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Notwendigkeit, Mutter der Erfindung: die Geschichte hinter der Tauchversicherung von DAN Europe
Mit dem Aufkommen von Tauchreisen und Reisezielen wie Sharm el Sheikh und den Malediven erlebte das Tauchen in Europa in den frühen 1980er Jahren einen regelrechten Boom. Erwartungsgemäß stieg damit auch die Zahl der Dekompressionsunfälle. Parallel hierzu gewann die Überdruckmedizin als medizinisches Fachgebiet an Bedeutung, und in den beliebtesten Tauchgebieten wurden die ersten Druckkammern eingerichtet.
Als Reaktion auf diesen Tauchboom gründete der Unterwasser- und Überdruckmediziner Dr. Alessandro Marroni, selbst Taucher, die Organisation International Diving Assistance (IDA), um mit einem kleinen Netzwerk von Tauchmedizinern in Not geratene Taucher auf Reisen rund um die Uhr medizinisch zu unterstützen. Sein Engagement ähnelte dem von Dr. Peter Bennett an der US-amerikanischen Duke University, der unter dem Namen National Diving Accident Network (NDAN) eine von der Regierung finanziell unterstützte 24-Stunden-Notfallhotline für Tauchunfälle gründete.
Dr. Marroni wurde schnell klar, dass Tauchern, die sich auf Auslandsreisen verletzten, eine medizinische Beratung allein nicht ausreichte. Es bestand Bedarf an einer speziellen Versicherung, die für eine teure und durch herkömmliche Reiseversicherungen nicht abgedeckte hyperbare Therapie aufkommen würde. In manchen Ländern mit wie z. B. Spanien und Finnland waren hyperbare Therapien auch durch die staatliche Kranskenversicherung nicht abgedeckt, was den Bedarf noch erhöhte.
Dr. Marronis Ehefrau Filomena De Angelis, Archäologin, Taucherin und spätere Geschäftsführerin von DAN Europe, nahm im Namen von IDA Verhandlungen mit einer großen Versicherungsgruppe auf. Die Herausforderung? Die Versicherungsträger davon zu überzeugen, dass Tauchen nicht gefährlich ist und das merkwürdige und wenig unerforschte Phänomen Dekompressionskrankheit (DCI) zu versichern.
Tatsächlich ist es so, dass bei Unfallversicherungen normalerweise Krankheiten und Vorerkrankungen ausgeschlossen sind. Aus diesem Grund dauerte es eine Weile bis man verstand, dass DCI mit Sportverletzungen vergleichbar ist, wie sie auch an Land vorkommen können.
De Angelis hatte Erfolg, und so brachte IDA 1982 die weltweit erste Tauchunfallversicherung auf den Markt, die ähnlich wie heute als Zusatzangebot an IDA-Mitglieder verkauft wurde Gleichzeitig wurde eine Haftpflichtversicherung ins Angebot aufgenommen, wodurch IDA einen wichtigen Bedarf ihrer professionellen Mitglieder abdeckte: Da Tauchen als extrem gefährliche Tätigkeit galt, waren damals auf dem Markt erhältliche Berufshaftpflichtversicherungen für Tauchprofis sehr teuer und boten nur begrenzt Schutz.
Im darauf folgenden Jahr und nach einer sehr produktiven Begegnung mit Dr. Bennett, wurde aus IDA DAN Europe und aus NDAN wurde Divers Alert Network (DAN) US. Fünf Jahre später brachte DAN US dann mit einem Drittanbieter ein eigenes Tauchversicherungsprogramm auf den Markt.[1]
Die selbstgebastelte Tauchversicherung
DAN Europes Tauchunfallversicherung wurde von den Mitgliedern sehr gut angenommen. Allerdings übernahm die Versicherungsgesellschaft nicht immer die Kosten, und so musste DAN manche Behandlungen aus eigenen Mitteln bezahlen. Oft war das bei tiefen Lufttauchgängen und bei den ersten technischen Tauchgängen der Fall, denn diese wurden von den Versicherungsgesellschaften als zu gefährlich eingestuft. Als das Tauchen mit Mischgasen und Rebreathern in den späten 1990er und den frühen 2000er Jahren an Beliebtheit gewann, wollten Versicherungsgesellschaften das technische Tauchen mit dem Beruftstauchen in einen Topf werfen und von der Unfall- und Haftpflichversicherung ausnehmen.
Im Jahr 2007 entschied sich DAN Europe, eine eigene Versicherungsgesellschaft zu gründen. So konnte die Organisation selbst entscheiden, was versichert werden sollte, bei der Regelung von Ansprüchen autonom Entscheidungen treffen, und den Versicherungsschutz der Haftpflichtversicherung selbst festlegen. „Wir kannten uns in dem Bereich so gut aus, dass wir profitabel arbeiten und gleichzeitig Ansprüche auszahlen konnten“, erklärte DAN Europes leitende Vizepräsidentin Laura Marroni.
DAN gründete zwei Tochtergesellschaften, IDA Insurance Ltd (International Diving Assurance) und VING Insurance Brokers Ltd. Beide Firmen sind in Malta eingetragen, wo DAN Europe schon länger über entsprechende Beziehungen verfügte. Dies ermöglichte DAN, sein Leitprinzip der Zahlungsgarantie aufrechtzuhalten und Einscheidungen über die Genehmigung von Zahlungen für medizinische Behandlungen nicht von Buchhaltern, sondern von Medizinern treffen zu lassen.
Außerdem nahm DAN Europe nahm eine Zusatzversicherung für „nicht tauchbedingte Notfälle“ ins Programm auf, so dass die Mitglieder auf ihren Reisen auch für jedwede andere Notfälle versichert waren. Man beachte, dass im Zeitraum 2016-2018 57% der Unfälle der Mitglieder mit dem Tauchen in Zusammenhang standen, 43% jedoch nicht. „Wir erkannten, dass es für unsere Mitglieder einfacher wäre, ihre Reise komplett über unse zu versichern statt sich eine weitere Versicherung für Unfälle zu suchen, die nichts mit dem Tauchen zu tun haben“, so Marroni.
[1] 1991 wurde die International DAN (IDAN) Federation als Dachorganisation gegründet. Zu den Mitgliedern gehören außer DAN Europe und DAN US auch DAN Japan, DAN Asia Pacific und DAN Southern Africa.
Über den Autor
Michael ist preisgekrönter Journalist und Technikexperte. Er schreibt schon seit Jahrzehnten über das Thema Tauchen und die Technik beim Tauchen. Er hat den Begriff “technisches Tauchen” geprägt. Seine Arbeiten sind in Veröffentlichungen wie dem Alert Diver, DIVER, Quest, Scientific American, Scuba Times, Sports Diver, Undercurrent, Undersea Journal, WIRED und X-Ray erschienen. Er ist Gründer und Chefredakteur von aquaCORPS und hat dabei geholfen, dass das technische Tauchen nun zum Mainstream des Sporttauchens zählt. Er hat außerdem die ersten Tek, EuroTek und AsiaTek Konferenzen veranstaltet.