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Sollte ich zuerst DAN oder den Rettungsdienst anrufen?

Wen sollte man bei einem Tauchnotfall zuerst benachrichtigen? Der Kontext zählt.

„Wen sollte man bei Verdacht auf Dekompressionserkrankung zuerst anrufen, den Rettungsdienst oder zuerst DAN Europe?“ Diese Frage hört man unter Tauchern häufig, und sie führt oft zu Verwirrung.

Zunächst wollen wir klären, was in diesem Zusammenhang als Tauchunfall gilt: Es handelt sich um ein Ereignis, das ein potenzielles Risiko für Erkrankung oder Tod infolge unzureichender Dekompression mit sich bringt.

Die Dekompressionserkrankung (DCI – Decompression Illness) umfasst zwei wesentlich Krankheitsbilder:

  • Dekompressionskrankheit (DCS – Decompression Sickness): Sie wird im Wesentlichen durch das Vorhandensein von Inertgasen in Blasenform (nicht gelöst) im Gewebe oder Blut ausgelöst.
  • AGE – Arterielle Gasembolie: Zum Beispiel verursacht durch venöse Gasblasen, die in den arteriellen Kreislauf gelangen, oder durch ein Lungenbarotrauma.

Das Risiko einer DCI beim Sport- oder technischen Tauchen sowie bei Arbeiten in hyperbaren Umgebungen hängt eng mit den Tauchbedingungen und der körperlichen Belastung während des Tauchgangs zusammen. Die Häufigkeit liegt bei schätzungsweise 1 Fall pro 10.000 Tauchgängen im Sporttauchen bzw. 9,5 Fällen pro 10.000 Tauchgängen im technischen und Beruflichstauchen (Mitchell 2022).

Die Dunlkelziffer liegt wahrscheinlich recht hoch. Eine beträchtliche Anzahl an Fällen wird nicht gemeldet, wenn sich Taucher selbst behandeln oder Symptome nicht ernst nehmen, keine medizinische Hilfe aufsuchen oder die erhaltene Versorgung nicht korrekt dokumentiert wird.

Die Diagnose von DCI kann schwierig sein, da sich DCI durch viele unterschiedliche Symptome äußern kann. Sie erfordert eine klinische Beurteilung, bei der sowohl die Art des Tauchgangs/derTauchgänge als auch die persönliche Krankengeschichte des Tauchers berücksichtigt werden. Jegliche neue Anzeichen oder Symptom nach einem Tauchgang sollten als „Veracht auf DCI“ behandel;t werden, bis das Gegenteil bewiesen ist.

Zu leichten Symptome zählen ungewöhnliche Müdigkeit und Juckreiz.

Schwerwiegendere Symptome umfassen:

  • Hautausschlag oder fleckige Hautverfärbungen
  • Kribbeln
  • Taubheitsgefühl
  • Schmerzen
  • Schwierigkeiten beim Bewegen oder Urinieren
  • Muskelschwäche
  • Störungen von Bewusstsein, Atmung, Sehvermögen, Hörvermögen, Sprache
  • Übelkeit
  • Schwindelgefühl
  • Wiedereintritt oder Anhalten milder Symptome auch nach 30 Minuten Ersttherapie mit Sauerstofft

Wen sollte man im Falle eines vermuteten Tauchunfalls zuerst kontaktieren?

Antwort: Es hängt von den Symptomen des Tauchers und dem Aufenthaltsort ab.

In Europa gibt es zahlreiche Krankenhäuser mit Druckkammern. Hier DCS zu erleiden ist etwas völlig anderes als in Regionen der Welt ohne rund um die Uhr einsatzbereite hyperbare Notfversorgung.

Bei LEICHTEN SYMPTOMEN: Bitte nicht unterschätzen! In dieser Situation bleibt in der Regel etwas mehr Zeit zum Handeln. Der Rettungsdienst kann verständigt werden, wenn ein Transport zur eimngehenderen Diagnose sinnvoll erscheint. Gleichzeitig sollte die DAN Europe Notfallhotline kontaktiert werden, aus drei Gründen:

  1. Unfallmeldung: Ist der Taucher aktives DAN-Mitglied, kann das Alarmzentrum gemeinsam mit dem Fallmanagement und dem medizinischen Team von DAN eine Fallakte eröffnen und aus der Ferne Unterstützung bieten. Dies kann was äußerst wertvoll sein. Das Zentrum kann lokale Einsatzkräfte, die meist keine Erfahrung mit Tauchmedizin haben, mit DAN-Ärzten in Verbindung bringen, welche auf Tauch- und Überdruckmedizin spezialisiert sind, um Informationen, Strategien und Empfehlungen auszutauschen.
  2. Unfälle in entlegenen Regionen: Mitarbeiter von Tauchbasen oder Bootspersonal werden mit medizinischem Fachpersonal verbunden, das sofortige Empfehlungen geben kann, was nach einem Tauchunfall zu tun – oder zu unterlassen – ist. So setzt das DAN Alarmzentrum lokale Unterstützungsmaßnahmen in Gang.
  3. Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit: Das DAN Alarmzentrum ist 24/7 telefonisch erreichbar – sowohl für aktive (versicherte) DAN-Mitglieder als auch für Nicht-Mitglieder, sowie für Laien und medizinisches Fachpersonal zur Beratung und Diskussion.

Verdacht auf DCI besteht immer dann, wenn die betroffene Person Gerätetauchen betrieben hat (offener oder geschlossener Kreislauf, Sport oder technisch), aber auch beim Freitauchen, insbesondere bei wiederholten oder tiefen Tauchgängen.

Erste Rettungsmaßnahmen werden in der Regel von Tauchpartnern, Ausbildern, Guides oder Oberflächenhelfern durchgeführt. Ideale Bedingungen für das richtige Notfallmanagement sind:

  • Eine gute Ausbildung aller Taucher
  • Sichere Kommunikationsmittel
  • Notfallausrüstung (Sauerstoffeinheit, Erste-Hilfe-Kasten)
  • Ein klarer Notfallplan für anspruchsvolle Tauchgänge, inkl. Telefonnummern der nächstgelegenen Einrichtungen mit Überdruckkammer.

Zusammengefasst: Was tun bei leichten Symptomen?

Eine Person sollte die DAN Europe Hotline kontaktieren, während andere folgende Maßnahmen ergreifen:

  1. neurologischer 5-Minuten-Check

    1. Ask the diver how they feel, where they are, the day and time.

    2. Augenbewegungen durch Hin- und Herbewegen eines Fingers kontolliieren

    3. Den Taucher bitten zu pfeifen, die Zähne zu zeigen oder die Zunge symmetrisch herauszustrecken.

    4. Gleichgewicht und Koordination testen.

  2. Mindestens 30 Minuten lang reinen Sauerstoff verabreichen, mit höchstmöglicher Konzentration (15 l/min), unabhängig vom beim Tauchgang verwendeten Atemgas. Idealerweise über ein Demand- Ventil oder eine Nicht-Wiederatemmaske, sofern der Taucher bei Bewusstsein ist. Auch wenn die Sauerstoffgabe bereits vor dem Anruf bei DAN beginnt, sei daran erinnert: Sauerstoff ist ein Medikament und sollte nach Möglichkeit unter ärztlicher Aufsicht eingesetzt werden.

  3. Den Taucher mit mindestens 1 Liter Wasser innerhalb einer Stunde hydratisieren. Urinausscheidung und andere Symptome überwachen.

  4. Bei Erbrechen oder Bewusstlosigkeit, den Taucher in die stabile Seitenlage bringen.

Im Falle von DCS mit SCHWEREN SYMPTOMEN ist unverzüglich der Rettungsdienst (112 in Europa) zu alarmieren. Der Rettungsdienst übernimmt die Notfallversorgung vor Ort, sendet einen Krankenwagen, führt bei Bedarf eine Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) durch und leitet andere lebensrettende Maßnahmen ein. Anschließend wird das DAN-Team aktiviert und arbeitet mit dem örtlichen Rettungsteam zusammen, um sicherzustellen, dass die diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen korrekt durchgeführt werden. DAN begleitet den Fall und bleibt während der gesamten Behandlungsdauer verfügbar – auch in Bezug auf alle Fragen rund um Kostenübernahmen und Erstattungen.

Aus persönlicher Erfahrung kann ich bestätigen, dass das medizinische Team von DAN oft auch in schweren Fällen wertvolle Hilfe leistet, insbesondere durch telefonische Beratung, Vermittlung und Aufklärung – z. B. Unterstützung von medizinischem Personal vor Ort, das mit Tauchmedizin nicht vertraut ist und eine tauchbedingte Pathologie möglicherweise nicht korrekt diagnostizieren würde.

Bei schweren Symptomen gilt: Während eine Person den Notruf wählt und klar und deutlich einen Tauchunfall spricht, sollten andere:

  • Bei Bedarf sofort mit der Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW) beginnen.
  • 100% Sauerstoff mit 15 l/min über Beatmungsbeutel und Maske verabreichen. Wie bereits erwähnt, ist Sauerstoff ein Medikament und sollte unter fachkundiger Aufsicht verwendet werden.*
  • Die DAN Europe Notfall-Hotline anrufen.

Wichtig: DAN kann in keinem Fall ein vollständig ausgestattetes Erste-Hilfe-Zentrum oder eine nahegelegene Klinik ersetzen – Orte, an denen im Idealfall alles zu 100% funktioniert.

„DAN oder Rettungsdienst – wer ist besser?“

Im Idealfall arbeiten beide Stellen synergetisch zusammen. Manchmal wird nur der Rettungsdienst alarmiert – was durchaus zu einer erfolgreichen Intervention führen kann. In anderen Fällen wird DAN von medizinischem Fachpersonal des öffentlichen Gesundheitswesens kontaktiert, um eine spezialisierte Beratung zum weiteren Vorgehen zu erhalten – oder sogar direkt vom verunfallten Taucher, nachdem dieser zuerst den Notruf gewählt hat.

Es geht nicht darum, wer „besser“ ist, sondern darum, den Kontext zu verstehen und die Reaktion an die jeweilige Situation anzupassen.


*Wenn ein Arzt – idealerweise ein Spezialist für Unterwasser- und Überdruckmedizin – nicht vor Ort ist, kann unter Aufsicht auch aus der Ferne Hilfe geleistet werden. Unser Ansatz ist, dass Ersthelfer, die keine Ärzte sind, aber in DAN-Erste-Hilfe-Kursen entsprechend ausgebildet und zertifiziert wurden, sofort eingreifen können, um Tauchern in Schwierigkeiten Sauerstoff zu verabreichen. In solchen Fällen leistet unser Team aus erfahrenen Ärzten Fernunterstützung, um eine wirksame und sichere Hilfe zu gewährleisten.


Literatur:

Mitchell SJ, Bennett MH, Moon RE. Decompression Sickness and Arterial Gas Embolism. N Engl J Med. 2022; 386(13):1254-54.


Über den Autor

Lara Lambiase ist Ärztin mit Spezialisierung auf Infektionskrankheiten sowie Tauch- und Überdruckmedizin. Seit 2016 ist sie begeisterte Geräte- und Apnoetaucherin – eine Leidenschaft, die aus einer tief verwurzelten Angst vor dem Meer entstanden ist. Während eines Urlaubs auf den Malediven fasste sie den Entschluss, ihre Angst zu überwinden, die sie jahrelang sogar daran gehindert hatte, im offenen Wasser zu schwimmen. Seitdem ist das Meer ein unverzichtbarer Teil ihres Lebens geworden.

Der Übersetzer

Tim Blömeke unterrichtet Tech- und Sporttauchen in Taiwan und auf den Philippinen. Er ist Autor und freier Übersetzer, sowie Mitglied des Redaktionsteams von Alert Diver. Er taucht einen Fathom CCR. Im Netz erreicht man ihn über seinen Blog und auf Instagram.

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