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Bereiter Taucher

Kohlendioxid – die Nemesis (part 3)

Vorkehrungen und Maßnahmen für mehr Sicherheit beim Tauchen

Im ersten Teil dieser kleinen Reihe zum Thema Kohlendioxid beim Tauchen habe ich von einem persönlichen Erlebnis berichtet und einen Kurzüberblick über den Kohlendioxid-Stoffwechsel im menschlichen Körper gegeben. Im zweiten Teil haben wir die Mechanismen der Erzeugung und Eliminierung von CO2, den Einfluss von Tauchtiefe und Ausrüstung auf diese Mechanismen, sowie die hochgradig unangenehmen und potentiell fatalen Auswirkungen der Hyperkapnie einem genaueren Blick unterzogen.

Ich hoffe, die ersten beiden Teile liefern gute Argumente dafür, warum Taucher höhere Konzentrationen von Kohlendioxid im Körper unbedingt vermeiden sollten. In diesem dritten und abschließenden Teil möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, wie wir dieses Ziel erreichen können. Die entsprechenden Vorkehrungen und Maßnahmen lassen sich in vier allgemeine Kategorien einteilen: Vermeiden von Anstrengung, taucherische Fertigkeiten und Gewohnheiten, körperliche Fitness, und Begrenzung der Atemarbeit.

Vermeiden von Anstrengung

Wenig CO2 zu erzeugen ist der beste Weg zur Vermeidung von Hyperkapnie. Das heißt Anstrengung reduzieren und Kräfte sparen – Sporttauchen ist kein Sport. Das Tempo sollte gleichmäßig und gemütlich sein; auf hektisches Herumschwimmen ist zu verzichten. An Tauchplätzen mit nennenswerter Strömung sind Einstieg und Ausstieg so zu wählen, dass Taucher mit der Strömung treiben können, statt gegen diese anzukämpfen. Ein Divemaster, der sein Trinkgeld wert ist, kann eine Gezeitentabelle lesen, Stärke und Richtung der Strömung vorhersagen, und Tauchgänge entsprechend organisieren.

Tauchscooter oder DPVs werden im Sporttauchen in erster Linie als spaßige Accessoires behandelt. Im Tech- und Höhlentauchen hingegen sind sie ein unverzichtbares Mittel, um ohne übermäßige Anstrengung längere Strecken zurückzulegen und dabei mehrere Flaschen durchs Wasser zu bewegen. Scooter sind teuer und leider nicht überall verfügbar. Doch in den Händen entsprechend ausgebildeter Taucher machen sie einen gewaltigen Unterschied, wenn es um die Begrenzung von Anstrengung geht.

Taucherische Fertigkeiten und Gewohnheiten

Tauchen macht mehr Spaß, wenn man es gut kann. Gute taucherische Grundfertigkeiten tragen außerdem erheblich dazu bei, die Erzeugung von CO2 im Körper zu reduzieren. Die in diesem Zusammenhang wichtigen Fertigkeiten und Gewohnheiten sind Tarierung, Wasserlage, und Schwimmtechnik.

Die Tarierung hat einen direkten Einfluss auf die körperliche Anstrengung. Ein schlecht tarierter Taucher muss ständig seine Flossen bewegen, um die Tiefe zu halten. Das kostet Energie. Gut (neutral) tarierte Taucher hingegen können anhalten und sich ausruhen, ohne ihre Position zu verändern. Dies wiederum ermöglicht eine horizontrale Wasserlage und minimalen Wasserwiderstand in Schwimmrichtung.

Tarierung ist aber nicht gleich Tarierung. Etliche Taucher tarieren in erster Linie mit der Lunge, und manche berichten mit Stolz, den Inflator ihres Tariermittels kaum anzufassen. Das ist beklagenswert. Zwar trifft es zu, dass unsere Lunge evolutionsgeschichtlich aus der Schwimmblase von Fischen hervorgegangen ist. Es gibt jedoch eine Reihe guter Gründe, von der Rückführung dieses Organs zu seinem urzeitlichen Verwendungszweck Abstand zu nehmen.

Der für unsere Zwecke relevante Punkt ist, dass das Tarieren mit der Lunge den Atemzyklus beeinflusst und aufgrund unzureichener Ausatmung den Aufstau von CO2 befördert. Gleiches gilt für Versuche, durch bewusste Kontrolle des Atemzyklus den Luftverbrauch zu senken. Die Atmung sollte entspannt und natürlich sein, und Taucher sollten ihre Tarierung häufig anpassen, auch bei geringfügigen Veränderungen. Faulheit mit dem Inflator ist unangebracht.

Wenn es um den Vortrieb geht, ist die Hauptwaffe im Arsenal eines gut ausgebildeten Tauchers der Froschbeinschlag. Dank der eingebauten Gleit- und Ruhephase ist ein korrekt ausgeführter Froschbeinschlag das mit Abstand effizienteste Mittel, unter Wasser Strecken zurückzulegen. Erfahrene Tech- und Höhlentaucher sind in der Lage, mehrere Stunden lang mit gleichmäßigem Tempo zu schwimmen. Sekundäre Techniken wie Rückwärtsschwimmen und Drehen auf der Stelle machen das Manövrieren auf engem Raum effizienter. Wenn es um die Minimierung von CO2 insgesamt geht, sind sie jedoch weniger wichtig als korrekte Tarierung, gute Wasserlage, und der Froschbeinschlag.

Körperliche Fitness und das zweischneidige Schwert der CO2-Toleranz

Fitness ist ein ziemlich weit gefasster Begriff, der Aspekte wie Kraft, Gleichgewicht und Koordination beinhalten kann. Im Zusammenhang mit dem Thema CO2 beim Tauchen interessiert uns jedoch in erster Linie die aerobe Ausdauer, d.h. das Niveau körperlicher Anstrengung, bei dem der Bedarf des Stoffwechsels an Sauerstoffzufuhr und CO2-Ausstoß innerhalb der Leistungsgrenzen des Atmungsapparats bleibt.

Was als Anstregung gilt, hängt stark von der Person ab – was für den einen das Aufwärmprogramm ist, ist für andere schon hartes Training. Und während körperliche Fitness beim Tauchen und für die Lebensqualität allgemein eine großartige Sache ist, müssen wir leider feststellen, dass man vom Tauchen selbst nicht nennenswert fitter wird.

Das generell häufigste Mittel zur Verbesserung der aeroben Ausdauer ist Training mit niedriger Intensität wie Gehen, Wandern, Joggen, Radfahren, Schwimmen über längere Strecken, oder Seilspringen. Training mit hoher Intensität ist ebenfalls hilfreich, hat aber einen Haken.

Athleten in Sportarten, bei denen die Teilnehmer minutenlang deutlich oberhalb ihrer anaeroben Schwelle arbeiten – z. B. Leistungsschwimmer, Mittelstreckenläufer, Crossfit-Enthusiasten und Kampfsportler – entwickeln nicht nur ihre aerobe Ausdauer, sondern außerdem eine hohe CO2-Toleranz. Diese versetzt sie in die Lage, trotz hoher CO2-Konzentration im Blut aktiv zu bleiben – Konzentrationen, bei denen die meisten Menschen längst nach Luft schnappend auf dem Boden lägen. Weitere Gruppen mit allgemein hoher CO2-Toleranz sind Apnoetaucher und, Ironie des Schicksals, Raucher.

Beim Gerätetauchen ist eine hohe CO2-Toleranz nicht unbedingt von Vorteil. Wie in Teil zwei dieser Reihe erläutert, bedeutet die Abwesenheit von Atemnot nicht unbedingt, dass andere Auswirkungen der Hyperkapnie, wie Narkose und kognitive Beeinträchtigung, ebenfalls ausbleiben. Und wenn die Atemnot irgendwann doch einsetzt, kann sie entprechend heftiger ausfallen. Dieser Umstand sollte niemanden davon abhalten, seiner Lieblingssportart nachzugehen – ganz im Gegenteil. Gerade sehr fitte Menschen sollten diesen Aspekt jedoch im Auge behalten, wenn sie überlegen, wie sehr sie sich unter Wasser anstrengen wollen. Wenn die Atemnot spürbar wird, kann es bereits recht spät sein.

Die gute Nachricht für alle, die nicht jede freie Minute im Sportstudio, auf der Rennstrecke oder im Schwimmbecken verbringen möchten, ist, dass die Ansprüche an die Fitness beim Sporttauchen recht bescheiden sind. Passabel ist gut genug. Der erfolgreiche Abschluss eines Anfänger-Trainingsplans für einen 5-km-Lauf verbessert auch die Tauchsicherheit. Der Schritt vom 5-km-Lauf zum Marathon hingegen ist zwar per se eine tolle Leistung, hat jedoch eher geringfügige Auswirkungen auf die Sicherheit unter Wasser.

Atemarbeit

Wie in Teil zwei erläutert, liegen beim Tauchen zusätzliche interne und externe Lasten vor, welche die Atemarbeit erhöhen. Externe Lasten entstehen in erser Linie durch die Tauchausrüstung, insbesondere den Atemregler. Ein Regler sollte so leichtgängig wie möglich sein. Dies erreicht man durch Verwendung hochwertiger Ausrüstung, sorgfältige Reinigung, und regelmäßige Wartung. Der Auslösedruck der zweite Stufe sollte so justiert sein, dass der Regler bereits beim leichtesten Unterdruck beim Einatmen sofort anschlägt. Wer Leihausrüstung benutzt und feststellt, dass ein Regler schwergängig ist, sollte den Vermieter höflich auf das Problem aufmerksam machen und um Austausch bitten.

Als Ausbilder bin ich bei mehr als einer Gelegenheit Tauchern begegnet, die ihre zweite Stufe absichtlich so einstellen, dass sie weniger Luft liefert. Dies geschieht in der Annahme, auf diese Weise Luft sparen zu können. Bei aller Liebe: Die höflichste Beschreibung, die mir dazu einfällt, ist “gefährlicher Unfug.” Diese Praxis erhöht nämlich nicht nur die Atemarbeit und somit die Erzeugung von CO2, sondern außerdem das Risiko von Lungenödemen aufgrund des höheren Unterdrucks, der zum Auslösen einer derart eingestellten zweiten Stufe erforderlich ist.

Die Hauptquelle der internen Last ist die Gasdichte. Diese lässt sich leider nur auf zwei Arten und Weisen beeinflussen: durch Verwendung von Mischgas mit Helium, und durch Begrenzung der Tauchtiefe. Helium ist teuer, und die meisten Menschen haben weder Zeit noch Neigung, den Ausbildungsweg zum Trimix-Taucher zu absolvieren. Die Begrenzung der Tauchtiefe auf 29 oder 37 Meter (wo die Dichte von O2/N2-Gemischen die von Gavin und Mitchell empfohlenen Grenzwerte erreicht) scheint für viele ähnlich unattraktiv zu sein. Wie dem auch sei: Taucher mit einer Vorliebe für tiefe Tauchgänge mit Luft als Atemgas sollten sich zumindest der Risiken bewusst sein, denen sie sich und ihre Tauchpartner aussetzen. Sollte ein Taucher in Not geraten, kann es sein, dass die benötigte Hilfe ausbleibt, weil sich alle potentiellen Helfer in einem Zustand kognitiver und physischer Beeinträchtigung befinden.

Schlusswort

Die überwiegende Mehrheit der Tauchgänge verläuft reibungslos, und Kohlendioxid spielt kaum eine Rolle. Wenn es jedoch einmal nicht so rund läuft und der Stoffwechselbedarf eines Tauchers aufgrund erhöhter Anstrengung steigt, kann ein Übermaß an Kohlendioxid im Blutkreislauf eine anderweitig leicht zu bewältigende Situation erheblich verkomplizieren. Ich hoffe, diese kleine Artikelreihe liefert ein wenig Stoff zum Nachdenken und bringt Klarheit darüber, wie unser Körper CO2 erzeugt und darauf reagiert, die beim Tauchen zu beachtenden Besonderheiten, und die Mittel und Wege, mit denen wir entsprechende Risiken reduzieren können.

Bleibt sicher, und immer ’ne Handbreit Wasser unterm Kiel!


Der Autor

Tim Blömeke unterrichtet Tech-Tauchen in Taiwan und auf den Philippinen. Er ist Autor und freier Übersetzer, sowie Mitglied des Redaktionsteams von Alert Diver. Er taucht einen Fathom CCR. Im Netz erreicht man ihn über seinen Blog und auf Instagram.

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