Bereiter Taucher
Das Kartenhaus: Wie steht es um Ihre Grundfertigkeiten?
Solide Grundfertigkeiten sind für Taucher unerlässlich – einerseits um sich unter Wasser wohl zu fühlen und den Tauchgang genießen zu können, und anderseits für die eigene Sicherheit, die Sicherheit des Tauchpartners, und den Schutz des Lebensraums unter Wasser. Alle Ausbildungsverbände sind bemüht, Tauchschülern in ihren Kursen diese Grundfertigkeiten auf verschiedene Art und Weise und in unterschiedlichem Umfang zu vermitteln. In der Praxis sieht es jedoch so aus, dass in dieser Hinsicht bei Sporttauchern insgesamt ein deutlicher Verbesserungsbedarf besteht. In diesem ersten Artikel einer neuen Serie, "Das Kartenhaus", stellt die erfahrene Tech- und Höhlentauchlehrerin und Unterwasserfotografin Audrey Cudel diese Fertigkeiten vor und erläutert mit Unterstützung verschiedener Entdecker und Ausbilder von internationalem Ruf ihre Bedeutung. Wie steht es um ihre Grundfertigkeiten? Finden Sie es heraus!
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Alert Diver Redaktionsteam
Die meisten Probleme beim Tauchen entstehen durch unzureichende Grundfertigkeiten. Häufig wird diesen Fertigkeiten während der Grundausbildung nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt. Ihre Vermittlung braucht Zeit und Übungsaufwand und erfordert das Engagement von Lehrern und Schülern gleichermaßen. Viele Schüler haben die Vorstellung, dass Tauchen lernen einfach ist – einfach ins Wasser springen und genießen. Wenn die Grundfertigkeiten später erneut abgefragt werden – zum Beispiel als Voraussetzung für das Tech-Training – stellen Taucher häufig fest, dass sie sich zunächst einmal schlechte Angewohnheiten abtrainieren müssen. Einfacher und angenehmer wäre es gewesen, wenn die Fertigkeiten von vornherein richtig erlernt worden wären. Man kann den zweiten Schritt nicht vor dem ersten tun.
Die Beherrschung der Grundlagen wirkt auf viele Taucher zunächst schwierig und einschüchternd und erfordert häufig eine zusätzliche Investition in die Ausbildung. Ist dieser Grundstein jedoch erst einmal gelegt, ist der Taucher anschließend viel besser in der Lage, die während des Tauchgangs die Situation im Überblick zu behalten, zu kontrollieren, einen Erfahrungsschatz aufzubauen und Entscheidungen über zukünftige Ausbildungsziele zu treffen. Im Ergebnis steht der "gute Taucher" – vorbereitet, kontrolliert, und sicher. Davon profitieren der Taucher selbst, sein Team, und die Unterwasserwelt.
Die wichtigste Herausforderung auf dem Weg, ein guter Taucher zu werden, ist die Beherrschung aller Grundfertigkeiten. Wenn es bei einer oder mehrerer dieser Fertigkeiten hapert, stürzt das "Kartenhaus" ein – und im Unterschied zu Brevets bestehen diese Karten nicht aus stabilem Kunststoff! Was also müssen Taucher tun, um ihr Kartenhaus tragfähig zu machen? Auch wenn die Grundfertigkeiten synergetisch zusammenwirken, gibt es eine Hierarchie ihrer Bedeutung. Ähnlich wie eine Pyramide bauen sie aufeinander auf. Doch werfen wir zunächst einen Blick darauf, worum es sich bei diesen Grundfertigkeiten handelt:
- Atmung und Tarierung
- Wasserlage
- Effiziente Schwimmtechnik
- Teamübersicht und Position
- Übersicht über die Situation
Der Weg zum sicheren Tauchen führt über die Beherrschung und Synchronisierung all dieser Fertigkeiten. So entsteht eine sichere Grundlage, die es dem Taucher ermöglicht, sich auf andere Aufgaben zu konzentrieren.
Nichts ist schwieriger als das Ablegen schlechter Gewohnheiten. Dies gilt besonders dann, wenn einem nicht bewusst ist, dass diese Gewohnheiten ein Problem darstellen. Wer dann aufgrund von Gruppendruck oder zur Befriedigung des eigenen Egos auf die Schnelle einen Stapel Brevets ansammelt, ohne dass die Grundlagen sitzen, macht damit seine Schwierigkeiten nur größer. Die Reaktion auf diese Schwierigkeiten ist dann häufig, dass Taucher eine Reihe von "Spezialisierungskursen" ablegen, um ihre Defizite auszugleichen – Defizite, die eigentlich bereits im Zuge der Grundausbildung hätten ausgeräumt werden sollen.
Einfachheit und Sicherheit gehen Hand in Hand. Sicherheit wird nicht erreicht, indem man zusätzliche Elemente ergänzt, bis nichts mehr hinzuzufügen ist. Sie wird erreicht, indem man alles Überflüssige entfernt. Als Konsumenten in einem ausrüstungsintensiven Sport neigen viele Taucher dazu, "Spielzeug" zu sammeln. Diese Neigung wird häufig durch Tauchlehrer und Händler unterstützt, die ihren Umsatz erhöhen wollen. Aber: Die Auswahl von Ausrüstung und Konfiguration sollte eine Folge des Beherrschens der Grundlagen sein, nicht umgekehrt. Nur dann ist es möglich, zusätzliche Parameter wie Gas, Navigation und Austauchen bzw. Deko effektiv im Sinne eines sicheren und kontrollierten Tauchgangs einzusetzen.
Geht es bei der Tarierung im Kontrolle oder Komfort? Ist es klug, sich einen schweren, schlecht sitzenden Bleigurt um den Bauch zu wickeln? Inwiefern stellt dies ein Sicherheitsrisiko dar? Ist die Wasserlage eines Tauchers wichtig, und in welchem Zusammenhang steht sie mit der Tarierung? Warum entdecken viele Taucher Schwimmtechniken wie Back Kicks und Helicopter Turns erst in ihrem Tech-Kurs, obwohl diese Techniken auch im Sporttauchen sinnvoll und nützlich sind? Gibt es Flossen, die einfach besser sind als der Rest? Warum ist nicht jede Gruppe von Tauchern automatisch ein Team, und was macht das Tauchen im Team aus? Warum macht die Beherrschung individueller Fertigkeiten wie Tarierung, Wasserlage und Schwimmtechnik ein Team besser und sicherer? Und was genau meinen wir, wenn wir von Übersicht über die Situation sprechen?
In unserer Reihe "Das Kartenhaus" behandeln wir diese Fragen unter Einsatz von gesundem Menschenverstand, Illustrationen und Praxiserfahrung – nicht nur als graue Theorie. Wir untersuchen die fünf Grundfertigkeiten, ihren Sinn und Zweck, ihr Zusammenwirken, und ihren Nutzen beim Bemühen, ein besserer Taucher zu werden.
Die Autorin
Audrey ist Höhlenforscherin und unterrichtet Tech-Tauchen mit Schwerpunkt auf Sidemount und Höhlentauchen in Europa und Mexiko.
In der Tauchwelt ist sie für ihre Unterwasserfotografie bekannt, in der sie Tech- und Höhlentaucher in Szene setzt. Ihre Werke wurde in zahlreichen Magazinen veröffentlicht, z. B. Wetnotes, Octopus, Plongeur International, Perfect Diver, Times of Malta, sowie in den Publikationen von SDI/TDI und DAN (Divers Alert Network).
Der Übersetzer
Tim Blömeke ist freier Übersetzer für Wissenschaft, Technik und Recht, sowie passionierter Wrack- und Höhlentaucher. Er unterrichtet Tauchen (Sport und Tec) in Taiwan und auf den Philippinen.