‚Hitzewallungen‘ unter Wasser – angstbedingt, oder ein Symptom der Wechseljahre?

Eines Abends erhielt ich einen Anruf von einer 51-jährigen Medizinerin. Sie hatte Divers Alert Network wegen eines panikartigen Vorfalls unter Wasser kontaktiert und wurde von DAN nach der Beratung an mich überweisen.

Ärger im Paradies
Ende 2003 tauchte die Taucherin mit einem Freund in Bonaire [Karibik], unter den dort typischen, ruhigen Bedingungen. Sie war seit 1985 brevetiert und eine erfahrene Taucherin, und sie zeichnete die Tauchgänge minutiös in ihrem Logbuch auf. Sie berichtete mir, dass sich dieser Vorfall während ihres 358sten Tauchgangs ereignete, dem ersten Tauchgang dieser Reise. Sie war auf einer Tiefe von 29 Metern, was für den ersten Tauchgang am ersten Tag recht tief ist, aber für eine erfahrene Taucherin vielleicht auch nicht. Gefühle von Beklemmung und Angst kamen bei ihr auf, und sie wurde den Eindruck einfach nicht los, dass irgendetwas absolut nicht in Ordnung war. Als gut ausgebildete Taucherin überprüfte sie all ihre Instrumente. Nichts deutete auf ein Problem hin, aber Beklommenheit und Angst blieben.

Later, her dive buddy confirmed that no conditions in the environment should have caused any concern. No one detected any equipment failures. The diver said her regulator was adjusted later that day, and no malfunction or problem was found.

Ihr Tauchpartner bestätigte ihr später, dass die Bedingungen in der Tauchumgebung keinerlei Anlass zur Besorgnis gaben, und keiner von beiden entdeckte Fehlfunktionen an der Ausrüstung. Die Taucherin berichtete, dass sie ihren Atemregler später am Tag überprüfen ließ und dass dabei keine Fehlfunktionen oder Probleme entdeckt wurden.
Sie gab ihrem Tauchpartner ein entsprechendes Signal, und das Paar stieg langsam am Riff entlang auf. Sie fühlte, dass ihr Herz schnell schlug, und sie empfand ein Gefühl der Wallung in Gesicht und Hals, ähnlich den bekannten ‘Hitzwallungen’ von Frauen in den Wechseljahren. Diese Symptome verschwanden während des Aufstiegs, und nach dem Auftauchen hatte sie keine weiteren Probleme. Der Vorfall wiederholte sich weder beim zweiten Tauchgang dieses Tages, noch bei einem der anderen Tauchgänge in dieser Woche, von denen einige bis auf 35 msw führten.

Vorgeschichte der Taucherin
Die Taucherin sieht schlank und gesund aus, wiegt 50 kg und ist 1,65 Meter groß (Body Mass Index: 18). Sie berichtete, dass sie ihre letzte Menstruation am 7. Februar 2002 hatte; sie hatte niemals Östrogen oder Progestin eingenommen. Sie machte keinen regulären aeroben Sport, praktizierte aber Tai Chi und Pilates* und hatte einen körperlich anstrengenden Beruf.

Sie erzählte, dass sie seit dem Beginn der Wechseljahre zwei bis dreimal am Tag Hitzewallungen hatte (Oberbegriff ‘vasomotorische Symptome’ – VMS). Dagegen nahm sie einen Pflanzenextrakt namens ‘Black Cohosh’** ein– bis zweimal täglich 40 mg. Sie äußerte, dies habe zwar die Zahl der Hitzewallungen nicht gemindert, aber deren Intensität und die Schwere der Symptome.

Sie berichtete, dass bei ihr weitere, sich auf den Schlaf auswirkende, menopausale Anzeichen und Symptome aufgetreten waren. Sie litt zwar nicht unter Nachtschweiß oder Einschlafproblemen, aber sie bemängelte eine abnehmende Qualität des Schlafs, einen ‘leichteren’ Schlaf mit häufigen Unterbrechungen während der Nacht. Es gab bei ihr keine persönliche oder familiäre Vorbelastung mit Angst– oder Panikstörungen, Depression oder zwanghaften Störungen – psychiatrischen Diagnosen, die eine Anfälligkeit für Angst bedeuten können, insbesondere während einer stressbehafteten Exposition wie der Unterwasserumgebung.

 

Was ist denn eigentlich passiert?
Also, was ist nun mit ihr geschehen? Als wesentliche Fakten des Vorfalls unter Wasser können wir Folgendes festhalten:

  • Herzrasen (Tachykardie)
  • Angst und Beklemmung
  • Hitzewallung

Wir wissen außerdem: 1) Die Symptome verschwanden von selbst und traten nicht wieder auf. 2) Die Betroffene wies keine große Stickstoffbelastung auf, da dies ihr erster Tauchgang am ersten Tag ihres Tauchurlaubs war. 3) Sie war nicht auf dem Weg an die Oberfläche, als die Angst und die Hitzewallung auftraten; eine Embolie oder andere ‘Deko’-Probleme sind daher unwahrscheinlich. Sind diese Beschwerden Teil eines druckbedingten Problems oder eher allgemeinerer Art?

Wir müssen erst einmal eine Liste von Störungen innerhalb und außerhalb des Wassers erstellen, die möglicherweise derartige Symptome nach sich ziehen könnten.

 

Ursachen für Herzrasen
Lassen Sie uns zuerst eine Liste von Ereignissen durchgehen, die zu einer Tachykardie führen können:

  1. Eine Luftembolie kann zu Atemschwierigkeiten, Schmerzen in der Brust und weit schwereren Problemen wie gestörten Hirnfunktionen und Herz-Kreislauf-Stillstand führen. Sie kann auch eine erhöhte Herzfrequenz hervorrufen. Sie tritt typischerweise nach einem Atemanhalten während des Aufstiegs auf, auch kurz vor Erreichen der Oberfläche, oder nach einem unkontrollierten Aufstieg zur Oberfläche. Bei der betreffenden Taucherin war keines dieser Symptome vorhanden, und sie hatte bei ihrem Aufstieg keine Probleme gehabt.
  2. Herzrhythmusstörungen (Arrhythmien) könnten zu Symptomen wie diesen führen. Es gab in ihrer Vorgeschichte aber keine Herzrhythmusstörungen, und es gibt auch seitdem keinen Hinweis darauf; gleichwohl könnten diese eine Erklärung für die Ereignisse darstellen.
  3. Eine Vergiftung durch Kohlenmonoxid (CO) aufgrund einer Flaschenfüllung mit kontaminierter Luft kann zu einem unregelmäßigen Herzrhythmus führen, aber normalerweise nicht zu einer Tachykardie. Weitere Symptome können Kurzatmigkeit, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, beeinträchtigte Hirnfunktion, Verwirrung und weitere Probleme des Zentralen Nervensystems sein. Sie wies keines dieser Symptome auf; zudem verschwinden die Symptome einer Kohlenmonoxidvergiftung nicht so schnell wie die der Taucherin. Personen, die eine Kohlenmonoxidvergiftung erlitten haben, geht es – sofern sie nicht behandelt werden – normalerweise über lange Zeit sehr schlecht. Außerdem ist bei schlechter Atemluft nur selten lediglich eine Person einer Gruppe betroffen.
  4. Stickstoffnarkose [‘Tiefenrausch’]. War die Taucherin eventuell von den Auswirkungen des erhöhten Stickstoffpartialdrucks betroffen? Mit zunehmender Tiefe steigt der Partialdruck des Stickstoffs, was zu zerebralen Symptomen führen kann.

Was kann Angst und Beklemmung verursachen?
Symptome dieser Stressbelastungen haben mehrere Grundursachen.

  1. Narkose: Die erste Antwort, die einem in den Sinn kommt, ist, dass die Taucherin unter Narkose litt. Mit der einsetzenden Wirkung des Stickstoffs erleben viele Taucher kein Gefühl des ‘Betrunkenseins’, sondern eher Angst und Wahnvorstellungen. Diese Person, eine erfahrene Taucherin, war bereits zuvor in der Tiefe, ohne derartige Gefühlsmomente, aber es gibt auch immer ein erstes Mal. Narkosesymptome neigen zur Wiederholung: So wie man sie beim ersten Mal erlebt, wird man sie aller Wahrscheinlichkeit auch wieder erleben.
  2. Unnormale Herzrhythmen können Angst hervorrufen. Probleme mit der Schilddrüse ebenso, aber diese würden nicht so plötzlich auftreten und so schnell abklingen.
  3. Angststörungen und Phobien erscheinen als Diagnose plausibel. Aber nochmal, bei einer derart erfahrenen Taucherin, die lediglich zu einem entspannten Tauchgang am Riff entlang aufgebrochen ist, erscheint es unwahrscheinlich, dass sie zum ersten Mal eine solche neue Erfahrung machen könnte.
  4. Medikamente. Die Taucherin äußerte, sie nehme keine weiteren Medikamente.

Was sind die Ursachen für die Hitzewallung?
Lassen Sie uns abschließend einen Blick auf Hitzewallungen werfen (bzw. das Erröten im Gesicht). Hitzewallungen können infolge allergischer Reaktionen auftreten, Tumore können Hormone ausschütten, Alkohol oder Medikamente können die Ursache sein, und auch Reaktionen auf Nahrungsmittel, wie die Glutamat Unverträglichkeit [‘Chinarestaurant- Syndrom’; Monosodiumglutamat (MSG) ist auch bekannt als Geschmacksverstärker]. Allerdings erscheint in diesem Fall keine dieser Ursachen für Hitzewallungen wahrscheinlich. Und auch keine der anderen, oben genannten Ursachen erscheint für die Hitzewallung dieser Taucherin unter Wasser plausibel. Und dann waren da noch die Wechseljahre.

Können ihre Symptome mit der Menopause erklärt werden?
Die Wechseljahre führen tagsüber zu Hitzewallungen, die mit einem Wärmegefühl beginnen, normalerweise im Bereich des oberen Brustkorbs. Eine aufsteigende Hitzewallung bewegt sich über Brustkorb und Hals hinweg und breitet sich gewöhnlich bis ins Gesicht aus.

Ähnliche Symptome können nachts auftreten und zu allgemeinem Schwitzen führen.

Viele Frauen in den Wechseljahren klagen über einen schnellen, pochenden Herzschlag, und auch, allerdings nicht so häufig, über ein Druckgefühl im Brustkorb und Kurzatmigkeit. Diese Symptome werden allerdings im Allgemeinen nicht als typisch für die Menopause erkannt. Zudem rufen Palpitationen (pochendes Herzklopfen) gewöhnlich Angstgefühle hervor. Stellen Sie sich das einmal selbst vor: Auch Sie würden wahrscheinlich Beklemmungen bekommen, wenn sich Ihr Herz anfühlt, als ob es aus Ihrem Brustkorb springen wollte!

Hier handelt es sich vermutlich um einen Fall socher Hitzewallungen unter Wasser. Die Menopause ist keine Krankheit; dennoch führt sie zu Anzeichen und Symptomen, die störend und belastend sein können.

Der Altersdurchschnitt der Taucher steigt
Mit dem ansteigenden Durchschnittsalter der Taucher sind nun auch Beschwerden der Wechseljahre und andere altersbedingte Leiden bei der Einschätzung von Symptomen und dem Umgang mit tauchbedingten Vorfällen zu berücksichtigen. Ist beispielsweise eine Lähmung im Gesichtsbereich bei älteren Tauchern ein Anzeichen für einen leichten Schlaganfall oder für eine Dekompressionskrankheit – oder gar für ein Barotrauma im Mittelohr?*** Sind Schmerzen in der Brust bei einem älteren Taucher Folge einer Lungenüberdruckverletzung wie einem Pneumothorax oder eines Herzanfalls?

Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, die durch die Menopause hervorgerufenen vasomotorischen Symptome in die Diffenzialdiagnose von Angst–oder Panikursachen während des Gerätetauchens bei Frauen mit einzubeziehen. Dieser Fall lässt mehrere Fragen aufkommen:

Provoziert die hyperbare Sauerstofftherapie Hitzewallungen?
Verstärkt die Stickstoffaufsättigung Hitzewallungen?
Beschleunigt oder verstärkt die Narkose die Entstehung von vasomotorischen Symptomen?

Auf diese Fragen haben wir bislang noch keine Antworten gefunden. Dieser Fall ist ein weiteres Lehrstück, sowohl für Tauchmediziner als auch für alle, die einen verletzten Taucher versorgen. Einer meiner ersten klinischen Professoren erklärte uns bei Visiten direkt am Krankenbett: “Hört den Patienten immer aufmerksam zu. Sie versuchen Euch mitzuteilen, was mit ihnen nicht stimmt.”

 

Und genau das tat auch diese Taucherin. Ich habe es zwar im Nachhinein bestätigt, aber sie hatte sich bereits darauf festgelegt, dass sie unter Wasser eine Hitzewallung erlitten hatte. Sie hörte auf das, was Ihr Körper ihr signalisierte, sie stellte ihre eigene Diagnose und brachte die Geschichte für sich zu Ende, indem sie bei DAN um Beratung nachsuchte.

Sie geht weiterhin tauchen, aber achtet besonders auf die Hitzewallungen und die eventuell nachfolgenden Angstgefühle. Sie weiß, dass es sich lohnt, auf die Signale des eigenen Körpers zu hören, und dass DAN nur einen Telefonanruf entfernt ist.

 

Anmerkung des Herausgebers
Diese Geschichte hat zwar ein gutes Ende – es gab weder tauchbezogene Verletzungen wie Dekompressionserkrankungen, Narkose, Kohlenmonoxidvergiftung, Herz-Kreislauf-Probleme, noch negative Auswirkungen von Medikamenten oder Nahrungsmitteln, aber man sollte trotzdem daraus mitnehmen, dass man beim Tauchen immer die eigene Gesundheit im Auge behalten muss. Hören Sie auf Ihren Körper, nehmen Sie seine Signale ernst. Wenn sie Fragen haben, können Sie die medizinische Info-Hotline von DAN wochentags von 9 bis 18 Uhr MEZ anrufen. Wenn Sie glauben, dass ein Tauchnotfall vorliegt, rufen Sie bitte jederzeit die 24-Stunden-Notfallrufnummer für Tauchnotfälle von DAN an; sie steht Ihnen 24 Stunden, 7 Tage die Woche zur Verfügung.

Fußnoten
* Tai Chi ist ein umfassendes System von sanften, ineinanderfließenden Körperbewegungen und Atemtechniken mit mentalem und spirituellem Hintergrund, die dem Teilnehmer zu einem meditativem Zustand verhilft. Das Hauptaugenmerk bei Pilates gilt der bewussten Wahrnehmung von Wirbelsäule, richtiger Atmung, der Stärkung der in der Körpermitte liegenden Muskulatur rund um die Wirbelsäule und der Gelenkigkeit.

** Das Kraut Traubensilberkerze oder ‘Black Cohosh’, (lat. Actaea racemosa, vormals auch Cimicifuga racemosa), ist in Nordamerika beheimatet. Die Wurzeln und Wurzelstöcke dieses Krauts werden verbreitet zur Behandlung von menopausalen Beschwerden und Menstruationsstörungen verwendet. In Studien konnte gezeigt werden, dass dieses pflanzliche Medikament, wenn es hinsichtlich seines Gehalts an Terpenen und Glycosiden ordnungsgemäß standardisiert wurde, eine Wirkung entfaltet, die menopausale Symptome zu lindern scheint. Nebenwirkungen sind äußerst selten, und es sind keine wesentlichen Unverträglichkeiten mit anderen Medikamenten bekannt (Kligler B. Black cohosh. American Family Physician 2003;68: 114-116).

*** Molvaer O.I et al.; Undersea Biomedical Research,Vol 14, No. 3, May 1987: 277-295
 

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