Medizinische Beiträge
Marihuana und Tauchen: Die Meinung der Experten
Marihuana bzw. Cannabis ist eine der am häufigsten genutzten Freizeitdrogen der Welt. In vielen Ländern werden noch gesetzliche Richtlinien zum legalen Konsum von Marihuana entwickelt, was darauf hindeutet, dass es in Zukunft noch mehr Konsumenten geben wird, die auch Taucher sind.
Es gibt viele Gerätetaucher, die Marihuana rauchen und dabei gibt es kaum Information dazu, welchen Einfluss dies auf das Tauchen hat. Berichten zufolge entscheiden sich die meisten Taucher, die unter Drogeneinfluss tauchen, für Marihuana.
Marihuana wird bei verschiedenen schweren, schwächenden Krankheiten zu medizinischen Zwecken verschrieben, u. a. bei Parkinson, Multipler Sklerose, Krebs im Endstadium, AIDS und grünem Star.
Der Mediziner Tom Neuman, der für seine Arbeit mit Tauchern bekannt ist, berichtet, dass Marihuana einige der motorischen und kognitiven Fähigkeiten reduziert, was das Rauchen von Marihuana vor einem Tauchgang problematisch macht.
Professor Paul Auerbach von der medizinischen Fakultät der Universität Stanford ist außerdem der Ansicht, dass Marihuana akute und chronische Auswirkungen auf Taucher haben kann. Die Substanz kann den psychischen Zustand eines Tauchers beeinflussen und sein Urteilsvermögen, seine physischen Reflexe und seine Neurophysiologie beeinträchtigen. Auerbach glaubt, dass es aufgrund der möglichen schwerwiegenden Auswirkungen Tauchern verboten werden sollte, Marihuana zu rauchen, es sei denn dadurch entstünden für den Taucher mehr Vorteile als Nachteile.
Bislang liegen kaum wissenschaftliche Erkenntnisse darüber vor, wie sich das Rauchen bzw. das Passivrauchen von Marihuana auf Taucher auswirkt. Laut Neuman ist es fachlich schwierig, eine Verbindung zwischen Labortests und den Beeinträchtigungen der Leistung, die im echten Leben (wie z. B. bei Tauchen) auftreten, herzustellen.
Es ist äußerst problematisch, eine geeignete Kontrollgruppe für diese Art von Untersuchung zu finden und die Anzahl der Tauchunfälle, die bzgl. der Auswirkungen von Marihuana auf Taucher untersucht werden könnten, ist recht niedrig. Hinzu kommt, dass der aktive Wirkstoff des Marihuanas zwei Stunden nach der Inhalation normalerweise nicht mehr im Blut nachgewiesen werden kann. Das bedeutet, wenn eine Person also bei einer Druckkammer angekommen ist, ist die Wahrscheinlichkeit extrem gering, dass durch einen der zurzeit möglichen Bluttests noch nützliche Informationen gewonnen werden können.
Daher gibt es auf die wichtigen Fragen zum Thema Marihuana und Tauchen bislang keine Antworten. Was wir laut dem amerikanischen Chirurgen im Ruhestand Ernest Campbell aber sicher wissen ist, dass Marihuana negative Auswirkungen auf die Lunge der Taucher haben kann. Neben THC und Cannabinoiden enthält der Rauch 50% mehr Teer, Fremdkörper und schädliche Karzinogene als Tabakrauch.
Campbell bestätigt, dass Marihuana zu einer Vergrößerung der terminalen Bronchien, zu Husten, und zu Lungenentzündungen sowie in den Bronchien zum Verlust von ciliierten Zellen führen kann, die Infektionen bekämpfen können. Dieser Prozess vergrößert das Risiko, dass es zu Schleimpfropfen, Lufteinschlüssen und Gasembolien kommt. Starkes Marihuana-Rauchen kann auch zu einer chronischen obstruktiven Lungenerkrankung führen.
Und auch das kardiovaskuläre System eines Tauchers ist nicht vor Schäden geschützt. Schon einmaliges bzw. unregelmäßiges Rauchen von Marihuana kann die Herzfrequenz um 30 bis 50 Schläge pro Minute steigern und so den Blutdruck und das Herzinfarktrisiko erhöhen.
Obwohl das Rauchen von Marihuana vor Tauchgängen nach Ansicht vieler medizinischer Fachleute in vielerlei Hinsicht gefährlich sein kann, gibt es hierfür keine konkreten Beweise. Bevor endgültige Aussagen gemacht werden können, müssen die Auswirkungen der Substanz auf Taucher noch genauer untersucht werden.
Der Gastroenterologe Steven Gillon hat sich auf die Behandlung von Lebererkrankungen spezialisiert und ist der Ansicht, dass Sicherheitsbedenken momentan auf purer Spekulation beruhen, da bislang keine Versuche mit Menschen zum Thema Marihuana und Tauchen durchgeführt wurden. Bekannt ist, sagt er, dass Taucher noch lange nachdem sie Marihuana geraucht hatten, positiv auf Drogen getestet wurden. Im Falle von starken Rauchern war dies sogar noch 15 Wochen später der Fall.
Gillon ist der Auffassung, dass wie im Falle von Alkoholkonsum, auch beim Konsum von Marihuana keinerlei Spuren mehr im System eines Menschen nachweisbar sein sollten, wenn dieser tauchen geht. Wenn Marihuana in Höhe des Meeresspiegels inhaliert wird, haben die THC-Stoffwechselprodukte darin eine Halbwertszeit von mindestens 20 Stunden bzw. von bis zu drei Tagen. Einige der Produkte werden im Körperfett gelagert und haben sogar eine noch längere Halbwertszeit von 10 bis 13 Tagen. Die meisten Wissenschaftler sind sich einig, dass THC durch Urinproben noch bis zu 13 Tage später im Körper festgestellt werden kann, bei manchen Menschen sogar noch länger.
Bronnen: Marijuana and Diving, Alert Diver — Q3 Sommer 2016