Die Auswirkungen des Tauchens auf das Gehirn (Teil 1)

Die Frage, ob Tauchen schädliche langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann, taucht zwar immer mal wieder auf, ist bis jetzt aber unbeantwortet geblieben. Mögliche neurologische Probleme aufgrund akuter Tauchverletzungen sind unbestritten. Einige Studien haben jedoch auch Verletzungen im zentralen Nervensystem von Tauchern nachgewiesen, die bislang keine Dekompressionskrankheit (DCS) in ihrer Krankengeschichte aufweisen. Diese subklinischen Läsionen oder "weißen Flecken" im Gehirn werden mittels Kernspintomographie (MRT) festgestellt, einer Untersuchungsmethode, die Veränderungen im Gehirn sehr genau aufzeigt. Weder ist klar, ob sie bei Tauchern häufiger vorkommen als bei Nicht-Tauchern, noch ist sicher, dass ihr Auftreten irgendeine Relevanz hat.

Bei manchen Studien wiesen Messungen der neurologischen Funktionen von Tauchern auch abnormale Ergebnisse auf. Zu den Messungen gehörten neuropsychologische Untersuchungen wie Erinnerungs- und Konzentrationstests, Elektroenzephalogramme (EEG), die die elektrischen Aktivitäten des Gehirns ermitteln, und Einzelphotonen-Emissionscomputertomographien (SPECT), die den Blutfluss im Gehirn messen. Bei der Genfer “Memory Dive”-Studie (Slosman DO et al., 2004) wurden die Reduzierung des zerebralen Blutflusses und die neuropsychologische Leistung mit einer hohen Tauchfrequenz (über 100 Tauchgänge pro Jahr), der Tauchtiefe (tiefer als 40 m) und der Tauchumgebung (kaltes Wasser) in Zusammenhang gebracht.

Es ist schwierig einen kausalen Zusammenhang zum Tauchen herzustellen und die pathologischen Mechanismen der Hirnläsionen zu identifizieren. Faktoren wie Alter, Kopfverletzungen in der Vergangenheit, Alkoholkonsum, Migräne, Rauchen, Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte, Infektionen und ein persistierendes Foramen ovale (PFO) scheinen mit diesen Ergebnissen zusammenzuhängen. Oft wandern Bläschen durch Herzkammern und führen bei der Darstellung mittels Ultraschall zu keinerlei Symptomen. Diese "stillen Blasen" könnten die subklinischen Läsionen verursachen.

Einige Studien haben sich auf den möglichen Einfluss konzentriert, den ein PFO haben kann, d.h. eine unterschiedlich große Öffnung zwischen dem rechten und linken Vorhof des Herzens, die bei rund 25 Prozent der Bevölkerung auftritt. Blasen, die sich aufgrund von Dekompressionsstress bilden, könnten theoretisch vom großen Blutkreislauf zum Herz, durch das PFO von der rechten zu linken Seite und dann in den arteriellen Blutkreislauf und möglicherweise ins Gehirn wandern. Dieser Mechanismus imitiert eine paradoxe Embolie, bei der ein Blutklümpchen aus einer tiefen Vene durch ein PFO wandert, im Gehirn landet und dort einen Schlaganfall auslöst. Obwohl das Auftreten eines PFOs als ein Risikofaktor für Hirnläsionen gilt, ist ein kausaler Zusammenhang zwischen PFOs und stillen Verletzungen bislang noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen worden.

Weitere Nachweise zeigen auch Auswirkungen auf die zentralen Nervensysteme von Apnoe-Tauchern. Akute Schlaganfall-ähnliche Verletzungen bei Apnoe-Tauchern sind gut dokumentiert. Eine schwedische Studie zeigte, dass ein langes freiwilliges Anhalten des Atems auch ohne akute Verletzungssymptome vorübergehend das Niveau des Markerproteins für Hirnverletzungen erhöhen kann (Andersson JP et al., 2009). Die Forscher vermuteten, dass starker Sauerstoffmangel mit der Zeit zu neurologischen Schäden führen kann. Das Risiko asymptomatischer neurologischer Vorfälle und ihrer möglichen Langzeitwirkungen bei Tauchern ist nach wie vor ungeklärt. Wir fragen die Experten.

Welche Nachweise gibt es, falls überhaupt, für Hirnläsionen bei Tauchern ohne DCS-Vergangenheit?

Richard Moon: Einige Studien stellten mittels MRT bei Tauchern mehr Hirnläsionen fest als bei Nicht-Tauchern. Bislang wurde noch kein Zusammenhang zwischen der Anzahl der Läsionen und der Anzahl der Tauchgänge festgestellt. Das deutet daraufhin, dass die Läsionen nicht mit dem Tauchen selbst in Verbindung stehen.

Günalp Uzun: Studien der letzten 20 Jahre, die darauf abzielten, Licht in die vermutete Wechselbeziehung zwischen Tauchen und Hirnläsionen zu bringen, brachten widersprüchliche Ergebnisse hervor. Aufgrund der methodologischen Unterschiede der Studien, ist es nicht möglich, die Daten zusammenzufassen und einen eindeutigen Schluss aus ihnen zu ziehen. Bei symptomlosen Militärtauchern fanden wir ein höheres Auftreten von White-Matter-Läsionen als bei nichttauchenden Kontrollpersonen (Erdem et al., 2009). Dies entspricht den Ergebnissen älterer Berichte. Eine positive Wechselwirkung bedeutet jedoch nicht immer, dass auch ein kausaler Zusammenhang besteht. Die meisten dieser Studien (einschließlich unserer) haben keinen bedeutenden Zusammenhang zwischen White-Matter-Läsionen und Tauchindizes festgestellt. Auch wenn Taucher eine größere Anzahl an White-Matter-Läsionen hatten, so konnten doch bislang deren klinische Relevanz und der Zusammenhang mit neuropsychologischen Symptomen noch nicht klar definiert werden.

Kay Tetzlaff: Es gibt Unmengen an Studien, die mittels MRT verschiedene Tauchkohorten untersucht haben, und viele von ihnen berichten von Zusammenhängen zwischen Tauchbelastungsparametern und dem Auftreten von Hirnläsionen beim MRT. Keine konnte jedoch tatsächlich eine Kausalbeziehung nachweisen. Eine grundsätzliche Schwachstelle im Studiendesign ist bisher das mögliche Selektionsbias gewesen, d.h. bei den ausgewählten Tauchern waren möglicherweise bereits vorher schon Läsionen vorhanden. Tatsächlich konnten die Studien eine Hypothese nicht widerlegen: nämlich, dass die Entscheidung mit dem Tauchen anzufangen bereits das erste Anzeichen für einen Hirnschaden sein könnte. Ein Weg, das Bias (d.h. die Verzerrung der Studie) zu reduzieren, wäre die Langzeitbegleitung einer Taucherkohorte von Beginn ihrer Taucherlaufbahn an im Vergleich mit einer Nichttaucherkohorte. Dabei würden störende Risikofaktoren wie Alkoholgenuss, Rauchen, Bluthochdruck, etc. kontrolliert. Eine solche Studie ist bislang noch nicht veröffentlicht worden.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen einem PFO und Hirnläsionen?

Moon: Es besteht ein schwacher Zusammenhang zwischen dem Auftreten eines PFOs und dem Auftreten dieser Läsionen. Aber noch einmal: es gibt keinerlei Nachweis, dass diese Läsionen auf einen Hirnschaden hindeuten.

Uzun: So genannte "stille Gasblasen", die sogar nach Tauchgängen im Flachwasser festgestellt werden können, produzieren keine klinischen Symptome und werden normalerweise durch die pulmonale Vaskulatur gefiltert. Ein PFO, d.h. eine Öffnung zwischen dem rechten und dem linken Vorhof kann stillen Gasblasen als Eingang zum arteriellen Blutkreislauf dienen. Es besteht die Hypothese, dass die Blasen kleine Blutgefäße im Gehirn unterbrechen und White-Matter-Läsionen auslösen können. Tatsächlich haben mehrere Studien gezeigt, dass Taucher mit einem PFO ein höheres Risiko für White-Matter-Läsionen hatten als Taucher ohne PFO. Es gibt keine generelle Empfehlung zur Untersuchung symptomloser Gerätetaucher auf PFO. Ein Taucher mit einem bekannten PFO sollte jedoch konservative Tauchprofile tauchen und so das Risiko einer DCS reduzieren.

Tetzlaff: Ein PFO erhöht das Risiko einer Dekompressionskrankheit (DCI) und kann damit auch dazu beitragen, dass Hirnläsionen beim MRT eher sichtbar werden. Eine klinische Studie hat zu der Annahme geführt, dass bei Tauchern mit einem PFO die 4,5-fache Anzahl von DCI-Vorfällen und zweimal so viele ischämische Hirnläsionen auftreten wie bei Tauchern ohne PFO (Schwerzmann M et al., 2001). Es sollte jedoch beachtet werden, dass selbst das Tauchen mit PFO als sicher angesehen wird, wenn die Tauchgänge entsprechend der Richtlinien durchgeführt werden. Man beachte auch, dass es nicht das PFO ist, das zu Verletzungen führt, sondern das Auftreten von Gasblasen während oder nach dem Tauchgang. Die Anzahl der Blasen kann durch Vermeidung von Risikofaktoren, wie z.B. tiefen, kalten und Deko-Tauchgängen gering gehalten werden.

Welche anderen möglichen Mechanismen gibt es bei der Bildung von den als "weiße Flecken" bezeichneten Hirnläsionen?

Moon: Sie könnten auch mit dem normalen Alterungsprozess zusammenhängen, z.B. mit den Veränderungen der Blutgefäße.

Uzun: Weiße Flecken im Gehirn, die beim MRT-Scan festgestellt werden, sind bei älteren Menschen tatsächlich weitverbreitet und stehen möglicherweise in Zusammenhang mit Kopfverletzungen, Alkoholkonsum, Migräne, Rauchen, Bluthochdruck bzw. hohen Cholesterinwerten. Es ist allgemein anerkannt, dass White-Matter-Läsionen eine Parenchymverletzung aufgrund zerebrovaskulärer Störungen oder eine zerebrale Ischämie bedeuten.

Tetzlaff: White-Matter Hyperintensitäten gelten beim MRT als typische Anzeichen zerebraler Kleingefäßerkrankungen. Pathologische Korrelate gibt es viele, wobei die meisten darauf hindeuten, dass White-Matter-Hyperintensitäten eine ischämische Belastung der Kleingefäße widerspiegeln. Die vorherrschenden klinischen Assoziationen sind Schlaganfall, kognitive Beeinträchtigung und Demenz. Die Prävalenz der White-Matter-Hyperintensitäten nimmt mit dem Alter zu.

Die Fortsetzung dieser Diskussion folgt im zweiten Teil dieses Artikels, der in der September-Ausgabe veröffentlicht wird.

Unsere Experten

Dr. Richard Moon, M.D. machte seinen Abschluss in Medizin an der McGill University in Montreal, Kanada. Er ist Professor für Anästhesiologie und Medizin sowie medizinischer Direktor des Zentrums für Überdruckmedizin und Umweltphysiologie des Duke University Medical Center in Durham, North Carolina, USA.

Dr. Kay Tetzlaff, M.D. ist medizinische Privatdozentin der Abteilung für Sportmedizin an der Universität Tübingen, Deutschland, und tauch- und überdruckmedizinische Beraterin.

Dr. Günalp Uzun, M.D. ist Privatdozent für Unterwasser- und Überdruckmedizin an der GMMA Haydarpasa Lehrklinik in Istanbul, Türkei.

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