Foto: Marcello Di Francesco
Decoder: Wichtige Definitionen

Grundkurs Planung der Gasreserven: Berechnung des AMV

Das Atemminutenvolumen oder AMV, im Englischen auch bekannt als RMV (respiratory minute volume), SAC rate (surface air consumption rate) oder SCR (surface consumption rate) bezeichnet das pro Minute in den Lungen eines Menschen umgesetzte Gasvolumen.1 Sein AMV zu kennen ist Grundvoraussetzung für die Planung von Gasreserven, da dieser Wert es ermöglicht zu berechnen, wie lange eine bestimmte Menge Atemgas auf einer bestimmten Tiefe ausreicht. Das AMV wird in Litern pro Minute angegeben.

Dieser Artikel erklärt die Berechnung des AMV auf Grundlage der Anzeige des Finimeters (SPG), des Flaschenvolumens, und der mit dem Tauchcomputer aufgezeichneten Durschnittstiefe und Dauer des Tauchgangs.

Freie Liter, oder “Wieviel Gas ist wirklich in meiner Flasche?”

Normalerweise geben wir unseren Luftvorrat in Form eines Drucks an. Für die Kommunikation während eines Tauchgangs ist das auch völlig in Ordnung. Für die Planung müssen wir jedoch ein bisschen mehr ins Detail gehen. Es leuchtet ein, dass eine größere Flasche mit 200 bar mehr Gas enthält als eine kleinere mit dem gleichen Druck. Aber wie verhält es sich mit einer 15-Liter-Flasche auf 160 bar im Vergleich zu einer 11-Liter-Flasche mit 200 bar? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir das Konzept der freien Liter einführen.

Ein freier Liter ist die Gasmenge, die bei einem Druck von einer Atmosphäre (1 atm oder 1,013 bar, hier der Einfachheit halber auf 1 bar gerundet) ein Volumen von einem Liter einnimmt. In diesem Artikel verwenden wir für freie Liter das Einheitenzeichen L (Großbuchstabe) und für die Liter im herkömmlichen Sinn das Einheitenzeichen l (klein).

Das Praktische an dieser Einheit ist, dass wir mit ihr beschreiben können, wieviel Gas sich in einer Flasche befindet. Hierzu multipliziert man einfach das Flaschenvolumen mit dem Druck. Beispielsweise würde das in einer mit 200 bar gefüllten 10-Liter-Flasche enthaltene Gas bei Freisetzung an die Atmosphäre (1 atm) ein Volumen von 2000 Litern einnehmen (10 l x 200 bar). Mit anderen Worten: Diese Flasche einhält 2000 freie Liter Gas. Nun können wir unsere Frage von oben beantworten: 15 l x 160 bar = 2000 L sind mehr als 11 l x 200 bar = 2200 L.

Außerdem sind wir nun in der Lage, die exakte Menge Atemgas anzugeben, die wir bei einem Tauchgang verbrauchen. Wenn wir einen Tauchgang beispielsweise mit 210 bar in der Flasche beginnen und mit 60 bar beenden und die Flasche ein Volumen von 10 Litern hat, berechnen wir:

Verbrauch = (210 bar – 60 bar) x 10 l = 1500 L

Logbuchfunktion des Tauchcomputers

Der Verbrauch in freien Litern allein sagt uns noch nichts über unser AMV. Dazu brauchen wir mehr Informationen. Wie wir im Anfängerkurs gelernt haben, verhält sich unser Luftverbrauch proportional zum Umgebungsdruck (P =1 atm auf 0 m, 2 atm auf 10 m, 3 atm auf 20 m usw., oder P = 1 + Tiefe in m/10 atm), sowie natürlich zur Tauchzeit. Zur Berechnung unseres AMV für einen gegebenen Tauchgang müssen wir daher unseren Verbrauch durch die Tauchzeit (T) und den durchschnittlichen Umgebungsdruck (P) teilen.

Unsere abschließende Rechenformel lautet: AMV (in l/min) = Verbrauch / (Druck * Zeit)

Beispiel: Nehmen wir an, Sie haben einen 45-Minuten-Tauchgang absolviert. Ihr Flaschenvolumen beträgt 12 Liter, das Finimeter stand zu Beginn des Tauchgangs bei 200 bar und nach dem Auftauchen auf 60 bar. Die Logbuchfunktion Ihres Computers gibt die Durchschnittstiefe für diesen Tauchgang mit 12 Metern an. Ihr AMV für diesen Tauchgang ist (12 l * 140 bar) / (2,2 atm * 45 min) = 17 l/min.

Es ist zu beachten, dass das AMV ein ungefährer Wert ist, der den Umständen entsprechend etwas variieren kann (z. B. Anstrengung, Stress, Temperatur). Mit zunehmender Erfahrung sinkt generell das AMV, und wenn man eine Weile nicht im Wasser war, liegt es höher. Daher ist es sinnvoll, das AMV in regelmäßigen Abständen neu zu berechnen. Bei der Berechnung sollten Nachkommastellen grundsätzlich aufgerundet werden, d.h. 13,4 l/min sollten als 14 l/min behandelt werden.

AMV in der Tauchgangsplanung

Wenn man sein AMV kennt, kann man diesen Wert dazu verwenden, den Luftverbrauch für einen geplanten Tauchgang abzuschätzen. Hierzu muss man den Rechenvorgang oben einfach nur umkehren. Beispiel: Wenn ein Taucher mit einem AMV von 16 l/min 25 Minuten auf 25 Metern verbringt, liegt der erwartete Verbrauch für diesen Abschnitt des Tauchgangs bei 16 l/min * 25 min * 3,5 atm = 1400 L. In einer 11-Liter-Aluminiumflasche (AL80) entspricht dies 1400 L / 11 l = 127 bar, oder aufgerundet 130 bar.

Da wir für gewöhnlich im Team tauchen, sollte das höchste AMV im Team als Grundlage für die Planung verwendet werden.

Zu guter Letzt: ein Hinweis zur Etikette

Menschen sind verschieden, und das gilt auch für ihren Luftverbrauch. Ein hohes AMV kann für manche ein empfindliches Thema sein. Ein niedriges AMV zu haben ist angenehm, aber lassen Sie sich dadurch bitte nicht zu der Annahme verleiten, dass Sie deswegen ein besserer Taucher sind. Das AMV hängt von zu vielen Faktoren ab, als dass sich daraus solche Schlüsse ziehen ließen. Ja, das AMV muss bei der Tauchgangsplanung angesprochen werden, aber auf streng sachlicher Ebene. Urteilen Sie nicht. Noch wichtiger: Prahlen Sie nicht. Es verhält sich wie mit bestimmten Körperteilen: Auch wenn Sie sehr stolz sind auf das, was Sie haben, heißt das nicht, dass die Menschen um Sie herum dies gleichermaßen faszinierend finden.

Viel Spaß beim Planen und Tauchen, und bleiben Sie sicher!


(1) Definition im US Navy Diving Manual: “Das Atemminutenvolumen (engl: respiratory minute volume) wird berechnet, indem man das Atemzugvolumen (engl: tidal volume) mit der Atemfrequenz (engl: respiratory rate) multipliziert.”


Der Autor

Tim Blömeke unterrichtet Tech- und Sporttauchen in Taiwan und auf den Philippinen. Er ist Autor und freier Übersetzer, sowie Mitglied des Redaktionsteams von Alert Diver. Im Netz erreicht man ihn über seinen Blog und auf Instagram.


Tauchen Sie in die
neuesten Geschichten ein,
bevor es andere tun.

Abonnieren Sie den
Alert Diver
Newsletter.