Die Untersuchung der grundlegenden Vitalzeichen

Die Untersuchung der Vitalzeichen spielt bei guter Erster Hilfe eine herausragende Rolle. Sie besteht aus einer Reihe einfacher Messungen, die Daten zu den Körperfunktionen liefern. Mit Hilfe der Messungen kann festgestellt werden, wie krank oder verletzt ein Patient ist. Und wenn über einen gewissen Zeitraum hinweg Messwerte gesammelt werden, dann lässt sich erkennen, ob sich der Zustand des Patienten verbessert oder verschlechtert. Während die vollständige Bedeutung der Messergebnisse dem Laien-Ersthelfer vielleicht nicht deutlich wird, kann eine sorgfältig Aufzeichnung einer Reihe von Vitalwerten für das medizinische Fachpersonal, das letztendlich die Behandlung einer verletzten Person übernimmt, äußerst hilfreich sein.

Vitalwerte können sogar Ersthelfern mit sehr geringer medizinischer Ausbildung weiterhelfen. Mehrere Sätze von Vitalwerte, die außerhalb der normalen Parameter liegen deuten typischerweise darauf hin, dass eine Behandlung oder möglicherweise eine Evakuierung für eine höher stufigere Behandlung notwendig ist. Hier ein Beispiel: Angstgefühle, eine erhöhte Herzfrequenz, eine erhöhte Atemfrequenz und blasse, kühle, feuchtkalte Haut können auf einen Schock, d.h. ein möglicherweise lebensbedrohliches Krankheitsbild, hindeuten. Ein Schock ist relativ einfach behandeln, aber er kann auch unentdeckt bleiben, wenn die Vitalzeichen nicht kontrolliert werden. Vitalwerte, die sich mit der Zeit immer weiter von ihrem normalen Niveau wegbewegen, können auf eine noch dringender notwendige Evakuierung hindeuten.

Zeit
Zur Organisation und Nachverfolgung Deiner Messungen ist es sehr wichtig, zusammen mit jedem Satz Vitalwerte die Tageszeit zu notieren. Dies erlaubt es Dir (oder einem Helfer nach Dir) die Vitalwertsätze zu vergleichen und Entwicklungen beim Zustand des Patienten zu beobachten. Die Häufigkeit, mit der die Vitalwerte gemessen werden ist vom Zustand des Patienten abhängig. Bei ernsthaft verletzten oder erkrankten Patienten sollten die Vitalzeichen alle paar Minuten kontrolliert werden. Bei stabilen Patienten wiederum sind stündliche Kontrollen vertretbar.

Grad der Reaktionsfähigkeit / Bewusstseinszustand
Der Bewusstseinszustand eines Verletzten bzw. der Grad seiner Reaktionsfähigkeit, ist das wahrscheinlich wichtigste Vitalzeichen. Da das Gehirn bei der Ressourcenverteilung des Körpers erste Priorität hat, ist es besonders wichtig, dass man bemerkt, wenn seine Funktionsfähigkeit nachlässt. Zur Bewertung des Bewusstseinszustandes eines Patienten musst Du ihn ansprechen. Wenn die Person in der Lage ist zu antworten, dann stell ihr die folgenden Fragen:

  • Wie heißt Du?
  • Wo sind wir?
  • Wie viel Uhr ist es (ungefähr)?
  • Was ist passiert?

Die Antworten auf diese vier Fragen erlauben es Dir die Orientierung eines Patienten bezüglich Person, Ort, Zeit und Geschehen einzuschätzen. Wenn der Patient alle vier Fragen richtig beantwortet, dann wird er als „wach und bezüglich Person, Ort, Zeit und Geschehen orientiert“, d.h. im englischen als A+Ox4 (d.h. „Alert and Oriented to person, place, time and event“) eingestuft. Zusätzlich zur Quantifizierung des Bewusstseinszustandes des Patienten ist es auch hilfreich etwas Qualifizierendes, d.h. Beschreibendes zu notieren. Hilfreiche Beschreibungen sind u.a. „gereizt“, „ängstlich“ oder „streitlustig“. Wörter wie diese helfen Dir, die Beschreibung des Bewusstseinszustandes Deines Patienten zu vervollständigen.

Wenn ein Verletzter wach ist und Dir antworten, aber keine Deiner Fragen beantworten kann, dann ist die Person wach aber desorientiert.

Ein Schema, das häufig zur Beschreibung des Bewusstseinszustandes eines Patienten verwendet wird, ist die AVPU-Skala. AVPU ist ein Akronym und steht für alert, verbal, painful und unresponsive. Der Abschnitt oben beschreibt Patienten, die auf dieser Skala bei A eingestuft sind. Manchmal sind kranke oder verletzte Patienten jedoch nicht wach. Wenn die Person bei Deinem Versuch, sie in ein Gespräch zu verwickeln, nicht reagiert, dann sprich lauter. Frage mit lauter Stimme, ob alles in Ordnung ist.

Wenn sie auf die höhere Lautstärke reagiert, dann kannst Du notieren, dass sie auf Ansprache reagiert bzw. sie kann mit V auf der AVPU-Skala eingestuft werden. Die Person muss nicht sprechen, um als V eingestuft zu werden. Sie kann auch eine Grimasse schneiden oder die Augen öffnen, jede Art von Reaktion gilt als ein V. Wenn die Person nicht auf Deine Ansprache reagiert, dann solltest Du ihre Reaktion auf Schmerzen prüfen. Wichtig ist, keinen Schaden anzurichten und nur eine Reaktion zu provozieren. Hierfür eignet sich ein Zwicken in den Trizeps des Patienten, direkt über dem Ellenbogen. Wenn dies beim Patienten eine Reaktion, d.h. beispielsweise eine Bewegung oder ein Stöhnen auslöst, dann ist er ein P auf der AVPU-Skala. Und sollte der Patient weder auf verbale noch schmerzauslösende Stimulation reagieren, dann ist er als nicht ansprechbar, d.h. mit einem U auf der AVPU-Skala einzustufen.

Puls
Damit das Körpergewebe ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt wird, muss das Herz kräftig schlagen. Bei einem Bewusstlosen (V, P oder U auf der AVPU-Skala), kannst Du an der Halsschlagader den Puls kontrollieren. Lege vorsichtig zwei Finger auf die Luftröhre des Patienten und bewege sie zur Seite. Führe Deine Finger nicht über die Luftröhre hinweg (benutze die Seite, die dir zugewandt ist) und versuche nicht beide Seiten des Halses gleichzeitig zu kontrollieren.

Den Puls fühlst Du an der Halsschlagader direkt neben der Luftröhre. Bei einem wachen Patienten (A auf der AVPU-Skala) ist es am besten, den Puls am Handgelenk zu finden. Das greift weniger in die Privatsphäre des Patienten ein.

Um den Puls am Handgelenk zu finden, lege zwei Finger auf das untere Ende des Daumens des Patienten, dorthin wo der Daumen auf das Handgelenk trifft. Der Puls befindet sich höchstwahrscheinlich zwischen dieser Stelle und den am weitesten hervorstehenden Sehnen des Handgelenks.

Wenn Du Probleme hast die Herzfrequenz festzustellen, dann drückst Du vielleicht zu stark oder nicht stark genug. Wenn Du den Puls gefunden hast, dann zähle wie viele Schläge er in 15 Sekunden macht. Multipliziere diese Zahl mit vier und Du erhältst die Herzfrequenz des Patienten pro Minute.

Zusätzlich zur Frequenz ist es wichtig den Rhythmus und die Qualität des Pulses zu dokumentieren. Der Rhythmus ist entweder regelmäßig oder unregelmäßig und die Qualität beschreibt man für gewöhnlich mit „stark“ oder „schwach“. Bei den meisten gesunden Erwachsenen liegt der Ruhepuls zwischen 60 und 100 pro Minute, ist regelmäßig und stark. Bei körperlicher Anstrengung und in Stresssituationen kommt es zu einem natürlichen Anstieg der Herzfrequenz. Das Herz schlägt schneller um sicherzustellen, dass die Gewebe ausreichend mit Sauerstoff versorgt sind und der Körper in Notsituationen schnell reagieren kann. Der Puls kann direkt nach einem Notfall erhöht sein, er sollte sich bei Personen, die nicht ernsthaft verletzt sind jedoch stabilisieren.

(Hinweis: Die Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC) legen fest, dass Laien-Ersthelfer bei der Untersuchung eines Bewusstlosen nicht dessen Puls sondern seine Atmung kontrollieren müssen. Wenn keine normale Atmung vorliegt, dann sollten Laien-Ersthelfer mit einer HLW beginnen und einen AED benutzen.)

Atmung
Da der Körper nur ein paar Minuten ohne Sauerstoff überleben kann, ist es wichtig die Funktionsfähigkeit der Atemwege zu kontrollieren. Wenn eine Person merkt, dass Du versucht ihre Atmung zu zählen, dann wird sie ihre Atemfrequenz vermutlich ändern und Deine Messung wird verzerrt. Um dies zu vermeiden, machst Du nach der Pulskontrolle einfach übergangslos mit dem Zählen der Atmung weiter. Wenn Du die Herzfrequenz gezählt hast, konzentriere Dich auf die Atmung. Lass Deine Finger auf dem Handgelenk, aber beobachte das Heben und Senken der Brust. Wenn Du beim Beobachten der Brust keine Atemzüge feststellen kannst, kann es hilfreich sein den Bauch oder die Schultern zu beobachten. Falten in der Kleidung des Patienten können Dir auch bei der Beobachtung der Atmung helfen.

Da Atemzüge weniger häufig sind als Herzschläge, zählst Du die Atemzüge 30 Sekunden lang und verdoppelst die Zahl dann für das richtige Ergebnis. Genauso wie beim Puls ist auch bei der Atmung die Messung von Rhythmus und Qualität wichtig. Der Rhythmus ist entweder regelmäßig oder unregelmäßig. Zur Beschreibung der Atmungsqualität verwendet man Wörter wie „mühelos“, „nach Luft ringend“, „keuchend“ oder „schwerfällig“. Ein Erwachsener atmet typischerweise regelmäßig und mühelos zwischen 12 und 18mal pro Minute.

Haut
Die Haut ist das größte Organ des Körpers und kann hervorragend Auskunft darüber geben, ob er richtig arbeitet. Wenn die Haut blass, kühl und feucht ist, ist das ein Anzeichen dafür, dass die Ressourcen des Körpers (d.h. das Blut) zu lebenswichtigeren Organen weggeleitet werden. Wenn Du die Haut untersuchst, solltest Du Dir drei verschiedene Eigenschaften anschauen: die Farbe, die Temperatur und die Feuchtigkeit.

Die Hautfarbe unterscheidet sich natürlich je nach Person erheblich, aber es gibt pigmentlose Stellen am Körper, an denen jeder Mensch rosafarben ist. Die Stelle, die am einfachsten zugänglich ist, ist die Innenseite der Unterlippe. Schau sie Dir an und stelle fest, ob sie tatsächlich rosafarben ist oder ob sie eine andere Farbe hat. Sie kann blass sein, wenn der Person kalt ist, blau, wenn sie an Sauerstoffmangel leidet, rot, wenn ihr heiß ist oder sogar gelb, wenn sie eine Krankheit hat. Die Temperatur und Feuchtigkeit der Haut misst man am besten am Bauch. Beides ist dort meist eher stimmig als an den Händen oder im Gesicht. Der Bauch sollte warm und trocken sein. Wenn er also kühl, kalt, heiß oder feucht ist, dann ist es besonders wichtig das zu dokumentieren.

Der Grad der Reaktionsfähigkeit, Puls, Atmung und die Beschaffenheit der Haut sind bei weitem nicht die einzigen Vitalzeichen, aber wichtig und relativ einfach zu kontrollieren. Die einzige Ausrüstung, die man benötigt um sie zu messen sind Uhr, Stift und Papier. Weitere Vitalzeichen sind Blutdruck, Lungengeräusche, Pupillen und Körpertemperatur. Auch wenn Deine Möglichkeiten einem verletzten Buddy an einem sehr abgelegenen Tauchspot zu helfen vielleicht aufgrund Deiner Ausbildung, Erfahrung oder Ausrüstung eingeschränkt sind – die grundlegenden Vitalzeichen kann so ziemlich jeder untersuchen.



DAN First Aid Training

In diesen DAN-Kursen wird die Messung der Vitalzeichen unterrichtet und darüberhinaus lernen die Schüler auch wie man in verschiedenen Szenarien die jeweils notwendige Behandlung durchführt. 

On-Site Neurological Assessment for Divers In diesem Kurs werden die grundlegenden Schritte zur Dokumentation von Puls und Atemfrequenz unterrichtet. Abnorme Ergebnisse können darauf hindeuten, dass sich der Körper in einer Notlage befindet und eine sofortige Sauerstoffgabe Abhilfe schaffen könnte.

Basic Life SupportFirst Aid Der Kurs, auch BLS-Kurs genannt, deckt Fertigkeiten zur Kontrolle der Atemwege wie das Logroll-Manöver und die stabile Seitenlage, HLW durch einen Ersthelfer und weitere Fertigkeiten wie die Behandlung eines erstickenden Patienten, die Kontrolle von Blutungen und den Umgang mit einem Patienten im Schockzustand ab. Der First Aid-Teil dieses Programms enthält Schlüsselfertigkeiten wie die Feststellung von Krankheiten und Verletzungen, das Verbinden und Schienen sowie die Bewegung von Patienten in Notfällen.

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