeschätzt werden konnten. Eine zweite, von der U.S. Navy unterstützte Studie startete 2002 und wird bis heute weitergeführt. Ihr Ziel ist die Untersuchung von kurzen Nullzeittauchgängen und Dekompressionstauchgängen, die beide bisher nicht Forschungsgegenstand waren. Bis heute traten bei insgesamt 368 Tauchgängen vier Fälle von DCS und sieben ‚Unpässlichkeiten‘ (DCS in geringem Umfang, bzw. Symptome, die weniger als eine Stunde anhielten) auf.

Fall-Kontroll-Studie für das Fliegen nach dem Tauchen
Die Beziehung der DCS-Risiken zur Wartezeit vor dem Fliegen wurde zudem in einer Fall-Kontroll-Studie anhand von 382 Fällen aus der DAN-Tauchunfall-Datenbank und einer Kontrollgruppe von 245 verletzungsfreien Tauchern aus dem ‚Project Dive Exploration‘ untersucht (Quelle 8). Mit Fall-Kontroll-Studien kann man kein absolutes Risiko ermitteln, da die Anzahl der Personen mit Risiken unbekannt ist, sie können aber zeigen, ob ein potenzieller Risikofaktor bei Verletzten häufiger vorliegt als in einer Kontrollgruppe. Die Kenndaten der Taucher und der Tauchprofile wurden statistisch ausgewertet. Wie bei den experimentellen Versuchen nahm auch hier das DCS-Risiko mit der Maximaltiefe am letzten Tauchtag zu.
 

Fall-Kontroll-Studien ermitteln, wie sich das Risiko in einer bestimmten Situation im Verhältnis zu einer anderen bestimmten Situation verhält. Diese Analyse ergab beispielsweise, dass, wenn das DCS-Risiko nach einem 18-Meter-Tauchgang und einer Wartezeit von 24 Stunden als Ausgangswert festgelegt wurde, das relative Risiko nach einem 18-Meter-Tauchgang und einer Wartezeit von 12 Stunden 2½ Mal höher ausfällt, und dass das relative Risiko nach einem 40-Meter-Tauchgang und einer Wartezeit von 12 Stunden sieben Mal so hoch ausfällt.
Von den 382 Fällen mit DCS beim Fliegen nach dem Tauchen in der Fall-Kontroll-Studie warteten 34 Prozent länger als 24 Stunden vor dem Fliegen. Dies widerspricht den Richtlinien des Kommuniqués hinsichtlich des Fliegens nach dem Tauchen, nach denen, auf Basis von Druckkammerversuchen, eine Wartezeit von 18 Stunden nach Wiederholungstauchgängen als ausreichend befunden wurde.

Da die Experimentalversuche mit trockenen, ruhenden Personen durchgeführt wurde, könnte man sich fragen, ob Sporttaucher ein größeres Risiko aufweisen als die Teilnehmer der Versuche in der Druckkammer. Falls dieses Risiko größer ist, wie viel größer ist es dann? Die Fall-Kontroll-Studie brachte hier etwas Licht ins Dunkel. Wenn das relative DCS-Risiko nach einem 18-Meter-Tauchgang und einer Wartezeit vor dem Fliegen von 36 Stunden der Ausgangswert war, fiel das DCS-Risiko nach einer Wartezeit von 24 Stunden 1,7 Mal höher und nach 12 Stunden Wartezeit 4,2 Mal höher aus. Die Fall-Kontroll-Studie mit Sporttauchern deutet also darauf hin, dass man durch Wartezeiten von mehr als 24 Stunden einen zusätzlichen Schutz erhalten würde, aber mit abnehmender Effizienz für ein nochmals geringeres Risiko, wenn die Wartezeit noch weiter ausgedehnt wird.

Mit vorhandenen DCS-Symptomen fliegen
Eine Untersuchung, die DAN in den Jahren 1987 bis 1990 durchführte, zeigte, dass 5,6 Prozent von 1.159 DSC-Fällen während oder nach dem Fliegen auftraten und dass 13,8 Prozent bereits vor dem Flug Symptome aufwies (Quelle 9). Die DAN Tauchreporte aus den Jahren 2000 bis 2004 zeigen, dass 7,1 Prozent von 2.483 DCS-Fällen während oder nach dem Fliegen auftraten und 10 Prozent bereits vor dem Fliegen Symptome aufwiesen (Quellen 10 bis 14).
Da das Fliegen eine zusätzliche Dekompressionsbelastung darstellt, wurden die Auswirkungen des Fliegens mit Symptomen hinsichtlich der Schwere der Fälle und der Behandlungsergebnisse untersucht (Quelle 9). Die Schwere der Fälle wurde aufgrund einer abschließenden Diagnose von DCS Typ II (im Gegensatz zu Typ I) kategorisiert, und das Behandlungsergebnis wurde anhand einer vollständigen Erholung nach der ersten Druckkammerbehandlung bzw. den nach drei Monaten und allen Druckkammerbehandlungen noch vorhandenen Symptomen beurteilt.

Dieser gemessene Schweregrad der DCS wurde zwischen Tauchern verglichen, die in einer Druckkammer behandelt wurden und nicht flogen, und solchen, die während oder nach dem Flug Symptome entwickelten und danach in einer Druckkammer behandelt wurden. Alle drei Schweregrade wurden durch das Fliegen mit Symptomen negativ beeinflusst: DCS Typ II war 1,6 Mal wahrscheinlicher, unvollständige Erholung war 1,8 Mal wahrscheinlicher, und bleibende Restsymptome waren 2,7 Mal wahrscheinlicher.
 

In einer ähnlichen Analyse wurde bei Tauchern, die weniger als 24 Stunden vor dem Fliegen warteten, das Behandlungsergebnis anhand der Restsymptome nach allen Druckkammerfahrten beurteilt (Quelle 15). Die Kontrollgruppe bestand aus Tauchern, die nicht geflogen waren. Es gab zwei Vergleichsgruppen: a) Taucher mit vor dem Fliegen bestehenden Symptomen; und b) Taucher mit Symptomen nach dem Fliegen. 38 Prozent der Taucher, die nicht geflogen waren, wiesen nach allen Druckkammerfahrten noch Restsymptome auf; bei den Tauchern mit bestehenden Symptomen vor dem Fliegen waren es 49 Prozent (OR=1,5) [OR steht für ‚Odds Ratio‘ oder auch Quotenverhältnis], und bei den Tauchern, die erst nach dem Fliegen Symptome aufwiesen, 46 Prozent (OR=1,3). 31 Prozent der Taucher mit konstitutionellen Symptomen (Erschöpfung, Übelkeit, Drehschwindel) wiesen Restsymptome auf. Bei Tauchern mit Schmerzen betrug der Anteil mit Restsymptomen 40 Prozent, das Quotenverhältnis (OR) gegenüber der Referenzgruppe der Taucher mit konstitutionellen Symptomen somit 1,5. Bei Tauchern mit leichten neurologischen Symptomen hatten 40 Prozent Restsymptome (OR=1,4), und bei denen mit gravierenden neurologischen Symptomen 45 Prozent (OR=1,8).
 

Ob man mit bestehenden Symptomen fliegt, ist eine Sache der Ausbildung (man sollte es einfach nicht tun), aber es kommt zwangsläufig ins Spiel, wenn verletzte Taucher von einem entlegenen Tauchplatz über den Luftweg zu Druckkammereinrichtungen transportiert werden müssen (Quelle 16). Die Frage ist, ob alle Taucher mit Verdacht auf Dekompressionsverletzungen mit Luftambulanzen mit einem Kabinendruck entsprechend Meereshöhe transportiert werden müssen, oder ob Taucher mit leichten Symptomen in normalen Flugzeugen der kommerziellen Luftfahrt (Standard-Kabinendruck, niedriger als auf Meereshöhe) geflogen werden können. In dieser Hinsicht könnte die Auswirkung der Zeitspanne bis zum Flug von Bedeutung sein. 126 Taucher, die mit bestehenden Symptomen flogen, wurden in zwei Gruppen eingeteilt: diejenigen, die weniger als 24 Stunden vor dem Fliegen warteten, und jene, die mehr als 24 Stunden warteten. Die Vergleichsgruppe bestand aus 1.509 Personen, die nicht geflogen waren. Die Taucher wurden nach der Schwere des Falls kategorisiert.

Als die Auswirkung des Warteintervalls ausgewertet wurde, war die Druckkammerbehandlung bei den Tauchern, die mehr als 24 Stunden vor dem Fliegen gewartet hatten (73 Prozent mit vollständiger Beseitigung der Symptome), gleichermaßen erfolgreich wie bei den Tauchern, die nicht geflogen waren (71 Prozent). Unter den Tauchern, die weniger als 24 Stunden vor dem Fliegen warteten, kam es bei denen mit schweren neurologischen Symptomen in nur 34 Prozent der Fälle zu einer vollständigen Erholung, bei denen mit leichten neurologischen Symptomen waren es 53 Prozent. Die Wartezeit vor dem Fliegen schien sich nicht auf Schmerzen auszuwirken.

Fliegen nach der Druckkammerbehandlung
Fliegen nach der Druckkammerbehandlung bedeutet, dass ein Taucher, der bereits auf DCI behandelt wurde (DCI steht für Dekompressionserkrankungen, den Oberbegriff, der DCS und Arterielle Gasembolie beinhaltet), sich einem zweiten Dekompressionsvorgang aussetzt (Quelle 17). Die wichtige Frage lautet, wie lange ein Taucher nach der Behandlung warten muss, bevor er oder sie in einem kommerziellen Flugzeug mit Standard-Kabinendruck fliegen kann.
 

Die zumeist empfohlene Wartezeit nach der Behandlung bis zum Fliegen beträgt drei Tage. Die Auswirkung des Fliegens auf einen möglichen Rückfall nach der Behandlung scheint sich nach etwa drei bis vier Tagen zu stabilisieren, aber diese Betrachtung beruht auf Daten von zweifelhafter Qualität. Für Taucher, die nach der Behandlung anhaltende Symptome aufweisen, scheint klar zu sein, dass drei Tage unzureichend sind, um eine Verschlimmerung der Symptome während des Fluges zu vermeiden. Ein profunderes Verständnis der Problematik beim Fliegen nach der Druckkammerbehandlung wird erst mit dem Vorliegen weiterer Informationen möglich werden, und zwar Informationen über: a) die Rückfallquote, wenn nicht geflogen wird und die Auswirkung des Fliegens auf die Schwere der Symptome, und b) die Fortdauer von Rückfall-Symptomen im Vergleich zu Rückfällen ohne Flug.

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