Tabak und Asthma
Asthma löst bei der Frage nach der Tauchtauglichkeit Bedenken aus, denn aufgrund der asthmabedingten Reaktivität der Luftwege und der Blockierung der kleinen Luftwege kann es während des Tauchens zum Lungenbarotrauma oder zum Ertrinken kommen. Ein Preparticipation Screening, d.h. eine sportmedizinische Untersuchung, geht speziell auf Asthma ein. Wenn ein Taucher von Anzeichen oder Symptomen berichtet, dann empfiehlt sich eine ärztliche Untersuchung. Leitlinien für diese medizinischen Untersuchungen gibt es bei den tauchmedizinischen Verbänden.
Auf der anderen Seite wird das Rauchen von Tabak, eine der Hauptursachen für chronische Lungenerkrankungen, im Untersuchungsfragebogen des Recreational Scuba Training Council (RSTC) weniger streng angesprochen und es gibt auch keine speziellen Leitlinien. Kürzlich wurden wir gefragt, wie sich die Atemfunktionen von Asthmatikern mit den Atemfunktionen von Rauchern vergleichen lassen und welchen Einfluss dieser Unterschied auf die Tauchtauglichkeitsuntersuchung hat.
Obstruktive Lungenerkrankung
Sowohl Asthma als auch Rauchen sind mit einer Verengung und Entzündung der kleinen Atemwege verbunden und das führt zu einem reduzierten Atemfluss durch die Lungen. Der eingeschränkte Atemfluss tritt bei Asthma jedoch unregelmäßig auf und ist reversibel, wobei sich der Atemfluss bei chronischem Rauchen zunehmend und unwiderruflich verschlechtert, was normalerweise erst deutlich wird, wenn der Patient älter ist. Mit zunehmendem Alter entwickeln rund 20 Prozent der Raucher und 23 Prozent der Asthmatiker eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COLD) mit dauernder Obstruktion des Atemflusses.
Asthma tritt häufig in jungen Jahren auf und zeigt sich durch wiederkehrende Episoden mit einer stärkeren Verengung der Atemwege, die mal mehr und mal weniger häufig und mal mehr und mal weniger intensiv sein kann. Im Erwachsenenalter nimmt die Anzahl der Asthmaanfälle ab. Zu Asthma, das erst im Erwachsenenalter auftritt, kommt es bei Patienten, die 20 Jahre oder älter sind. Dieser Typ Asthma wird häufig von Allergien ausgelöst. Ein Asthmaanfall kann durch Sport, Kälte und trockene Luft oder durch das Einatmen von hypertonischem Aerosol (normale Kochsalzlösung, die bei der Diagnose zur Provokation einer Reaktion verwendet wird) ausgelöst werden. Die Atemwege werden durch Entzündungen, die Überproduktion von Schleim und die Kontraktion der Muskeln um sie herum beeinflusst. Der Atemfluss kann sich in leichten Fällen um zwischen 10 bis 20 Prozent und in schweren Fällen um bis zu 40 Prozent reduzieren. In manchen Fällen machen die Atemfunktionen einen normalen Eindruck, Provokationstests führen jedoch zu Hyperreaktivität und einer Verringerung des Atemflusses. Die Verengung der Atemwege kann durch Medikamente wie Entzündungshemmer und Bronchodilatoren rückgängig gemacht werden. Entzündungshemmende Medikamente wie z.B. Steroide zum Einatmen reduzieren die Schwellungen und den in den Atemwegen produzierten Schleim. Das führt zur Abschwächung der Symptome, verbessert den Atemfluss und reduziert die Sensibilität auf provozierende Faktoren (Kälte, trockene Luft, etc.). Asthmaanfälle können mit Bronchodilatoren gestoppt werden – mit kurzfristig wirkenden Beta-Agonisten, die die bronchialen Muskeln entspannen und die Atemwege zu Erleichterung des Atemflusses öffnen. Asthma, das durch sportliche Betätigung ausgelöst wird, kann man durch lang wirksame Beta-Antagonisten vermeiden. Patienten, die ihr Asthma gut unter Kontrolle haben, können ein normales Leben mit Sport führen. Es ist unwahrscheinlicher, dass sie während des Tauchens einen Asthmaanfall erleiden.
Das Tabakrauchen beeinträchtigt das Atmen sowohl auf Dauer als auch unmittelbar. Zu den akuten Auswirkungen des Rauchens gehören erhöhte Kohlenmonoxid- und reduzierte Sauerstoffwerte im Blut sowie die Lähmung der Cilien in den Luftwegen, was den Abtransport von Schleim behindert. Schleim kann das Ende der Atemwege blockieren und während des Aufstiegs nach einem Tauchgang zur Überdehnung von Lungenbläschen führen, wodurch der Taucher der Gefahr einer arteriellen Gasembolie (AGE) ausgesetzt ist. Bei Rauchern ebenso wie bei Asthmatiker kann eine (durch einen Metacholintest festgestellte) Hyperreaktivität der Atemwege bereits in jungen Jahren auftreten. Bei Teenagern, die erst seit Kurzem rauchen, wurde eine Dosis-Wirkungsbeziehung zwischen dem Rauchen und reduzierten Atemfluss-Messwerten (FEV1/FVC und FEF 25-75) festgestellt. Jungen, die 15 oder mehr Zigaretten täglich rauchten, hatten eine durchschnittliche Atemflussreduktion mit einem um 4,0 Prozent, teilweise sogar um bis zu 7 Prozent reduzierten Luftvolumen in den Lungen (FEF 25-75). Das Rauchen einer Schachtel Zigaretten am Tag über ein ganzes Jahr hinweg (Schachteljahr) führte bei Männern zu einem jährlichen FEV1-Verlust von 0,36 Prozent und bei Frauen zu einem Verlust von 0,29 Prozent. Bei Rauchern in einem Alter zwischen 30 und 40 Jahren können klinische und pathologische Ausprägungen auftreten, die einer COLD im frühen Stadium ähneln. Allerdings werden nur Taucher, die älter als 45 Jahre alt sind, aufgefordert sich ärztlich untersuchen zu lassen, wenn sie denn ihre Gewohnheit auf dem RSTC-Formular angeben.
Bei der Untersuchung der Tauchtauglichkeit sollte man immer berücksichtigen, dass Asthma eine Erkrankung ist, mit der die Betroffenen leben müssen. Daher sollten sie nicht unnötigerweise vom Gerätetauchen ausgeschlossen werden, wenn sie gerne tauchen möchten und die Risiken verhältnismäßig gering sind. Andererseits ist das Rauchen eine persönliche Entscheidung. Tauchern wird davon abgeraten, aber manche rauchen trotzdem. Wie gefährlich ist das und was kann man, wenn nötig, tun?
Gibt es Beweise dafür, dass Asthma oder das Rauchen von Tabak die Rate der Verletzungen (wie z.B. Barotraumata und AGE) beim Tauchen erhöht?
Claus-Martin Muth: Auch wenn man eigentlich davon ausgehen kann, dass das Rauchen das Risiko von Dekompressionsverletzungen beim Tauchen erhöht, so gibt es doch keine klaren Beweise hierfür. Wissenschaftler des Duke University Medical Center konnten zeigen, dass Rauchen bei einer Dekompressionsverletzung ein Risikofaktor hinsichtlich der Schwere der Symptome ist.
Hinzu kommt, dass wir die Auswirkungen des Rauchens von Tabak auf das Herz-Kreislaufsystem nicht vergessen dürfen und vor allen Dingen nicht die Gefäßverengungen, die die kardiovaskuläre Gewebeperfusion reduzieren. Es wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass dies einen Einfluss auf die Stickstoffeliminierungsrate nach dem Tauchen hat. Das wiederum erhöht die Gefahr einer Dekompressionsverletzung. Es ist also gerechtfertigt von der Kombination Rauchen und Tauchen abzuraten.
Beim Thema Asthma lautet die Antwort „Es kommt darauf an“. Jeder Asthmafall ist anders und die Frage nach der Tauchtauglichkeit von Asthmatikern bedarf einer gründlichen Untersuchung und einer ganz individuellen Entscheidung. Taucher mit Asthma sollten darin geschult werden, wie sie sich zu verhalten haben und wie sie vor geplanten Tauchgängen zur Überprüfung des Atemflusses ein Peak-Flow-Meter verwenden.
Tom Neuman: Auch wenn die Hypothese verführerisch ist, dass Asthma das AGE-Risiko bei Sportgerätetauchern erhöht, gibt es jedoch keine verlässlichen Beweise dafür, dass gut kontrollierte und richtige behandelte Asthmatiker einer höheres AGE-Risiko haben. Die umfangreichste Veröffentlichung zu diesem Thema, „Sind Asthmatiker tauchtauglich?”, stammt von einem Workshop der Undersea and Hyperbaric Medical Society. Bei diesem Workshop kam man zu dem Ergebnis, dass Asthmatiker, die beim Lungenfunktionstest normale Resultate aufwiesen (egal, ob sie Medikamente einnahmen oder nicht), Tauchkandidaten sind. Das Rauchen von Tabak birgt die theoretische Gefahr, dass eine Verletzung der Atemwege (sowohl eine reversible als auch eine irreversible Atemwegsobstruktion) eine Ausflussobstruktion auslösen könnte, die sogar bei einem normalen Aufstieg für die Entstehung einer Luftembolie ausreichen könnte. Momentan ist nicht erwiesen, dass Raucher mit normalen Atemwegsfunktionen im Vergleich zu Nichtrauchern ein erhöhtes Risiko für Luftembolien haben.
Gibt es bei den Wirkungen von Asthma und Tabak auf die Atemwege irgendwelche Unterschiede hinsichtlich der Auswirkungen der jeweiligen Erkrankungen auf das Atmungssystem und der möglichen Gefahren, die sich daraus vielleicht ergeben?
Muth: Die Hauptpunkte wurden bereits in der Einleitung zu diesem Artikel genannt. Zu der Entzündung, die auftritt, kommt bei Rauchern auch noch die Beeinträchtigung der Reinigungsmechanismus der Atemwege. Der dicke Bronchialschleim kann zur Bildung eines Air trapping-Mechanismus in Form einer Teilobstruktion mit einer ventilähnlichen Funktion führen, der zulässt, dass Luft in das betroffene Segment ein- aber nicht mehr austreten kann. Bei Asthmatikern ist das Problem genereller Natur: wenn der Atemtrakt auf eine bestimmte Stimulation wie (beim Tauchen übliche) trockene oder kalte Luft reagiert, kann es in der gesamten Lunge zu Air trapping kommen.
Neuman: Charakteristisch ist für Asthma meist eine Teilobstruktion der Atemwege aufgrund einer mechanischen Verengung, erhöhter Schleimproduktion und aufgrund von Ödemen. Dabei handelt es sich um einen Prozess, der für gewöhnlich vollständig reversibel ist und der mit der richtigen Behandlung vermieden werden kann. Die Schäden, die durch das Einatmen von Tabakrauch entstehen haben andererseits sowohl reversible als auch irreversible Komponenten. Wenn also einmal aufgrund des Tabakgenusses ein struktureller Schaden an den Atemwegen entstanden ist, dann sind die Auswirkungen auf die Lunge meist nicht mehr vollständig reversibel. Beim Betroffenen bleibt ein dauerhafter obstruktiver Schaden zurück, dessen Ergebnis ein erhöhtes AGE-Risiko sein kann. Nichtsdestotrotz stehen gute Studien, die dieses theoretische Risiko klar und eindeutig bestätigen, noch aus.
Ist die sportmedizinische Untersuchung von Tauchern was das Rauchen angeht angemessen oder muss hier etwas geändert bzw. auf den neuesten Stand gebracht werden?
Muth: Obwohl es überzeugende Beweise dafür gibt, dass das Rauchen einen Einfluss hat, ist die Anzahl der Tauchunfälle und sogar die der Todesfälle recht niedrig, während die Anzahl der rauchenden Taucher doch recht hoch ist. Ich denke, es macht mehr Sinn Artikel wie diesen zu veröffentlichen und den Tauchern zu sagen, dass die Kombination aus Rauchen und Tauchen wirklich keine gute Idee ist. Raucher, die tauchen, sollten direkt vor und nach dem Tauchen auf das Rauchen verzichten. Andererseits sollten Lungenfunktionstests Teil einer jeden Tauchtauglichkeitsuntersuchung sein. Wenn die Lungenfunktion beeinträchtigt ist, dann sollte man, je nachdem wie groß die Beeinträchtigung ist, vom Tauchen abraten. Es gibt sehr überzeugende Beweise dafür, dass das Rauchen mit der Zeit die Lungenfunktion beeinträchtigt und Taucher müssen dann vielleicht in einem jüngeren Alter mit dem Tauchen aufhören als sie vielleicht möchten.
Neuman: Die Frage nach einer angemessenen sportmedizinischen Untersuchung für Asthmatiker ist eindeutig. Bei dem angehenden Taucher mit Asthma sollte vor und nach dem Sport eine normale Spirometrie, d.h. eine Lungenfunktionsprüfung durchgeführt werden. Weitere Untersuchungen sind nicht notwendig. Für Langzeitraucher, die sehr viel geraucht haben, empfiehlt sich diese Strategie wahrscheinlich auch. Bei einem Gelegenheitsraucher, der keine Symptome zeigt und dessen Tauchtauglichkeitstest normal verläuft, ist ein Lungenfunktionstest nicht gerechtfertigt. Wenn man die Zahlen betrachtet, dann ist eine bislang nicht diagnostizierte koronare Arterienkrankheit das größte medizinische Risiko für Taucher im mittleren Alter. Jeder, der an Tauchaktivitäten teilnehmen möchte, sollte sich klinisch auf die Risikofaktoren einer koronaren Arterienerkrankung unterziehen lassen. Wenn klinisch relevante Risikofaktoren für eine koronare Arterienerkrankung vorliegen, sollte eine gründlichere Untersuchung zur Feststellung bzw. zum Ausschluss einer okkulten koronaren Arterienerkrankung in Erwägung gezogen werden.
Akronyme
FVC — Forced Vital Capacity, d.h. Forcierte Vitalkapazität: das Luftvolumen, das nach maximaler Einatmung mit maximaler Geschwindigkeit aus den Lungen ausgeatmet werden kann.
FEV1 — Forced Expiratory Volume in first second, d.h. Forciertes exspiratorisches Volumen: das Luftvolumen, das innerhalb der ersten Sekunde bei maximal beschleunigter Ausatmung aus vollen Lungen ausgeatmet wird.
FEV1/FVC — Das Verhältnis von FEV1 zu FVC; normalerweise liegt es über 0,8.
FEF 25-75 — Forced Expiratory Flow, d.h. Forcierter exspiratorischer Fluss, der auftritt, wenn das Luftvolumen in der Lunge bei 25 bis 75 Prozent des FVC liegt.
Unsere Experten
PD Dr. Claus-Martin Muth ist Professor für Anästhesiologie und Sektionsleiter der Notfallmedizin der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Ulm (Deutschland).
Dr. Tom Neuman, M.D., ist Mitherausgeber der 5. Ausgabe von Bennett and Elliott’s Physiology and Medicine of Diving und war Chefredakteur des Journal of Undersea and Hyperbaric Medicine.