Den Druck ablassen

Sie haben soeben den letzten Tauchgang heute beendet, und als Sie Ihre Ausrüstung zusammenpacken, verspüren Sie einen stechenden Schmerz in der Schulter. Sie erinnern sich, dass die See etwas rau war und Sie einige Probleme hatten, die Leiter hinaufzusteigen, und Sie verbuchen es als Muskelkrampf. Zu diesem Zeitpunkt haben Sie die ‚erste Phase‘ einer Dekompressionserkrankung (DCI) durchlaufen – Leugnen. Später am Abend, nach einer heißen Dusche, einem entspannenden Abendessen und einem Stopp an der Bar, stellen Sie fest, dass sich diese Beschwerde zu einem richtigen Schmerz entwickelt hat. Ihr Tauchpartner empfiehlt Ihnen, die Notfall-Hotline von DAN anzurufen – nur, um sicherzugehen, sagt er – denn Sie sind ja beide seit Langem DAN-Mitglieder.

Guter Rat. Und was dann?
DAN anrufen

Sie heben den Hörer ab und rufen an. Nachdem Sie dem spezialisierten Telefonvermittler von DAN die Situation erklärt haben, erfahren Sie, dass Ihre Schmerzen ein Anzeichen für die Dekompressionskrankheit (DCS) sein könnten und das es gut wäre, wenn eine umfassende neurologische Beurteilung durchgeführt werden könnte. Sie reagieren verwirrt.
‚Eine umfassende neurologische Was bitte? Ich kann doch wohl keine Deko haben – ich bin innerhalb der Grenzwerte meines Tauchcomputers geblieben,‘ denken Sie. Vielleicht fragen Sie sich, ‚und wie lange dauert eine solche Behandlung?‘ Beim Rekapitulieren zahlreicher Tauchunfälle war einer der Kommentare von Tauchern, die eine DCS erlitten hatten, dass sie keine Ahnung davon hätten, was sie nun erwarten würde, nachdem sie in der Druckkammereinrichtung eingetroffen waren.
Untersucht werden Genau wie bei anderen Gesundheitsproblemen haben Sie auch bei tauchbedingten Erkrankungen die besten Heilungschancen, wenn Sie sich unverzüglich untersuchen und behandeln lassen. Nachteil ist, dass Ihnen beim schnellen Handeln wenig Zeit zu einer Vorausplanung bleibt. Wenngleich tauchbedingte Verletzungen selten sind, kann es sinnvoll sein zu wissen was geschehen wird, wenn jemand wegen einer DCS behandelt werden muss; dies kann helfen, die Ängste klein zu halten, die natürlicherweise in solchen Situationen auftreten werden.
Der untersuchende Arzt (in der nächstgelegenen Notaufnahme oder Druckkammereinrichtung) wird die Eingangsuntersuchung damit beginnen, dass er die chronologische Abfolge der Ereignisse und die individuelle gesundheitliche Vorgeschichte aufnimmt. Sie werden Fragen zum aktuellen Ablauf der letzten Tauchgänge beantworten müssen: Anzahl der Tauchgänge, Tiefen, Grundzeiten, Oberflächenpausen und Zeitpunkte, zu denen Sie jeweils das Wasser verlassen haben.
Ihr Tauchprofil ist zwar kein Faktor für die Festlegung Ihrer Behandlung, kann aber dennoch hilfreiche Informationen für eine mögliche Diagnose liefern. Halten Sie Ihren Tauchcomputer bereit, um Einzelheiten abrufen oder diese später auf einen PC übertragen zu können. Sie werden Ihre Symptome beschreiben müssen: Haben Sie Schmerzen? An einer bestimmten Stelle? Können Sie einmal darauf zeigen? Gibt es Bereiche, die sich taub anfühlen oder kribbeln? Sind Sie irgendwie erschöpft, oder leiden Sie an Drehschwindel?
Wann verspürten Sie die Symptome erstmalig: vor, während oder nach dem Tauchgang?
Haben Symptome zugenommen, abgenommen oder gab es andere Veränderungen, seit Sie diese erstmals verspürten?
Der Arzt wird Ihnen auch Fragen zu Ihrer medizinischen Vorgeschichte stellen: Hatten Sie schon einmal eine DCS, Operationen, Muskel-Skelett-Verletzungen? Welche Medikamente nehmen Sie zurzeit ein, oder haben Sie Allergien?
Nach der Erstuntersuchung durchlaufen Sie eine umfassende neurologische Untersuchung. Diese Überprüfung liefert eine Grundlinie, einen Ausgangspunkt für die Beurteilung der tauchbedingten Verletzung. Während der neurologischen Untersuchung werden Ihr geistiger Zustand, Ihre Koordination und die Funktion Ihrer Hirnnerven getestet. Außerdem werden Körperkraft, Reflexe und ein möglicher Verlust von Sinnesfunktionen überprüft. Sie wurden nun also herumgestoßen, geschubst und geschoben und mussten vor und zurück quer durch den Raum gehen. Der Arzt hat festgestellt, dass die Vorgeschichte und die Symptome zu einer Dekompressionskrankheit passen. Sie benötigen eine hyperbare Behandlung in einer Druckkammer.

Behandlungs-Tabellen
Die für die Behandlung in den USA und in vielen weiteren Staaten gültigen Standards folgen Vorgehensweisen, die von der U.S. Navy entwickelt wurden. Wie im U.S. Navy Diving Manual [Taucherhandbuch der U.S. Navy] beschrieben, ist eine Druckkammerbehandlung erforderlich, um drei Dinge zu bewerkstelligen:

  1. Gasblasen auf ein kleineres Volumen zu komprimieren, um damit lokal den Druck abzubauen und die Blutversorgung zu reaktivieren,
  2. der Resorption von Gasblasen genügend Zeit zu verschaffen, und
  3. den Sauerstoffgehalt des Blutes und damit die Sauerstoffversorgung zu den Geweben zu erhöhen.

Die Vorgehensweisen der Navy für Behandlungen basieren auf einer Unterscheidung der Dekompressionskrankheit in DCS Typ I oder DCS Typ II. DCS Typ I bedeutet, dass man Schmerzen in Gelenken und/oder Muskeln hat. Bei DCS Typ II oder auch neurologischer DCS hat man Taubheit, Prickeln und Muskelschwäche oder Blasenprobleme. Bei Symptomen im Bereich von Herz/Kreislauf oder Lunge kann es auch zu Schmerzen in der Brust und zu Reizhusten kommen. Die Symptome der DCS Typ II können leicht, aber auch schwer bis hin zu lebensbedrohlich ausfallen. Die Verfahrensweisen für die Erstbehandlung bei einer Dekompressionskrankheit wurden von der U.S. Navy festgelegt. Dies sind die Behandlungen nach Tabelle 5 und Tabelle 6, sie wurden 1965 entwickelt. Jede Behandlungstabelle besteht aus einer Basisbehandlung, mit der Möglichkeit von Erweiterungen, falls die Symptome dies erfordern. Laut der DAN-Statistik, die in den Jahren 1998 bis 2000 erhoben wurden, wurde für drei Viertel der anfallenden Verletzungen eine Behandlung nach Tabelle 6 gewählt, was in etwa auch für die Daten der vergangenen 11 Jahre zutrifft.
Eine Behandlung nach Tabelle 6 dauert mindestens 4 Stunden und 45 Minuten und wird immer angewendet, sofern Sauerstoff verfügbar ist; denn die Atmung von Sauerstoff unter Druck in einer Kammer beschleunigt die Auswaschung von Stickstoff aus den Geweben. Die Behandlungszeit kann entsprechend der Schwere der Symptome auf bis zu acht Stunden ausgedehnt werden. Während dieser Behandlung atmen Sie in der Kammer 100 Prozent Sauerstoff und wechseln zeitweise auf die Atmung von Luft, indem sie eine Maske aufsetzen. Oder Sie tragen eine transparente Haube, die Ihren Kopf umschließt und mit einer hohen Gasflussmenge Sauerstoff versorgt wird. Der Druckkammer-Begleiter und der diensthabender Arzt legen oft Pausen in der Sauerstoffatmung ein,während derer sie die Luft in der Kammer atmen. Hierdurch wird das Risiko einer Sauerstoffintoleranz (die selten auftritt) gemindert. Sie können während dieser ‚Air Breaks‘ essen und trinken.
Eine Behandlung nach Tabelle 6 beginnt mit einem ‚Abstieg‘, also einer Erhöhung des Drucks in der Kammer auf einen Druck entsprechend 18 msw (Meter Seewasser). Nach der festgelegten Zeitspanne wird man auf einen Druck entsprechend einer Tiefe von 9 msw gebracht, und zwar mit einer ‚Aufstiegsgeschwindigkeit‘ von 0,3 Metern pro Minute. Den größten Teil der Behandlung verbringt man auf einer Tiefe von 9 msw. Danach wird man zurück auf Oberflächendruck gebracht, und zwar wieder mit 0,3 Metern pro Minute. Wenn Symptome fortbestehen, können Folgebehandlungen durchgeführt werden, die in der Regel von kürzerer Dauer sind.
Bei einer Behandlung nach Tabelle 5 wird man auf einen Druck entsprechend 18 msw gebracht. In dieser ‚Tiefe‘ atmet man zweimal zwanzig Minuten lang Sauerstoff, unterbrochen von einer Pause von 5 Minuten, während der man Luft atmet. Die Behandlung nach Tabelle 5 wird allgemein zur Therapie von DCS mit ausschließlich Schmerzen angewendet.
Ausführungen von Druckkammern So wie es unterschiedliche Behandlungsformen gibt, existieren auch verschiedene.

Typen von Druckkammern
Druckkammern werden im Wesentlichen in zwei Kategorien unterschieden. In den USA sind überwiegend Einplatzkammern vorhanden, die im Wesentlichen aus einer transparenten Röhre von 1 m Durchmesser und 2 m Länge besteht und in der ein einzelner Patient behandelt werden kann.
In einer Einplatzkammer muss der Patient während der gesamten Behandlung liegen und kann sich nur begrenzt bewegen. Während der Behandlung ist der Patient allein in der Kammer – der betreuende Kammertechniker bleibt außen neben der Röhre. Die Besonderheit der Einplatzkammer ist, dass die gesamte Kammer während der Rekompression mit annähernd 100 Prozent Sauerstoff gefüllt ist und eine Maske für die ‚Air Breaks‘ verwendet wird.
Die zweite Kategorie Druckkammer ist die Mehrplatzkammer. Sie ist weit größer, besteht aus Stahl oder Aluminium und kann mehrere Patienten und einen Druckkammer-Begleiter aufnehmen. Mehrplatzkammern bestehen aus zwei oder mehr Abteilen, die unabhängig voneinander unter Druck gesetzt werden können, damit Personen die Kammer betreten und wieder verlassen können, während der Patient auf der erforderlichen ‚Tiefe‘ verbleibt. Die Größe reicht von 1,2 Metern Durchmesser bis hin zu einem großen Raum.
Gleich welche Art von Druckkammereinrichtung bei Ihrem Tauchunfall eingesetzt wird, bedenken Sie, dass Zeit immer von entscheidender Bedeutung ist. Die Wirksamkeit der Behandlung nimmt umso mehr ab, je länger die Zeitspanne zwischen dem ersten Auftreten der Symptome und der Erstbehandlung ausfällt. Wenn Sie sich nicht sicher sind, sollten Sie DAN anrufen; wir können Sie auf den Weg zur Besserung bringen.
Wenngleich jede Druckkammereinrichtung sich in der Arbeitsweise unterscheiden mag, so haben Sie nun doch eine Vorstellung davon bekommen, was Sie erwartet, wenn Sie einen Tauchunfall erleiden sollten. Wir hoffen, dass wir Ihnen oder einem Tauchpartner die Ängste vor einer eventuellen neurologischen Untersuchung wenigstens teilweise nehmen konnten.
Ach ja, und einige der größeren Druckkammern verfügen auch über eine Toilette.

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