Deko kommt vor
Erinnern Sie sich an den Bestseller von Harold Kushner aus den 80er Jahren, ‚Wenn guten Menschen Böses widerfährt‘? In diesem interessanten Buch untersuchte er, warum gewöhnliche Leute – wir selbst und die Menschen, die uns umgeben – eine übermäßige Last an Kummer und Schmerz zu ertragen haben sollten. Kushner, ein Rabbi, untersuchte Begebenheiten, in denen ‚weder besonders gute noch besonders schlechte‘ Mitmenschen sich großen Herausforderungen in ihrem Leben gegenübersahen. Wir hören oft von Tauchern, die Grenzen überschreiten oder Gegebenheiten falsch einschätzen; beides gute Voraussetzungen für einen Tauchunfall, und sie erleiden möglicherweise tatsächlich eine ‚Deko‘ oder eine Dekompressionserkrankung.
Bei einer anderen Gelegenheit fragen wir uns hingegen, warum ein bestimmter Taucher überhaupt eine tauchbedingte Verletzung davontrug. Vor dem Hintergrund seiner Erfahrung, seines Könnens oder den Details eines konkreten Tauchgangs oder einer Reihe von Tauchgängen mag es unverständlich erscheinen, warum es zu der Verletzung kam.
Die Wahrscheinlichkeit, eine tauchbedingte Verletzung davonzutragen, mag gering sein. Dennoch gibt es Risiken,die das Gerätetauchen nun einmal mit sich bringt und die alle Taucher berücksichtigen müssen (s. ‚Nichts als die Wahrheit – welche Risiken das Gerätetauchen mit sich bringt‘ in Ausgabe III, 2008). Und das macht schließlich aus, ob jemand ein verantwortungsvoller Taucher ist: diese Risiken durch Weiterbildung und Training zu reduzieren, Tauchgänge richtig planen, sich an die anerkannten Richtlinien für Taucher halten und die Tauchausrüstung sachgemäß zu verwenden. Nicht nur die Taucher mit fast keiner Erfahrung oder die, deren Fähigkeiten erst einmal aufgefrischt werden müssten, bzw. die, die unter Wasser falsche Entscheidungen treffen, erleiden tauchbedingte Verletzungen. Manchmal passieren die Missgeschicke auch erfahrenen Tauchern, die sich an die Regeln halten.
Anfälligkeit für Verletzungen
Überlegen Sie einmal: Wer wird eher eine tauchbedingte Verletzung erleiden – der unerfahrene oder der erfahrene Taucher? Im ‚2004 Report on Decompression Illness, Diving Fatalities andProject Dive Exploration‘ [Tauchunfallstatistik aus dem Jahr 2004] wurde resümiert, dass "40 Prozent der im Jahr 2000 verletzten Männer und 50 Prozent der verletzten Frauen weniger als 20 Tauchgänge in den zurückliegenden 12 Monaten unternommen hatten." Einige von Ihnen werden einwenden, dass unerfahrene Taucher, insbesondere die, die zuletzt nur wenig tauchen waren, ein höheres Risiko für Verletzungen aufweisen: Sie hätten nicht genügend Zeit, um ihre Fähigkeiten aufzubauen oder aufzufrischen, oder nicht genügend Selbstvertrauen, um mit anderen als idealen Tauchbedingungen zurechtzukommen.
Jede Änderung dieser Bedingungen kann den Neuling zu Fehlern treiben, kann ein kleines Ärgernis, wie eine permanent undichte Maske, zu einer weit ernsteren Situation werden lassen. Generell sind erfahrene Taucher besser auf den Umgang mit derartigen Vorkommnissen während eines Tauchgangs vorbereitet. Laut dem Report aus dem Jahr 2004 hatten etwa 22 Prozent der verletzten Männer und 10 Prozent der verletzten Frauen "mehr als 80 Tauchgänge innerhalb der vorangegangenen 12 Monate" unternommen; bei 12 Prozent der verletzten Männer und 4 Prozent der verletzten Frauen waren es "mehr als 120 Tauchgänge im vorangegangenen Jahreszeitraum".
Andere würden einwenden, dass erfahrene Taucher gefährdeter seien, weil sie ein aggressiveres Tauchverhalten an den Tag legen würden; sie missachteten eher Grenzwerte hinsichtlich Tauchtiefe oder Tauchzeit, oder beides zugleich. Sie würden annehmen, diese Taucher seien so erfahren und verfügten über so viel Selbstvertrauen, dass sie von sich glaubten, ‚alles im Griff zu haben, was auch immer passieren mag‘. Der Report belegt weiterhin, dass unter den Betroffenen mit DCS-Verletzungen des Typs I – Juckreiz, Hautausschlag, Gelenk- oder Muskelschmerzen – 34 Prozent zertifizierte Taucher auf Anfängerniveau waren, 36 Prozent waren fortgeschrittene Taucher, 11 Prozent Ausbilder, 9 Prozent waren in Spezialkursen ausgebildet, und 5 Prozent waren ausgebildete ‚Tech Diver‘.
DAN’s Datenbank zu tauchbedingten Verletzungen beruht auf freiwilligen Meldungen und Aufzeichnungen. Die darin enthaltenen Daten sind deshalb nicht komplett und umfassend genug, um Aussagen über die Gesamtheit aller Taucher treffen zu können. Die Datenlage kann aber durchaus aufzeigen, dass Verletzungen auf allen Ausbildungs- und Erfahrungsstufen vorkommen. Taucher mit einer größeren Erfahrung sind vermutlich weniger gefährdet, aber es besteht trotzdem ein gewisses Risiko. Tauchen ist eine relativ sichere Freizeitaktivität, aber kein Taucher kann sich sicher sein, keinesfalls eine Verletzung zu erleiden. Ein verantwortungsvolles taucherisches Verhalten – langsame Aufstiege, Sicherheitsstopps, Tauchen nur mit Partner, ausreichend lange Oberflächenpausen, und, vielleicht am wichtigsten, keine Überschreitung von Tiefen- oder Zeitlimits – kann dazu beitragen, die Risiken weiter zu senken.
Dem Tauchcomputer hörig
Heutzutage müssen Sie nicht HTML-Code schreiben können, um einen Computer zu nutzen. Computer zuhause und auch im geschäftlichen Bereich machen immer mehr wirklich das, was wir von ihnen wollen, und sie werden immer schneller und leistungsstärker. Selbst absolute Computerama teure finden, dass die heutigen Systeme intuitiver und einfacher zu bedienen sind. Im Laufe der letzten 10 Jahre konnten sich Taucher darüber freuen, dass immer mehr erschwingliche Tauchcomputer auf den Markt kamen. Und immer mehr Taucher begeistern sich für die handlichen Geräte, mit denen sie ihre Tauchgänge besser verfolgen und nachvollziehen können. Diese einfache Handhabung kann aber auch zu einer gewissen Bequemlichkeit in der Tauchgangsplanung führen: Man nimmt einfach an, dass "der Tauchcomputer schon alle wichtigen Details erfassen und berücksichtigen wird". Tauchcomputer sollten aber nur in Verbindung mit einer vorherigen Tauchgangsplanung, mit vorher geplanten Tauchprofilen verwendet werden. Halten Sie sich also weiterhin an den alten Grundsatz "Plane Deinen Tauchgang und tauche nach Deinem Plan".
Taucher, die mit Computer tauchen, sollten auch weiterhin mit der Verwendung von Tauchtabellen vertraut sein. Tabellen sollten nicht nur bei der vorherigen Tauchgangsplanung verwendet werden, sie sind auch unentbehrlich, wenn der Computer ausfällt. Computer können wie jeder andere Ausrüstungsgegenstand ausfallen, und eine solche Sicherheitsreserve und Fähigkeit zur Selbsthilfe kann verhindern, dass aus einem Problem ein Tauchunfall wird. Machen Sie sich mit der Bedienungsanleitung des Hersteller vertraut, bevor Sie mit einem Computer tauchen gehen. Überzeugen Sie sich, dass Sie den Computer sachgemäß verwenden und alle sinnvollen Features auch wirklich nutzen. Unter Umständen macht es Sinn, einen speziellen Kurs zu absolvieren. Der wesentliche Vorteil eines Tauchcomputers besteht darin, dem Taucher mehr Informationen über jeden einzelnen Tauchgang zu vermitteln. Abschließend lässt sich sagen, dass diese Geräte die Sicherheit erhöhen können, wenn sie sachgemäß verwendet werden.
Die Bedeutung des frühzeitigen Erkennens
Dekompressionserkrankungen (DCI), Dekompressionskrankheit (DCS) und Arterielle Gasembolie (AGE) sind Begriffe, die Tauchern Angst einflößen (Definitionen im separaten Textkasten). Da die Anzeichen und Symptome oft nur schwach ausgeprägt sind, kann man sie leicht ignorieren, und genau das geschieht auch häufig. Interessanterweise rufen Taucher DAN nicht an, weil sie Symptome einer DCS haben, sondern weil diese Symptome einfach nicht verschwinden.
Ein Fallbeispiel zum Nachdenken Am letzten Tag einer Woche voller Tauchgänge unternahmen die beiden Tauchpartner drei recht tiefe Tauchgänge. Der erste war 30 Minuten lang und führte auf 29 Meter, gefolgt von einer 90-minütigen Oberflächenpause. Danach unternahmen sie einen 36 Minuten dauernden Tauchgang auf 27 Meter. Nach drei Stunden Oberflächenpause folgte der letzte Tauchgang, 49 Minuten lang und auf maximal 24 Meter.
Noch am gleichen Abend verspürte einer der Taucher zuerst einen stechenden Schmerz in rechter Hand und rechtem Daumen, dann Schmerzen in den Muskeln des rechten Unterarms und der rechten Schulter. Er dachte, es wären einfach überanstrengte Muskeln nach einer langen Tauchwoche und entschied sich, niemandem davon zu erzählen. Am nächsten Morgen waren alle Symptome abgeklungen, und der Taucher war sich nun sicher, dass es keine DCI gewesen sein konnte. Zwei Tage später flog der Taucher nach Hause zurück. Während des ersten Fluges kehrten alle Symptome zurück. Während des Anschlussfluges verstärkten sich die Symptome weiter. Als die Symptome zwei Tage später immer noch anhielten, rief er schließlich DAN an. Gegen den Strom schwimmen oder leugnen An diesem Beispiel wird deutlich, wie Taucher versuchen könnten, die Möglichkeit vom Tisch zu wischen, dass sie eventuell eine tauchbedingte Verletzung davongetragen haben. Ein Taucher könnte eine der folgenden Rechtfertigungen vorbringen, um die Verdachtsmomente zu erklären:
- "Ich habe zu viele Tauchflaschen hochheben müssen."
- "Vielleicht klingt es ja bald wieder ab."
- "Macht Euch nicht so viele Gedanken."
Taucher könnten aus mehreren Gründen zögern, anderen von den Symptomen zu erzählen: Sie erscheinen vielleicht einfach zu unbedeutend, um eine Tauchausfahrt oder –reise zu ruinieren. Vielleicht ist einem die ganze Sache peinlich, vielleicht macht sich jemand Sorgen über die Kosten des Abtransports und der Behandlung, vielleicht kommt die Angst auf, niemals wieder tauchen zu können – all diese Gedanken könnten jemanden daran hindern, sich in medizinische Behandlung zu begeben. 14 Prozent der Taucher aus den verzeichneten Fällen des ‚2004 Report on Decompression Illness, Diving Fatalities and Project Dive Exploration‘ gaben an, dass sie bereits vor ihrem letzten Tauchgang Anfangssymptome registriert hatten. "Das zeigt, dass der Taucher sich entweder wissentlich mit DCS-Symptomen erneut ins Wasser begeben hat oder die Symptome nicht als solche erkannte, bevor er erneut abtauchte", heißt es im Report.
Das Leugnen der Symptome ist der häufigste Grund für Verzögerungen, bevor Hilfe angefordert wird. Diese Verzögerungen können eine vollständige Genesung erschweren. Es ist wichtig, dass Taucher sich unverzüglich in Behandlung begeben, wenn sie selbst oder Tauchgangsleiter es für möglich halten, dass eine tauchbedingte Verletzung vorliegt. Das fängt damit an, dass man noch vor Ort Sauerstoff verabreicht und eine neurologische Beurteilung des Tauchers vornimmt. Erkundigen Sie sich bei Ihrem DAN Trainer oder Instructor nach entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten. Bei annähernd zwei Dritteln aller DCI-Fälle wird auch das zentrale Nervensystem betroffen. Leichte Symptome könnten unerkannt bleiben oder als nicht tauchbedingt abgetan werden. Mit einer neurologischen Beurteilung des Tauchers vor Ort kann man recht verlässlich die Dringlichkeit eines Tauchnotfalls ermessen. Falls der Taucher Symptome abstreiten sollte, könnte sie dem Taucher vor Augen führen, dass tatsächlich ein Problem vorliegt und dazu beitragen, ihn von der Notwendigkeit von Erste-Hilfe-Maßnahmen zu überzeugen, z. B. Sauerstoff zu atmen.
Der ‚Makel‘, eine Deko abbekommen zu haben, erzeugt beim Taucher das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Es wäre aber durchaus möglich, dass er alles richtig gemacht, aber trotzdem eine DCI erlitten hat. Taucher müssen damit aufhören, sich schuldig zu fühlen, wenn sie eine tauchbedingte Verletzung ereilt. Ein altes Sprichwort erinnert uns daran, dass "die Einsicht (möglicherweise ein Problem zu haben) der erste Schritt zur Besserung ist". Achten Sie gut auf sich, und zögern Sie nicht, Hilfe anzufordern.
Mögliche Diagnosen voneinander unterscheiden
Dekompressionerkrankungen (DCI)
Dieser Oberbegriff umfasst sowohl die Dekompressionskrankheit als auch die Arterielle Gasembolie. ‚DCI‘ wird allgemein verwendet, um alle von Änderungen des Umgebungsdrucks hervorgerufenen Krankheitserscheinungen zu beschreiben. Seine Verwendung ist u. a. dadurch gerechtfertigt, dass die Symptome von DCS und AGE ähnlich ausfallen können.
Dekompressionskrankheit (DCS)
DCS ist eine Erkrankung, die entsteht, wenn die gesamte in den Körpergeweben eines Tauchers gelöste Gasspannung größer ist als der hydrostatische Umgebungsdruck und sich daraufhin Gasblasen bilden. Zu den möglichen Symptomen gehören Juckreiz, Hautausschlag, Schmerzen in Gelenken oder Muskeln, oder veränderte Sinneswahrnehmungen, z. B. Taubheit und Kribbeln. Schwerere Symptome sind z. B. Schwäche– oder Lähmungserscheinungen bzw. Störungen komplexer Hirnfunktionen, u. a. Gedächtnisprobleme oder Wesensänderungen. DCS kann zum Tode führen, aber das geschieht heutzutage sehr selten*. Man unterscheidet DCS Typ I und DCS Typ II.
DCS Typ I (DCS I, DCS im Muskel-Skelett-System)
Bei dieser Kategorie von Dekompressionskrankheit haben die Symptome keinen neurologischen Hintergrund, z. B. Juckreiz, Hautausschlag, Gelenk– oder Muskelschmerzen.
DCS Typ II (DCS II, Neurologische DCS)
Man spricht von dieser Kategorie Dekompressionskrankheit, sobald es irgendwelche Symptome gibt, die das Nervensystem oder das Herz-Kreislauf-System betreffen.
Arterielle Gasembolie (AGE)
Man spricht von einer AGE, wenn Luft in den arteriellen Kreislauf eingedrungen ist. Bei Tauchern kann dies durch einen plötzlichen Abfall des Umgebungsdrucks ausgelöst werden, wie beim schnellen Aufstieg ohne Ausatmung, bei dem es zu einer Lungenüberdehnung und einem pulmonalen Barotrauma kommen kann. Das am häufigsten betroffene Organ ist das Gehirn, und es können sich nach dem Auftauchen schnell (in weniger als 15 Minuten) schlaganfallähnliche Anzeichen und Symptome einstellen.
* Unter den Caisson-Arbeitern des 19. Jahrhunderts, die beim Brückenbau eingesetzt wurden und in große Tiefen hinabstiegen, gab es beispielsweise viele Todesfälle.