Foto: Marcello Di Francesco
Safety

Die Kunst, auf See gefunden zu werden

Vorkehrungen und Sicherheitsausrüstung für Taucher

Zurück an der Oberfläche, aber kein Boot in Sicht – für Taucher eine beägstigende Vorstellung. Als im Jahr 2003 der Film Open Water in die Kinos kam, stand dieses gelegentlich reale Szenario eine Zeitlang sogar im Licht einer breiteren Öffentlichkeit. Mit Produktionskosten von lediglich 120.000 Dollar und Einnahmen von 58 Millionen Dollar an den Kinokassen war der Film ein durchschlagender Erfolg.

Die Inspiration für Open Water war eine reale Tragödie, die (Achtung, Spoiler) im Tod zweier Taucher endete. Nachlässigkeit und unzureichende Sicherheitsvorkehrungen des Bootsbetreibers waren die Hauptursachen. Unsere Branche hat seitdem aus diesem und ähnlichen Vorfällen ihre Lehren gezogen. Zählverfahren mit physischen Marken und namentlicher Anwesenheitskontrolle sind heute Standard auf größeren Booten und Tauchsafaris.

Vergessen zu werden ist jedoch nicht die einzige Art und Weise, verloren zu gehen: Gerade an Orten mit starker Strömung kommt es häufig vor, dass zwischen Ausgangs- und Endpunkt eines Tauchgangs einige Entfernung liegt. Ein anderes Problem kann entstehen, wenn mehrere Teams vom gleichen Boot aus tauchen. Wenn das Boot die erste Gruppe aufgesammelt hat, kann eine andere Gruppe bereits außer Sichtweite sein.

Die Mutter der Porzellankiste

Vorbeugen ist besser als Heilen: Neben Anwesenheitskontrollen ist gute Kommunikation mit der Bootscrew ein Schlüssel zum Erfolg. Wie lange wird der Tauchgang dauern? Ist Driften mit der Strömung Teil des Plans? Wenn es sich um einen Dekompressionstauchgang handelt, an welchem Punkt der Laufzeit sollte das Bootsteam damit rechnen, eine Boje zu sehen? Solange sich die Taucher an die Abprachen halten, tragen diese Informationen sehr dazu bei, spätere Suchaktionen zu vermeiden.

Garantien gibt es jedoch wie immer keine. Unerwartete Umstände oder Notfälle unter Wasser können den Verlauf eines Tauchgangs ändern, und Suchaktionen kommen vor. Auch wenn meine persönlichen Erlebnisse mit derartigen Situationen als Notfälle zu beschreiben übertrieben wäre, habe ich mehr Zeit als mir lieb ist damit verbracht, ins Nirgendwo zu driften, den Wellen beim Größerwerden zuzusehen, meine Boje hochzuhalten und mir zu wünschen, ich könnte der Bootscrew mitteilen, Leute, ich bin seit ner Welle fertig mit Tauchen und es wäre echt total nett, demnächst eingesammelt zu werden. Wenn’s euch keine zu großen Umstände bereitet. [An dieser Stelle bitte Fluch nach Wahl einsetzen.]

Zum Glück gibt es Technik. Es folgt eine Übersicht über Ausrüstungsoptionen, von einfach bis ausgefeilt, mit denen Taucher die Wahrscheinlichkeit erhöhen können, rechtzeitig zum Mittagessen wieder auf dem Boot zu sein.

Grundausstattung

Heutzutage wird bereits beim Freiwasserschein auf die Wichtigkeit von Signalausrüstung hingewiesen. Selbst wenn Taucher noch nicht gelernt haben, unter Wasser eine Boje zu setzen: Eine nach dem Auftauchen an der Oberfläche aufgeblasene SIgnalboje erhöht die Wahrscheinlichkeit, gesehen zu werden, drastisch.

Akustische Signalmittel wie Pfeifen haben eine recht bescheidene Reichweite, besonders bei Wind. Ein Spiegel zum Reflektieren des Sonnenlichts hingegen kann nützlich sein. Stets eine Lampe mit sich zu führen ist eine gute Idee, falls es dunkel wird, bevor ein Taucher gefunden wird.

Besonders gut vorbereitete (oder paranoide) Taucher haben vielleicht sogar einen Schlauch mit Trinkwasser und einen Schlapphut in der Tasche – als Vorkehrungen gegen Dehydrierung und Sonnenstich, während die Suche läuft.

Reicht das?

Bei klarem Himmel ist die einzige Begrenzung der Sichtweite der Horizont. Wie weit dieser entfernt ist, hängt von der Höhe des Beobachters über dem Meerespiegel ab. Bei einem kleinen Boot (2 m über der Oberfläche) sind dies etwa 5 km. Bei einem größeren (4 m über der Oberfläche) bis zu 7 km.(1)

Außer bei sehr langen Tauchgängen und sehr starken Strömungen sollte dies ausreichen – bei Tageslicht und klarem Himmel jedenfalls, und vorausgesetzt, der Taucher hat eine Boje und die Bootscrew ein Fernglas. Nebel und Regen können die SIcht drastisch reduzieren, und selbst leichter Wellengang macht eine im Wasser treibende Person erheblich schwerer zu erkennen, auch wenn die Person theoretisch in Sichtweite wäre.

Persönliche Funksysteme

Tauchern, die eine zusätzliche Schicht Sicherheit wünschen, stehen hierzu mehrere Optionen zur Verfügung. Welche dieser Optionen in einer gegebenen Situation am nützlichsten ist, hängt stark vom Standort und den Umständen ab. Darüber hinaus gibt es recht deutliche Preisunterschiede.

Das Nautilus LifeLine Marine Rescue GPS wurde speziell für den Tauchsport entwickelt und ist unter Tauchen recht bekannt. Das Gerät ist für eine Maximaltiefe von 130 m zugelassen und hat eine Batterielebensdauer von 5 Jahren. Zu beachten ist, dass das Nautilus keinen allgemeinen Notruf absetzt. Das Gerät sendet lediglich ein Funksignal aus, welches von Booten im näheren Umkreis empfangen werden kann – sofern diese Boote mit Funkgerät und AIS (Automatic Identification System) ausgestattet sind.

Dies mag vielerorts der Fall sein, doch längst nicht überall. AIS – oder Boote mit Funkgeräten überhaupt – können nicht weltweit als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Der Nutzen eines Nautilus hängt daher stark von der Region ab und ist in etlichen Gegenden praktisch Null. Die Reichweite ist mit 50 km angegeben. Dies gilt jedoch nur unter idealen Bedingungen. Wenn es etwas ruppiger wird, ist sie erheblich reduziert.

Ocean Signal RescueME PLB1 und ARC ResQLink View sind Geräte des Typs Personal Locator Beacon (PLB). Im Unterschied zum Nautilus kontaktieren PLBs ein Satellitennetz und lösen darüber einen allgemeinen Notruf aus.

Mit Maximaltiefen von 15 bzw. 5 Metern benötigen beide Geräte ein wasserdichtes Gehäuse, um beim Tauchen von Nutzen zu sein. Das ARC ResQLink View nutzt zur Positionierung neben GPS zusätzlich das europäische Satellitennetz Galileo. Darüber hinaus verfügt es über eingebaute Blinklichter im sichtbaren und im Infrarot-Bereich.

PLBs funktionieren überall in der Welt. Es gibt jedoch Länder, insbesondere in Asien, wo sie Regulierungen unterliegen und es illegal sein kann, ohne Genehmigung ein PLB zu nutzen oder mit sich zu führen. Vor einer Tauchreise empfiehlt sich daher ein wenig Recherche.

Das Garmin inReach mini ist genau genommen kein PLB. Es erfüllt jedoch eine ähnliche Funktion. Man könnte das inReach als Miniatur-Satellitentelefon beschreiben, mit dem man nicht telefonieren kann. Bei Aktivierung der SOS-Funktion, kontaktiert das inReach Garmins firmeneigenes Rettungsnetzwerk, um so einen einen allgemeinen Notruf abzusetzen.

Das inReach kann zudem über Satellit e-Mails und Textnachrichten versenden und empfangen, ohne dabei einen allgemeinen Notruf abzusetzen, beispielsweise zur Mitteilung der aktuellen GPS-Koordinaten an die Tauchbasis. Die Benutzerschnittstelle mit zwei Tasten macht das Verfassen längerer Nachrichten recht mühsam. Für den Gebrauch beim Tauchen muss das inReach mit einem wasserdichten Gehäuse gekauft werden, welches für eine Maximaltiefe von 100 Metern zugelassen ist.

Das Garmin inReach ist die teuerste der hier aufgeführten Optionen. Zusätzlich zum Anschaffungspreis erfordert es ein monatliches Abonnement, um zu funktionieren. Die Batterie muss vergleichsweise häufig geladen werden. Wie die PLBs ist das inReach ein Gerät zur Satellitenkommunikation. Als solches kann es staatlichen Regeln unterliegen, die man vor Reiseantritt in Erfahrung bringen sollte, um einer möglichen Verhaftung am Flughafen zu entgehen.

Eine Signalrakete in einem wasserdichten Behälter, z. B. einem alten Batteriegehäuse für Tanklampen, ist eine einfache und effektive Alternative oder Ergänzung zu den genannten Funksystemen. Von der Oberfläche abgeschossen, steigt eine typische Signalrakete auf eine Höhe von 300 m auf, was ihr einen theoretischen Horizont von etwa 60 km verleiht. Anschließend brennt sie etwa 40 Sekunden lang mit einem sehr hellen Licht. Signalraketen werden universell als Seenotsignal verstanden. Im Unterschied zu elektronischen Systemen, die 24 Stunden oder länger aktiv bleiben bevor die Batterie leer ist, kann eine Rakete jedoch nur einmal abgefeuert werden.

Jeder Versuch, eine Signalrakete im Flugzeug mitzunehmen, wäre selbstredend hochgradig illegal. Dies ist keine reisefreundliche Lösung, aber eine sehr gute für Leute, die lokal tauchen.

Bootsbasierte Systeme

Tauchsafaris und andere Anbieter an abgelegenen Orten verwenden häufig Systeme, die aus einem auf dem Boot montierten Empfänger und mehreren, von den Tauchern mitgeführten Sendern bestehen. Ist ein Sender eingeschaltet und an der Oberfläche, kann dessen Position von jedem Empfänger in Reichweite gelesen und auf einem Bildschirm angezeigt werden.

Der Marktführer für diese Art Geräte heißt ENOS (für Elektronisches Notruf- und Ortungssystem), ein deutscher Anbieter, der seit 2004 am Markt ist. Das ENOS-System wurde speziell für das Tauchen entwickelt.

Eine kürzlich auf den Markt gekommene Alternative heißt GPacer. GPacer wurde für die taiwanische Marine entwickelt und wird von dieser weiterhin genutzt. Der Anbieter ist derzeit im Begriff, den Wasserportsektor als zusätzlichen Absatzmarkt zu erschließen.(2)

Im Unterschied zu satellitenbasierten PLBs übertragen ENOS und GPacer ihren Standort nur an die in Reichweite befindlichen Empfänger. Wie auch bei anderen Systemen muss der Sender an der Oberfläche sein, um zu funktionieren. Die Reichweite ist durch den Horizont und physische Hindernisse wie Inseln und andere Landmassen begrenzt. Andererseits haben solche Systeme den großen Vorteil, dass sie auch im täglichen Normabetrieb als Ergänzung zu DSMBs genutzt werden können.

ENOS und GPacer sind großartige Lösungen für Anbieter, die die Sicherheit ihrer Kunden verbessern möchten. Wenn mehrere Boote im gleichen Revier mit Empfängern ausgestattet sind, kann auf diese Weise ein hervorragendes Sicherheitsnetz erzeugt werden – besonders dann, wenn Anbieter zusammenarbeiten. Die Abhängigkeit von speziellen Empfängern bedeutet jedoch, dass diese Systeme nicht für den Erwerb durch Individuen geeignet sind.

Schlussfolgerungen

Da habt ihr’s: eine Übersicht der Mittel und Wege zu vermeiden, als Inspiration für den nächsten Horrorfilm zu enden. Persönlich finde ich, dass jeder Taucher und jede Taucherin die Grundausstattung stets bei sich haben sollte. Bojen und Lampen kosten nicht viel und nehmen wenig Platz im Gepäck weg. Der Erwerb lohnt sich auch für Menschen, die ansonsten mit Leihausrüstung tauchen.

Welche der ausgefeilteren Optionen am besten geeignet ist, hängt stark von Ort und Umständen des Tauchens ab. Am besten fragt man vor der Reise beim Anbieter vor Ort um Rat.

Gut Luft, und bleibt sicher!

Dank für Informationen zu technischen Details geht an DAN Director of Safety Programs Guy Thomas, sowie an meinen Freund und Tauchpartner Alun Harford.


Fußnoten:

  1. Näherungsrechnung für die Entfernung des Horizonts: Quadratwurzel aus [Höhe über NN in Metern] x 3,6 km
  2. Tech Asia (Tauchbasis auf den Philippinen, mit der ich zusammenarbeite) benutzt GPacer seit mehr als einem Jahr, mit guten Ergebnissen.

Der Autor

Tim Blömeke unterrichtet Tech-Tauchen in Taiwan und auf den Philippinen. Er ist Autor und freier Übersetzer, sowie Mitglied des Redaktionsteams von Alert Diver. Er taucht einen Fathom Mk3 CCR. Im Netz erreicht man ihn über seinen Blog und auf Instagram.

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