Aufsteigende Magensäure beim Tauchen: Ein Thema für Notfälle?

Im letzten Jahrzehnt haben sich unsere Lebensgewohnheiten geändert und damit hat auch die Zahl der Personen zugenommen, die unter aufsteigender Magensäure (Gastroösophagealem Reflux), einer aus klinischer Sicht sehr verbreiteten Krankheit, leiden.

Sehr viel weniger bekannt ist jedoch die Wirkung, die die vom Magen produzierte Chlorwasserstoffsäure auf Ohren, Nase, Hals und Atemwege hat.

Die erste Wechselbeziehung zwischen aufsteigender Magensäure und HNO-Problemen wurde 1903 festgestellt, als Dr. L.A. Coffin  die Hypothese aufstellte, dass das Einatmen von säurehaltigem, aus dem Magen aufsteigendem Material im Zusammenhang steht mit der Trockenheit der Kehle und der hinteren Rhinorrhoe* (Postnasal-Drip-Syndrom) bei Patienten mit chronischen Kehlkopf- und Nasenproblemen.

Ein Jahrhundert später haben andere Studien diese Wechselbeziehung untersucht und heute kennen wir den laryngopharyngealen Reflux (LPR), die Ursache von Beeinträchtigungen und verschiedenen Krankheiten des Kehlkopfes, der Rachenhöhle, der Mundhöhle, Zähne, Bronchien, Ohren, Nase und Nebenhöhlen.

2002 veröffentlichte ein deutscher Forscher in einem anerkannten Journal eine überraschende Entdeckung: bei 80% der Kinder mit Ohrenentzündungen, die ihre Nasenpolypen in der Klinik, in der er arbeitete, hatten entfernen lassen, wurde ein Verdauungsenzym des Magens im Mittelohr festgestellt. Dieses Enzym konnte nur durch den Nasenrachenraum und die Eustachi-Röhre ins Mittelohr gelangen.

Einfacher ausgedrückt kann man sagen, dass 80% der Kinder, die als Säuglinge Ohrenentzündungen hatten, schlecht funktionierende Gehörgänge haben und das dies die Ursache für den Reflux ist.  Andere wissenschaftliche Untersuchungen unterstützen diese These und demonstrieren, wie Chlorwasserstoffsäure und das Pepsinenzym des Refluxes Entzündungen, Schwellungen und Geschwürbildung in den Schleimhäuten der Atemwege verursachen.  

Angesichts dieser Hypothese fragen wir uns: "Ist es möglich, das aufsteigende Magensäure auch die Ursache von Druckausgleichsproblemen bei Tauchern ist?"

Im Rahmen der Kontrollen bei Tauchern mit Druckausgleichsproblemen stellten wir fest, dass viele von denen, die keine Anzeichen spezifischer HNO-Krankheiten zeigten bzw. keine chirurgischen Eingriffe zur Korrektur von Nasenproblemen (ohne bedeutende Verbesserungen) hatten vornehmen lassen, über ein "Brennen" im Magen klagten, das mit dem Beginn des Tauchgangs anfing und durch den Druckausgleich zunehmend stärker wurde. 

Also haben wir 2009 begonnen den Zusammenhang zwischen dem Einatmen von Chlorwasserstoffsäure und Druckausgleichsproblemen beim Tauchen zu untersuchen. Und nun können wir dank mehrerer Versuche unsere Frage mit einem "Ja" beantworten.

Die Positionen, die ein Taucher einnimmt (vor allem beim Freitauchen, aber auch beim Gerätetauchen) führen zu einer Ansammlung von Magenmaterial rund um den Schließmuskel und dazu, dass Säure eingeatmet wird. Beides führt zu Entzündungen im Verdauungssystem und zur Blockierung der Eustachi-Röhre.  Während des Abstiegs führt die "Kopf zuerst"-Position zum Aufsteigen von Magensäure in die oberen Atemwege und beeinträchtigt den Druckausgleich im Mittelohr.

Schwierigkeiten, den Druck im Mittelohr kontinuierlich auszugleichen ist heutzutage nach wie vor das am weitesten verbreitete Problem beim Tauchen und sicher auch das hinderlichste. Daher ist es wichtig, die Forschungen in diese Richtung fortzuführen und damit die Sicherheit, aber auch die Freude am Tauchen zu verbessern.

Das Aufsteigen der Magensäure ist bislang nicht als Beeinträchtigung des Druckausgleichs beim Tauchen anerkannt. Daher ist es unser Ziel die Reduzierung des PH in den oberen Atemwegen der Taucher mittels eines Systems, das den PH im Nasenrachenraum während eines Tauchgangs misst, nachzuweisen und ihn dann mit den Messwerten vor dem Tauchgang bei [normaler] aufrechter Position zu vergleichen. 

Wir hoffen, bzw. wir sind uns sicher, dass die Daten, die wir sammeln werden, unsere Theorie bestätigen werden.

Hinweis

*Rhinorrhoe, oder Postnasal-Drip-Syndrom beziehen sich auf große Mengen Flüssigkeit, die aus den Nasenhöhlen oder den Nebenhöhlen fließen.   Die Flüssigkeit sammelt sich beim vorderen nasalen Tropfen in den Nasenlöchern während sie beim hinteren nasalen Tropfen durch die Nasenhöhle wandert und geschluckt oder durch den Mund ausgespuckt wird.

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