Medizinische Notfälle in abgelegenen Regionen

Die Taucher werden immer älter und gleichzeitig entwickelt sich die Medizin weiter. Das bedeutet, dass nun Menschen Abenteuer-Sportarten treiben können, die dies früher nicht konnten und es bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass es in abgelegenen Regionen zu medizinischen Notfällen kommt, nun höher ist. Wenn wir losziehen um wandern, tauchen oder fischen zu gehen oder um die Welt zu erkunden, dann haben wir immer unsere persönliche Krankengeschichte mit im Gepäck. Tauchveranstalter sind sich dessen bewusst. Sie verlangen von den Tauchern, dass sie Fragebögen zu ihren Krankengeschichten ausfüllen und darin ihre bekannten Krankheiten, Leiden, Allergien und Medikamente auflisten. Viele führen dieses Prozedere hauptsächlich durch, um sich selbst abzusichern, sollte es zu Rechtsstreitigkeiten kommen. Sie sind sich aber auch darüber im Klaren, wie wichtig diese Informationen im Notfall sein können. Tatsächlich sind diese Informationen so wichtig, dass Sporttaucher und Outdoor-Freaks darüber nachdenken sollten, sie auch dann untereinander auszutauschen, wenn sie sich auf eigene Faust und ohne eine professionelle Tauch- oder Reisebegleitung ins Abenteuer stürzen. Noch wichtiger ist wahrscheinlich, dass sie darauf vorbereitet sein sollten bei medizinischen Notfällen in der Wildnis oder auf dem Wasser rudimentäre medizinische Untersuchungen und Behandlungen durchzuführen. 

Atemwegsnotfälle

Bei Atemwegsnotfällen muss schnell gehandelt werden. Wenn nicht das Richtige getan wird, dann sterben Menschen, die nicht atmen können innerhalb weniger Minuten. Es gibt verschiedene Ursachen dafür, dass jemand möglicherweise nur schwer oder überhaupt nicht atmen kann: eine Anaphylaxie (eine schwere allergische Reaktion), Asthma, die Blockierung der Atemwege durch einen Fremdkörper oder eine Verletzung der Lungen. Verletzungen der Lungen sind im Feld nicht behandelbar. Wenn Du eine Verletzung der Lunge vermutest, dann gib dem Verletzten Sauerstoff und hole so schnell wie möglich medizinische Hilfe. Wenn der Atemwegsnotfall nach dem Tauchen auftritt, dann solltest Du davon ausgehen, dass es sich um eine Lungenverletzung handelt. Zur korrekten Behandlung einer Blockierung der Atemwege durch einen Fremdkörper sollten die Ersthelfer ihre Ausbildung in Herz-Lungen-Wiederbelebung (CPR) abrufen können.

Personen mit Atemproblemen nehmen oft die "Kutscherhaltung" ein (Hände ruhen auf den Knien) und man hört sie oft keuchen oder schnaufen. Wenn Asthma die Ursache der Atemprobleme ist, wird möglicherweise ein Albuterol- bzw. Salbutamol-Inhalator benötigt.  Personen, die an Asthma leiden sollten die notwendigen Medikamente griffbereit haben. Hilf ihnen bei der Einnahme bzw. Anwendung, wenn sie es alleine nicht schaffen.  Ein Asthmaanfall kann durch Sport, trockene Luft, Kälte, Rauch oder andere Faktoren ausgelöst werden.

Eine Anaphylaxie entsteht, wenn man einem Allergen ausgesetzt ist. Die entsprechende Substanz kann gegessen, eingeatmet, injiziert oder auch einfach berührt worden sein. Wenn möglich, dann entferne das Allergen vom Patienten oder nimm den Patienten aus der schädlichen Umgebung heraus. Wenn jemand mit einer bekannten Allergie nach dem Kontakt mit einem Allergen Atemprobleme bekommt, Epinephrin/Adrenalin verfügbar ist und Du Dich damit auskennst, dann empfiehlt es sich dem Patienten Epinephrin zu verabreichen bzw. den Patienten dabei zu unterstützen das selbst zu tun.  Andere Anzeichen, die darauf hindeuten, dass Epinephrin verabreicht werden sollte, sind z.B. Schwierigkeiten beim Schlucken, Sprechen oder große Schwellungen.  Zusätzlich sollte einer Person, die aufgrund einer Anaphylaxie Atemprobleme hat, auch ein Antihistamin wie z.B. Benadryl (Diphenhydramin hydrochlorid) verabreicht werden.

Die Gabe von Sauerstoff empfiehlt sich bei jedem, der nicht selbständig richtig atmen kann.  Personen, die überhaupt nicht atmen, sollten entweder durch Mund-zu-Mund-Beatmung, einen Beatmungsbeutel mit Ventil oder ein Handbeatmungsgerät beatmet und dann sofort für eine notfallmedizinische Behandlung evakuiert werden.  Die sofortige Evakuierung für eine medizinische Untersuchung empfiehlt sich nach jedem Zwischenfall mit Atemnot, auch wenn diese abgeklungen ist.

Abdominale Notfälle

Magen-Darm-Probleme kommen bei Reisenden häufig vor. Selbst in Gegenden, in denen das Leitungswasser trinkbar ist, können Änderungen bei den eigenen Aktivitäten, dem Tagesablauf und der Ernährung ausreichen um zu Beschwerden oder Durchfall zu führen.  Wichtig ist es hierbei festzustellen, ob die Beschwerden in der Bauchregion medizinisch untersucht werden müssen oder ob es sich nur um Blähungen bzw. um andere nur vorübergehende Beschwerden handelt. Alle Schmerzen, die mit über 39°C Fieber einhergehen oder länger als 12 Stunden andauern, sollten medizinisch untersucht werden, ebenso wie Schmerzen, die genau lokalisiert werden können oder zusammen mit Schwindel, schneller Atmung, Benommenheit, Schwitzen oder Angstzuständen auftreten – das alles können Anzeichen für einen Schock sein. Bei Blut im Urin, im Stuhl oder im Erbrochenen oder wenn sich der Unterleib ungewöhnlich hart bzw. weich anfühlt oder sensibel auf Berührungen reagiert sollte ebenfalls medizinisch Hilfe geholt werden. Eine Frau, bei der eine Schwangerschaft nicht ausgeschlossen werden kann sollte ebenfalls sofort untersucht werden.  Letztendlich sollte jeder, dem übel ist und der sich übergibt oder der länger als 24 Stunden an Durchfall leidet einen Arzt aufsuchen. Denn in solchen Fällen ist es wahrscheinlich, dass man zu sehr dehydriert und dass man die Herausforderungen da draußen nicht mehr bewältigen kann.

Falls keines dieser Alarmsignale auftritt, sollte der Patient beobachtet und dazu ermutigt werden, Schonkost, d.h. Bananen, Reis, Apfelmus und Toast zu essen bis die Symptome verschwunden sind.  Durchfallmittel wie Imodium (Loperamide) können kurzzeitig gegen Durchfall helfen, bekämpfen aber nicht die Ursache des Leidens und sollten auch nicht über längere Zeit eingenommen werden. Wer an Verstopfung leidet, kann sich mit Koffein bzw. durch das abwechselnde Trinken von heißen und kalten Flüssigkeiten (z.B. Eiswasser in der einen und eine Tasse Kaffee in der anderen Hand) Abhilfe schaffen.

Neurologische Notfälle

Viele Faktoren können zu neurologischen Einschränkungen führen: extreme Temperaturen, Dekompressionskrankheiten, Kopfverletzungen, Vergiftungen, etc.  Wenn es jedoch ohne das Auftreten eines dieser Faktoren zu Verwirrung, Orientierungsverlust, Krämpfen oder Persönlichkeitsveränderungen kommt, dann ist möglicherweise ein tieferliegendes medizinisches Problem schuld.

Ein Gehirnschlag bzw. ein Schlaganfall hat zur Folge, dass der Fluss des oxygenierten Blutes zu einem Teil des Gehirns unterbrochen ist. Das Herabhängen eines Teil des Gesichts, die Schwäche oder Lähmung einer Körperseite oder eine Sprach-, Erinnerungs- oder Wahrnehmungsstörung können hierfür Anzeichen sein. An einem sehr abgelegenen Ort kann man nur wenig für einen Patienten mit einem Schlaganfall tun. Es empfiehlt sich jedoch die Verabreichung von Sauerstoff und eine schnelle Evakuierung. Außerdem sollte der Patient auf die beeinträchtigte Seite gelegt werden (so werden die Atemwege geschützt). Sprich mit dem Patienten weiter genauso wie vor dem Schlaganfall, auch wenn er an der Unterhaltung nicht teilnehmen kann oder er Dich scheinbar nicht versteht.

Krampfanfälle sind die Folge desorganisierter elektrischer Aktivitäten im Gehirn.  Bei einem Krampfanfall kann es sein, dass der Patient für eine Weile nicht reagiert oder aber es kommt zu dramatischer und unkontrollierter körperlicher Aktivität. Das Beste, was ein Ersthelfer für jemanden tun kann, der einen Krampfanfall erleidet, ist das Auspolstern der Umgebung.  Halte die Person nicht fest und stecke nichts in ihren Mund, sondern schütze sie (und vor allem den Kopf) vor harten bzw. spitzen Objekten. Nach dem Krampfanfall solltest Du die Würde des Patienten schützen, indem Du für Privatsphäre sorgst und jemanden darum bittest Neugierige fern zu halten.

Jemand, der ohnmächtig ist kann Dir wenig nützliche Informationen geben. Du könntest aber Hinweise in der Umgebung oder in seinen/ihren Taschen finden. Gerüche, aber auch Notfallanhänger, -armbänder oder -ketten können den Helfern ebenfalls dabei helfen herauszufinden warum jemand ohnmächtig ist. Da eine ernsthafte Verletzung (des Kopfes oder der Wirbelsäule beispielsweise) nicht unbedingt ausgeschlossen werden kann, darfst Du eine/n Bewusstlose/n niemals bewegen, es sei denn die Atemwege sind blockiert oder Du hast gelernt, wie man so etwas richtig macht. Organisiere für Bewusstlose bzw. für alle Personen, die Symptome zeigen, die auf einen Schlaganfall oder einen Krampf hindeuten könnten, eine Evakuierung.

Kardiovaskuläre Notfälle

Wenn in einem Umfeld, in dem ein Notarzt nicht umgehend zur Verfügung stehen kann, Brustschmerzen auftreten, dann muss sofort entschieden gehandelt werden. Insbesondere wenn sie mit anderen Symptomen wie Schwitzen, kalter oder blasser Haut, Kurzatmigkeit, Schwindel oder Angstzuständen auftreten, können Brustschmerzen Anzeichen einer Angina oder eines Myokardinfarktes (eines Herzinfarktes) sein. Angina ist der Schmerz, der entsteht, wenn der Blutfluss zum Herzen gestört ist. Abhilfe schaffen kann man normalerweise durch Ruhe oder Medikamente. Bei einem Myokardinfarkt stirbt das Herzgewebe aufgrund einer schwerwiegenden Unterbrechung der Blutzufuhr. Den Brustschmerzen, die sich anfühlen als würde das Herz zerdrückt oder zerquetscht, gehen für gewöhnlich Überanstrengung und Stress voraus. Manchmal werden die Brustschmerzen von Schmerzen begleitet, die in den Kiefer, den Arm oder den Unterleib ausstrahlen. Der Schmerz kann sogar übertragen werden – und in anderen Körperteilen wie z.B. im Rücken gefühlt werden. Im Zweifelsfall sollte bei allen Schmerzen im Oberkörper davon ausgegangen werden, dass es sich um Schmerzen am Herzen handelt.

Der erste Schritt bei der Behandlung von Brustschmerzen ist es, den Patienten dazu aufzufordern sich auszuruhen. Hilf ihm sich im Schatten zu entspannen, tief zu atmen und seinen Kragen oder andere einengende Kleidungsstücke zu lockern. Er sollte eine Position wählen, die für ihn am bequemsten ist. Die Verabreichung von "Baby-Aspirin" (81 mg) ist eine gute Idee solange der Patient nicht dagegen allergisch ist. Sauerstoff sollte ebenso gegeben werden wie jegliche Medikamente, die der Patient für bereits bekannte Herzleiden einnimmt (z.B. Nitroglyzerin). Die Medikamente sollten entsprechend der Anweisungen des behandelnden Arztes genommen werden. Selbst wenn die Brustschmerzen vorübergehen, empfiehlt sich eine umgehende ärztliche Behandlung.

Eine Herausforderung bei der Behandlung medizinischer Probleme ist es, dass man als Ersthelfer mit eingeschränkten Mitteln den Eindruck hat, nicht viel tun zu können. Man sollte jedoch nicht unterschätzen, wie wichtig der gute Menschenverstand, eine konservative Herangehensweise, emotionale Unterstützung, ein wohlüberlegter Notfallplan sowie die Fähigkeit eine schnelle Evakuierung zu organisieren und auszuführen sein können.

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