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Medizinische Beiträge

Unter Drogeneinfluss tauchen

Dr. Marshall diskutiert die Symptome und Konsequenzen des Tauchens unter Alkoholeinfluss bzw. unter Einfluss von Drogen der Klassen A und B.

Sporttauchen macht Spaß und so soll es auch sein.  Es besteht jedoch ein schmaler Grat zwischen „Spaßhaben“ und Hedonismus. Ohne ein grundlegendes Verantwortungsbewusstsein und ein Bewusstsein für Gefahren kann das Tauchen schnell einer Kultur der Vergnügungssucht und Zügellosigkeit verfallen.

Wie beim Autofahren braucht man auch beim Tauchen jederzeit einen klaren Kopf und technische Leistungsfähigkeit.  Aus demselben Grund ist das Tauchen unter Alkoholeinfluss bzw. unter dem Einfluss anderer berauschender Substanzen  ausgesprochen unklug – sowohl für den Taucher selbst als auch für seine Tauchbuddys. Nach der fröhlichen Sommersaison folgt hier der Reality-Check zum Thema Tauchen unter dem Einfluss von Alkohol und anderen berauschenden Substanzen.

 

ALKOHOL                                    

Jeder weiß, dass Alkohol die Fähigkeit zur Durchführung verschiedener geistiger Aufgaben einschränkt.  Die Reaktionszeit, die Fähigkeit, Dinge mit den Augen zu verfolgen, die Konzentrationsfähigkeit, die Fähigkeit zum Multitasking, das Urteilsvermögen und die Psychomotorik sind alle in Folge von Alkoholkonsum eingeschränkt.

Man würde nicht erwarten, dass irgendein ausgebildeter Taucher absichtlich Tauchen gehen würde, solange er betrunken ist. Das Tauchen am Morgen nach einem alkoholhaltigen Abend kann jedoch bedeuten, dass der Taucher dabei immer noch unter dem Einfluss eines  nennenswerten Blutalkoholgehaltes (BAC) ist.  Die Leber hat nur eine begrenzte und vom Individuum abhängige Kapazität Alkohol zu verstoffwechseln.  Auch wenn der Taucher also nicht glaubt, immer noch beeinträchtigt zu sein, kann die Realität doch anders aussehen.

Eine Studie mit Sporttauchern, die Tauchgänge mit Flachwassereinstieg durchführten, kam zu dem Ergebnis, dass die Leistungen beim Tauchen bei einem BAC von über 0,04% [1] erheblich stärker beeinträchtigt waren. Die Beeinträchtigungen wurden auf Video festgehalten und durch „trockene“ Standardalkoholtests bestätigt.  Es überrascht nicht,  wenn man bedenkt, dass die kognitive Beeinträchtigung, einschließlich der mit der Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit in Zusammenhang stehenden Funktionen, bei einem BAC von 0,02% und mehr verlässlich gemessen werden kann [2]. Besorgniserregender ist jedoch , dass die Taucher in dieser Studie sich nicht bewusst waren, dass ihre Leistungsfähigkeit eingeschränkt bzw. dass ihre Verletzungsgefahr beim Tauchen unter Alkoholeinfluss größer war.

Eine Analyse von 150 Studien zu den Auswirkungen von Alkohol auf die kognitive Leistungsfähigkeit brachte einige Erkenntnisse, die direkt für Gerätetaucher relevant sind [3].

Dazu gehören:

  • Die Aufnahme von nur  geringen Mengen Alkohol beeinträchtigt bereits die Leistungsfähigkeit –  die Wirkungen sind bereits nach nur einem alkoholischen Getränk festzustellen.
  • Die Eliminierung des Alkohols aus dem Blut mit einer vorhersehbaren Rate von rund 0,015% pro Stunde lässt sich nicht unbedingt mit einer zeitgleichen Verbesserung der kognitiven Leistungsfähigkeit gleichsetzen.
  • Die Verlängerung der Reaktionszeiten und die Verschlechterung der Koordinationsfähigkeit folgen einer Dosis/Reaktionskurve.  Im Wesentlichen bedeutet das, je mehr Alkohol konsumiert wird, desto größer ist die Beeinträchtigung dieser Funktionen.
  • Menschen, die regelmäßig Alkohol trinken, unterschätzen die schädliche Wirkung auf ihre Leistungsfähigkeit.
  • Alkohol wirkt sich in stärkerem Maße auf Tätigkeiten aus, bei denen (wie beim Gerätetauchen) Multitasking notwendig ist als auf Tätigkeiten, bei denen man sich nur auf eine einzige Angelegenheit konzentrieren muss.
     

Zusätzlich zur Beeinträchtigung der neurokognitiven Funktion, führt ein übermäßiger Alkoholgenuss zu einer Reihe physiologischer Veränderungen, die einen Taucher gefährden können.  Akute Alkoholvergiftung kann zu Herzrhythumsstörungen führen und die Pumpfähigkeit des Herzens beeinträchtigen.  Beides bietet erheblichen Anlass zur Sorge, selbst ohne Berücksichtigung der durch körperliche Belastung oder die Unterwasserwelt hinzu kommenden Probleme.  Auch kann Alkohol das Risiko von Tauchunfällen unmittelbar erhöhen.  Dehydrierung, eine normale Auswirkung von übermäßigem Alkoholkonsum, ist ein allgemein bekannter Risikofaktor für Dekompressionskrankheiten (DCS). Alkohol führt durch die Erweiterung der Blutgefäße zu erhöhtem Wärmeverlust, was wiederum dazu führen kann, dass der Taucher unter Unterkühlung leidet.

Tauchern, die unter den Auswirkungen übermäßigen Alkoholkonsums leiden, wird auch eher während eines Tauchgangs so schlecht, dass sie sich übergeben müssen. Das ruiniert nicht nur den Tauchgang, es kann auch zu Dehydrierung, eingeschränkter Aufmerksamkeit und zu  schnellen, unkontrollierten Aufstiegen führen. All das sind bekannte Risikofaktoren für Tauchunfälle.

Zu guter Letzt kann Alkohol, ebenso wie die anderen beiden in diesem Artikel besprochenen Drogen, die Diagnose von tauchmedizinischen Problemen erschweren.  Während man unter Wasser ist, lässt sich die ermüdende Wirkung einer akuten Alkoholvergiftung nicht von den Anzeichen einer Stickstoffnarkose unterscheiden.  Sobald man jedoch auftaucht, können die normalen Anzeichen einer Alkoholvergiftung wie mangelnde Koordinationsfähigkeit, Schläfrigkeit, Schwindel und Kopfschmerzen entweder den Anzeichen einer DCS stark ähneln oder aber sie überdecken. Das kann zu einer Verschleppung der Diagnose und frühzeitigen Behandlung bzw. zu unnötigen medizinischen Behandlungsmaßnahmen führen.

 

DROGEN DER KLASSEN A UND B

Laut einer vom Diving Diseases Research Centre (jetzt: DDRC Healthcare) durchgeführten Studie gaben 22% der Taucher zu, seit ihrer ersten Tauchausbildung eine oder mehrere illegale Drogen genommen zu haben. 21% gaben zu, zwischen 5 Minuten und 24 Stunden vor einem Tauchgang eine Klasse A-Droge (z.B. Kokain) oder eine Klasse B-Droge (z.B. Cannabis) zu sich zu nehmen. Kokain, Cannabis und Ecstasy gehörten dabei zu den Drogen, die allesamt kurzfristig, zwischen 5 Minuten bis 6 Stunden, voe einem Tauchgang genommen wurden[4].

Kokain ist ein Aufputschmittel, dessen Wirkungen innerhalb von fünf Minuten nach der Anwendung einsetzen und im Allgemeinen ein oder zwei Stunden lang anhalten, auch wenn die Wirkungen nach einem Exzess in der letzten Phase einige Tage anhalten können [4]. Einfach ausgedrückt, können die akuten Wirkungen von Kokain dem Taucher auf zwei Arten schaden.  Zu den Auswirkungen auf das zentrale Nervensystem gehören erstens Stimmungsaufhellung, Beeinträchtigung des Urteilsvermögens und ein verstärkt risikoreiches Verhalten.  Wie oben bereits erwähnt, sind diese Wirkungen mit sicherem Tauchen nicht vereinbar.

Zweitens führt die Stimulation des Herz-Kreislauf-Systems zu einer Erhöhung der Herzfrequenz und des Blutdrucks sowie zu vermehrtem Auftreten anormaler Herzrhythmen.  Bei stärker körperlicher Anstrengung sind Herzrhythmusstörungen erwiesene Risikofaktoren für den plötzlichen Herzstillstand.

Cannabis scheint die bei Tauchern beliebteste Droge zu sein [4]. Die Wirkungen, die Cannabis auf das Verhalten und auf die Physiologie eines Menschen hat, treten innerhalb von 10 Minuten nach Gebrauch ein. Sie können, für Taucher besonders bedeutsam, drei bis fünf Stunden lang anhalten [4]. Die Wirkungen können das Risiko von Tauchunfällen erheblich erhöhen. Wie Alkohol verändert Cannabis die Wahrnehmung, reduziert Hemmungen, beeinträchtigt das Urteilsvermögen und führt zu Stimmungsänderungen. All das kann sich durch die Auswirkungen einer Stickstoffnarkose verschlimmern.  Cannabis hat auch die Erweiterung der Blutgefäße zur Folge, wodurch das Risiko einer Unterkühlung steigt und die motorische Koordinationsfähigkeit abnimmt. Die Fähigkeit zur Durchführung technischer Aufgaben wird erschwert.  Durch das Rauchen von Cannabis oder Tabak erhöht sich das Kohlenmonoxidniveau, das sich ans Hämoglobin im Blut anlagert. Dadurch lässt die Fähigkeit des Körpers zum Sauerstofftransport um bis zu 10% nach [5]. Das kann die physische Kapazität des Tauchers reduzieren und die Fähigkeit, auf einen Notfall korrekt zu reagieren, einschränken.

Neben den akuten Wirkungen von Cannabis kann einem Taucher auch die langfristige Verwendung Probleme bereiten.  Wie bei Zigaretten kann auch die chronische Belastung durch Cannabis Atemwegsprobleme wie Nebenhöhlenentzündungen und chronische Bronchitis  verursachen, die wiederum die Gefahr einer Überdehnung der Lungen mit Atemgasembolie ihrer potenziell tödlichen Konsequenzen erhöht.

Nicht außer Acht lassen sollte man, dass Besitz und Verwendung von Substanzen der Klassen A und B illegal ist.  Außer der offensichtlichen Tatsache, dass man dafür strafrechtlich belangt werden kann, sollte der Taucher auch berücksichtigen, wie seine Versicherung reagieren würde, würde sich herausstellen, dass solch eine Substanz eine Rolle bei der Verursachung eines Tauchunfalls gespielt hat.  Dabei ist es nicht undenkbar, dass die Übernahme der Kosten des Krankenhausaufenthaltes bzw. der Rekompressionstherapie abgelehnt wird.

Auch wenn diese Betrachtungen konservativ oder sogar verklemmt wirken sollten und sich scheinbar nicht mit der Kultur des „Spaßhabens“ beim Tauchen vereinbaren lassen, sollten Taucher grundsätzlich auf  Drogenkonsum verzichten und ganz sicher auch während Tauchreisen ihren Alkoholkonsum minimieren.  Ansonsten setzt man sich und seinen Tauchbuddy leichtfertig einem erheblichen Verletzungsrisiko aus.


 

REFERENZEN

Nr. 1 – Perrine, M.W., Mundt, J.C. & Weiner, R.I. When alcohol and water don’t mix: diving under the influence. J Stud. Alcohol and Drugs; 1994; 55: S.517-524.

Nr. 2 – Koelega, H.S. Alcohol and vigilance performance: review.Psychopharmacology; 1995; 118: S.233–249.

Nr. 3 – Egstrom, G.H. Effects of alcohol consumption on aquatic performance. E&A News; 1996; 3: S.2.

Nr. 4 – http://www.ddrc.org/uploads/DDRC_Drugs_Leaflet_FINAL.pdf

Nr. 5 – http://www.divingmedicine.info/Ch%2037%20SM10c.pdf


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