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Medizinische Beiträge

Hydrozephalus, Shunts und Tauchen – ist das sicher?

Kann ein Shunt-Träger tauchen?

Die Antwort auf diese Frage ist nicht einfach und relativ komplex. Ein Shunt ist ein System, das Flüssigkeiten umleitet. In diesem speziellen Fall ist ein Shunt ein künstliches Ableitungssystem aus feinen Schläuchen, einem Katheter und einem Ventil. Die Flüssigkeit, um die es hier geht, stammt aus dem Gehirn einer Person mit Hydrozephalus (vom Griechischen „hydro“ für „Wasser“ und „cephalus“ für „Kopf“, im Deutschen „Wasserkopf“) und wird in die Körperperipherie abgeleitet.

Unser Gehirn und unser Rückenmark "schwimmen" in der sogenannten Zerebrospinalflüssigkeit (ZSF), die das Gehirn gegen Erschütterungen puffert und auch anderweitig schützt. Die wissenschaftliche Bezeichnung ist “Liquor cerebrospinalis”. Die ZSF füllt Hohlräume im Gehirn, die sogenannten Ventrikel. Normalerweise wird die ZSF in ausgewogener Weise produziert und vom Gehirn und seinen angrenzenden Schichten wieder absorbiert. Ein Hydrozephalus entsteht, wenn die Absorption bzw. der Abfluss der ZSF gestört ist, was durch eine Blutung im Gehirn durch einen vorangegangenen Schlaganfall, ein geplatztes Aneurysma oder aufgrund eines Geburtsfehlers der Fall sein kann. Es handelt sich um eine schwerwiegende, lebensbedrohliche neurologische Erkrankung, die alle lebenswichtigen Funktionen bedroht, weil das Gehirn dadurch unter zunehmenden Druck gesetzt wird. Der Druck kann nicht ausweichen, weil sich der knöcherne der Schädel nicht ausdehnen kann.

Die Symptome eines Hydrozephalus können niedriger Blutdruck, verlangsamter Herzschlag, verwaschene Sprache, Unfähigkeit zu gehen, sprechen, denken, essen, trinken oder in jeglicher Art zu handeln, extrem verlangsamte Bewegungen, komatöse Müdigkeit und sogar Bewusstlosigkeit sein. Jemand mit diesen Symptomen braucht sofortige Hilfe und medizinische Versorgung. In einer solchen Notsituation bohrt ein Neurochirurg ein Loch in den Schädel und entlässt Flüssigkeit zur Druckentlastung. Falls der Hydrozephalus ein dauerhaftes Problem ist, ist das Einsetzen eines Shunt-Systems als dauerhafte Lösung erforderlich, um die überflüssige Flüssigkeit kontinuierlich aus dem Gehirn abfließen zu lassen. Menschen können – über Wasser – mit einem Shunt ein normales Leben führen.

Der Katheter des Shunts wird dabei zentral im Ventrikelsystem des Gehirns positioniert und über ein einstellbares Einwege-Überdruckventil mit dem Schlauch verbunden. Der Schlauch verläuft unter der Haut, an einer Körperseite entlang und endet entweder in der Bauchhöhle (Peritonealhöhle) oder dem Herzvorhof (Atrium). Die Flüssigkeit wird dann aus dem Gehirn abgeleitet, wenn der Druck im Kopf den Druck den Auslösedruck des Ventils übersteigt. Die Einstellung des Ventils erfolgt empirisch und individuell für den jeweiligen Patienten.

Diese Shunts werden entweder VP-Shunt oder VA-Shunt genannt. VP steht für ventrikular-peritonealen Shunt und VA für ventrikular-atrialen Shunt. Sowohl Bauchhöhle als auch Herzvorhof können die zusätzliche Flüssigkeit problemlos aufzunehmen. Sie wird dort absorbiert und über die Nieren ausgeschieden. Welches Shunt-System eingesetzt wird, liegt im Wesentlichen im Ermessen des operierenden Neurochirurgen.

Shunts leiten Flüssigkeiten um und unter normalen Umständen ist dabei kein Gas beteiligt. Daher sind Druckunterschiede aufgrund von Druckänderungen beim Tauchen nicht notwendigerweise zu erwarten. Ventrikular-peritoneale (VP) Shunts gelten allerdings als sicherer beim Tauchen als ventrikular-atriale (VA) Shunts, die zum Zeitpunkt des Einsetzens des Shunts ein erhöhtes Risiko bezüglich einer Bläschenbildung bergen, oder aufgrund hohen Druckes oder extremer Druckveränderungen eine Fehlfunktion wie auch ein erhöhtes Epilepsie-Risiko nach Einsetzen des Shunts aufweisen können. Im Falle eines solchen epileptischen Anfalles ist eine Anfall- und Antiepileptika-freie Phase von mindestens 5 Jahren gefordert, bevor man (wieder) tauchen gehen kann.

Studien haben gezeigt, dass jemand mit einem VP-Shunt sicher bis zu einem Druck von 4 Atmosphären tauchen kann. Das heißt, dass es höchstwahrscheinlich sicher ist, bis zu einer Tiefe von 30 m zu tauchen. Dies konnte in Druckkammern nachgewiesen werden, wo bis zu diesem Druck eine einwandfreie Shunt-Funktion gezeigt werden konnte. Spezialisten sind der Auffassung, dass ein VP-Shunt die Flüssigkeit normal ableiten wird, weil die Ventrikel im Gehirn wie auch die Bauchhöhle gleichermaßen vom zunehmenden Umgebungsdruck in der Tiefe beeinflusst würden. VA-Shunts hingegen stehen unter dem Einfluss des Blutstroms, in dem sich beim Auftauchen Stickstoffbläschen bilden können. Diese Bläschen können das einwandfreie Funktionieren des Shunts beeinträchtigen. Die meisten Tauchorganisationen lassen daher Personen mit VA-Shunts nicht zum Tauchen zu.

Es sollte keinesfalls getaucht werden, wenn Probleme mit der Atmung, Kopfschmerzen oder neurologische Auffälligkeiten (z.B. Spastiken) auftreten. Shuntträger sollte man vor dem Risiko warnen, dass im Falle eines Problems mit dem Shunt oder mit der Dekompressionserkrankung (DCI) wenig funktioneller Spielraum bleibt. Bezüglich DCI wird angenommen, dass das DCI-Risiko bei Trägern von VP-Shunts nicht erhöht ist, sofern der Hydrozephalus gut kontrolliert ist und die Hirnventrikel nicht vergrößert sind.

Eine andere große Bedrohung können Infektionen sein. OP-Nähte nach einer Shunt-OP müssen erst vollständig abgeheilt sein, bevor sie mit Wasser – egal ob Süß- oder Salzwasser – in Berührung kommen dürfen. Der Katheter reicht zwar bis in das Ventrikelsystem des Gehirns, aber das andere Ende der OP-Wunde endet dicht unter der Kopfhaut. Wenn sich diese entzündet, kann die Entzündung schnell das Gehirn erreichen – und das ist ein lebensbedrohliches Szenario.

Generell sollte es sich jemand mit einem Shunt sehr gut überlegen, ob eine Auslandsreise und Tauchen in entlegenen Gegenden Aktivitäten unbedingt sein müssen. Um dies allerdings gut informiert entscheiden zu können, ist es ratsam einen Neurochirurgen, der sich auf Shunt-Systeme spezialisiert hat, und einen Taucherarzt, der sich ebenfalls damit auskennt, zu konsultieren. Sowohl Neurochirurg als auch Taucherarzt müssen die vollständige Krankengeschichte kennen, die zuvor bestehende Erkrankung, die zur Shunt-OP geführt hat, und den aktuellen Gesundheitszustand, bevor sie eine vollständige Antwort geben können.

In den meisten Fällen hat eine Person mit einem Hydrozephalus eine schwerwiegende, lebensbedrohliche Gehirnproblematik erlebt. Nur die rasche Diagnose und das schnelle Einsetzen des Shunts haben wahrscheinlich die normale Gehirnfunktion erhalten. Ein Shunt-System ist ein künstliches und technisch kompliziertes System. Materialschäden oder Defekte können auftreten – wie bei jedem künstlichen System. Solche Dysfunktionen oder Fehlfunktionen erfordern eine unmittelbare Intervention. Nur eine Klinik mit einer neurochirurgischen Abteilung kann in dieser Situation helfen. Das Feststellen einer Shunt-Dysfunktion oder Shunt-Fehlfunktion erfordert normalerweise eine Bildgebung des Gehirns mittels CT (Computertomographie). Nachdem der Defekt lokalisiert ist und die Schwere der Fehlfunktion festgestellt, muss umgehend am Gehirn operiert werden und der Shunt wahrscheinlich ersetzt oder teilweise ausgetauscht werden. In einigen Fällen muss vielleicht nur das Ventil neu eingestellt werden. Nicht jede Klinik verfügt allerdings über diese technische Spezialausrüstung. Manche Ventile können mit Magneten von außen verstellt werden, was ohne OP möglich ist, aber man muss ein Krankenhaus mit diesem speziellen Magnetsystem finden. Es gibt verschiedene Ventil- und Shunt-Systeme auf dem Markt. Es gehört ein bisschen Glück dazu, im Notfall das richtige Krankenhaus zu finden, das genau das gefragte Shunt-System hat. Problematisch wird’s, wenn man im Notfall im falschen landet… In vielen Tauchspots kann man derartigen medizinischen Standard wirklich nicht voraussetzen.


Was sollte man beachten?

Taucher mit einem Shunt sollten auf neurologische Ausfälle, Taubheit der Extremitäten und „autonome“  Veränderungen achten (z.B. haltungsbedingter, niedriger Blutdruck, Blutdruckänderungen und Unfähigkeit, auf Kaltwasser-Immersion zu reagieren). Neurologische Defizite sollten für den Notfall gut für einen Taucherarzt dokumentiert sein. Eine Kopie (oder das Original) des Ventilpasses sollte bei sich geführt werden. Der Shunt sollte gut funktionieren und keine Dysfunktion aufweisen.

Du solltest Dich informieren, welche Einschränkungen für Dich gelten, wenn Du Shuntträger bist und tauchen möchtest. Neurochirurg und Taucherarzt sollten die zu erwartenden Risiken verständlich und deutlich erklären. Es ist ratsam, Tauchgänge mit speziell ausgebildetem Tauchlehrer zu machen, und Tauchpartner darüber zu informieren, dass man Shuntträger ist.

Sei ein verantwortungsvoller Taucher! Wir wünschen Dir viel Glück und Gesundheit!


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