Meditation und Tauchen

Die meisten Taucher waren schon einmal vor oder während eines Tauchgangs nervös. Das ist ganz natürlich. Wir springen in eine Welt, für die wir nicht gemacht wurden, eine Welt, in der vieles schief gehen kann. Tauchneulinge empfinden sich neben erfahrenen Tauchern oft als nicht gut genug oder sind unsicher und gleichzeitig haben sie Angst davor, das zuzugeben.

Aber nicht nur Anfänger werden nervös, auch erfahrene Taucher können verunsichert sein. Manchmal reicht es schon, dass man auf dem Weg zum Tauchspot seekrank wird oder dass der letzte Tauchgang schon eine Weile zurückliegt. Außerdem können die letzten Minuten vor einem Tauchgang sehr hektisch werden, vor allem wenn man in einer größeren Gruppe unterwegs ist. Jeder muss schnell seine Ausrüstung anlegen, die Ausrüstung des Tauchpartners kontrollieren und sichergehen, dass die Luftversorgung richtig funktioniert. Danach wird es Zeit ins Wasser zu gehen. Wenn man von einem schaukelnden Boot aus taucht, ist das einfacher gesagt als getan. Wenn die ganze Gruppe dann endlich beisammen ist, muss man abtauchen. Schließlich will man ja nicht der einsame Taucher sein, der noch wie Korken obenauf schwimmt, während die anderen alle schon ein paar Meter tiefer ungeduldig warten.

Jeder dieser Schritte kann bei einem unerfahrenen Taucher Stress auslösen, und das noch bevor der eigentliche Tauchgang begonnen hat. Aber ein bisschen Nervosität schadet nicht. Das ist ein Teil dessen, was das Tauchen aufregend macht und es kann sogar gut für uns sein. Nervosität sorgt dafür, dass wir aufmerksam und mehr im Moment präsent sind. Wenn diese Nervosität aber auf zwanzig Metern Tiefe zu Angst wird, dann gerät man leicht in Panik und Panik ist für Taucher tödlich.

Das bedeutet nicht, dass ein guter Taucher angstfrei ist und seine Grenzen ausreizt. Ein guter Taucher ist, wer den angstfreien Taucher, der seine Grenzen überschritten hat, rettet. Ein guter Taucher reagiert ruhig und geht methodisch vor. Ein guter Taucher erkennt die Anzeichen von Panik bei sich und auch bei anderen. Ein guter Taucher weiß immer, was der Rest der Gruppe gerade macht und ist bereit zu helfen, wenn seine Hilfe nötig ist. Die besten Taucher strahlen eine ansteckende Ruhe aus, die dafür sorgt, dass alle anderen sich sicher und entspannt fühlen.

Aus diesem Grund braucht man keine 400 geloggten Tauchgänge um ein guter Taucher zu sein. Es kann sehr gut sein, dass es ausgerechnet der Neuling ist, der im Notfall die Ruhe bewahrt und das Leben eines Freundes rettet.

Es ist aber nicht einfach die Ruhe zu bewahren, wenn man von Chaos umgeben ist. Panik ist eine primitive Reaktion, die einen physische Antwort in unserem Körper auslöst. Die Herzfrequenz nimmt zu, der Atem wird schneller und verschiedene Hormone werden ausgeschüttet, u.a. Adrenalin und Cortisol (bekannt als “das Stresshormon”). Der Körper bereitet sich auf die Flucht vor und unsere Instinkte befehlen uns, uns so schnell wie möglich in Sicherheit zu bringen. Leider bedeutet das oft, dass ein Taucher einen unkontrollierten Notaufstieg macht, was häufig zu schweren Verletzungen, d.h. zu einer Dekompressionskrankheit oder zum Pneumothorax führen kann.

Deshalb sollten wir Methoden erlernen, mit denen wir eine Panik dann bekämpfen können, wenn sie uns überfällt.
Meditation ist ein effektives Hilfsmittel auf dem Weg zu innerer Ruhe. Freitaucher haben dies schon vor langer Zeit erkannt und unter den Freitauchern sind diejenigen, bei denen Meditation nicht in im Trainingsplan vorkommt eher die Ausnahme als die Regel. Bei Gerätetauchern ist Meditation noch nicht so verbreitet. Viele Menschen betrachten Meditation als etwas “Komisches” oder “Geheimnisvolles”. Das ist jedoch nicht die Meinung der Forscher:

“Bis jetzt haben wir hauptsächlich die psychologischen Wirkungen von Meditation beobachtet. Forscher haben nun auch begonnen sich die körperlichen Auswirkungen näher anzusehen. Aber das ist noch recht neu”, sagt Dr. Camilla Sköld.

Dr. Sköld, PT, Ph.D., ist eine der führenden Expertinnen Skandinaviens in den Bereichen Achtsamkeit und Meditation. Sie ist Gründerin des Center for Mindfulness Sweden (CfMS) und unterrichtet am Karolinska Institut, einer der größten medizinischen Universitäten und Forschungseinrichtungen Europas, zukünftige Ärzte und Psychologen.

“Es passiert viel Aufregendes rund um das Thema Meditation. Forscher versuchen herauszufinden was in unserem Gehirn, in unserem Nervensystem und mit unserem Alterungsprozess geschieht wenn wir meditieren. Die neueste Forschung wird mit Hilfe von Magnetresonanztomographen (MRT) durchgeführt, d.h. mittels magnetischer Kameras wird beobachtet, wie sich das Gehirn während der Meditation verhält. Eine gute Anzahl etablierter und renommierter Wissenschaftler haben angefangen sich mit diesen Fragen zu beschäftigen”, fährt Dr. Sköld fort.

Eine der Wissenschaftlerinnen, die ihr Interesse an Meditation und Achtsamkeit entdeckt haben, ist die Trägerin des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin von 2009, Elizabeth Blackburn. Sie untersucht die sogenannte Telomerase. Die Telomerase ist der schützenden Deckel am Ende eines Chromosoms in unseren Zellen (Dr. Blackburn vergleicht sie mit den Spitzen von Schnürsenkeln). Je älter wir werden desto mehr nützt sich die Telomerase langsam ab bis sie letztendlich so abgenutzt ist, dass sich unsere Zellen nicht länger teilen können. Das ist ein natürlicher Vorgang, gleichzeitig zeigen Testergebnisse jedoch, dass sich die Abnutzung durch Stress beschleunigt. Auf empirischen Daten basieren hat Elizabeth Blackburn die Theorie entwickelt, dass Meditation den schädlichen Auswirkungen von Stress entgegenwirken kann. Dies wiederum würde bedeuten, dass dank Meditation der Alterungsprozess in unseren Zellen verlangsamt wird, Krankheiten vermieden werden und unser Leben verlängert wird.

Dr. Camilla Sköld arbeitet täglich mit Menschen, die unter Stress, an Krankheiten oder an Angststörungen leiden. Mit Hilfe des Meditationsprogramms, das innerhalb des US-amerikanischen Gesundheitssystems von Professor Jon Kabat-Zinn entwickelt wurde, bringt sie ihnen bei, wie sie mit ihrer Angst umgehen können.

“In unserem Körper passiert eine Menge wenn wir gestresst sind. Unser gesamtes automatisches Anti-Stress-System wird hochgefahren. Das ist ein System, das wir nicht kontrollieren können. Ursprünglich sollte uns das System einmal vor wirklichen Gefahren schützen. Aber heutzutage kommen die Bedrohungen oft von innen. Wir bekommen Angst, weil wir uns vorstellen, dass irgendetwas nicht stimmt oder gefährlich ist und dann beginnt das System zu arbeiten. Die Bedrohung kommt zwar von innen, wird jedoch dadurch bestätigt, dass wir fühlen wie unser Herz schneller schlägt, unser Puls schneller wird und unsere Hände anfangen zu schwitzen. Das ganze System beginnt zu arbeiten und oft macht uns das noch mehr Angst.”

Mit Hilfe von Meditation können wir lernen die Vorgänge in unserem Körper zu beobachten, anstatt uns von der Panik kontrollieren zu lassen. Für einen Taucher kann das den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten, für sich und für andere. Im Notfall dem Instinkt zu widerstehen, möglichst schnell aufzutauchen – das ist eine Fähigkeit, die Tauchern schon am Anfang ihrer Tauchausbildung beigebracht werden sollte.

“Man muss verstehen, dass diese Stressreaktionszyklen in Wellen kommen. Innerhalb von 90 Sekunden erreicht ein Zyklus seinen Höhepunkt und nimmt wieder ab. Wenn man 90 Sekunden aushält, hat der Zyklus seinen Höhepunkt erreicht und ist verschwunden. Wenn man aber anfängt nachzudenken oder Angst bekommt, dann beginnt ein neuer Zyklus und Höhepunkt folgt auf Höhepunkt, so dass man das Gefühl hat, dass sie gar nicht mehr aufhören. Ein Teufelskreis entsteht”, erklärt Dr. Sköld. Camilla Sköld ist sich sicher, dass Meditation nervösen,ängstlichen oder gestressten Tauchern helfen kann. Man kann sich zwar vor einem Tauchgang in einer ruhigen Ecke zur Meditation hinsetzen, Meditation ist aber eine Fähigkeit, die man erlernen und üben muss, so Dr. Sköld.

“Man sollte in einer friedlichen und ruhigen Umgebung üben, damit man die Fähigkeit dann nutzen kann, wenn man sich in einer stressigen Situation befindet. Taucher sind sich ihrer Atmung schon sehr bewusst. Daher wird es sich nicht so merkwürdig anfühlen mit den Atemübungen zu beginnen. Ich bin überzeugt davon, dass Taucher sehr großen Nutzen aus Meditation ziehen könnten.”

Gerätetauchen ist ein großartiger Sport. “Das blaue Nass” empfängt uns mit Versprechen nichtendenwollender Abenteuer, gleichzeitig werden wir oft daran erinnert, dass wir nur kurzzeitige Besucher der Tiefe sind. Als Taucher liegt es in unserer Verantwortung unsere Grenzen zu respektieren und immer sicher zu tauchen. Mit Hilfe von Meditation können wir uns selbst beibringen in Stresssituationen ruhig zu reagieren und die Unfälle zu vermeiden, die sonst zu schweren Verletzungen oder sogar zum Tod geführt hätten.

Über den Autor

Gustaf Lundskog ist freiberuflicher Journalist, leidenschaftlicher Übersetzer von Alert Diver und – zu guter Letzt – begeisterter Taucher.

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