Oh, wie mein Rücken wehtut!

Sie befinden sich in guter Gesellschaft. Von Zeit zu Zeit klagen Sie und ich – und etwa 70 Prozent aller Erwachsenen – über Rückenschmerzen. Ich kann mich mit einer leichten Steifheit beim Aufstehen am Morgen oder einer gewissen Knarrigkeit beim Vornüberbeugen zum Streicheln eines Hundes arrangieren. Aber wenn die Rückenschmerzen die Durchführbarkeit einer Tauchreise gefährden, muss ich sofort etwas dagegen tun.

Aber was macht man dagegen? Dehnungsübungen helfen nur kurzzeitig, Ibuprofen oder Paracetamol lösen das Problem nicht (sie bekämpfen tatsächlich nicht nur Entzündungen, sondern auch den natürlichen Heilungsprozess), und Massagen oder Chiropraktik bringen nur vorübergehend Erleichterung. Ich bin gar nicht einmal so alt oder außer Form, außer in den Augen meines Sohnes, eines Teenagers. Ich treibe regelmäßig Sport und tauche normalerweise mit kleineren Flaschen und nur 3 kg Blei.

Ich meine, ich habe alles richtig gemacht, und trotzdem tut mein Rücken nach einem Tauchgang manchmal dermaßen weh, dass ich mir beim Ausziehen meines Nasstauchanzugs helfen lassen muss. Ich entschloss mich, diese Angelegenheit vor meiner nächsten Tauchreise in Angriff zu nehmen und wandte mich an vier kompetente Ärzte, die allesamt erfahrene Taucher sind.

Dr. Richard E. Strain, Jr. ist ein orthopädischer Chirurg im Hollywood Memorial Hospital im Süden Floridas, der schon tauchte, “als es noch gar keine Brevetierungen gab”. Er ist der Überzeugung, dass Rückenschmerzen allgegenwärtig sind. “Wir leben in einer sitzenden Gesellschaft”, erklärte er. “Wir arbeiten nicht mehr irgendwo da draußen.” “Aber”, fügte er hinzu, “die einzig wichtige Tatsache, die man sich vor Augen halten muss, ist, dass 99,9 Prozent der Rückenschmerzen nicht ernster Natur sind – und ich setze diesen Wert niedrig an.”

Dan Nord, Direktor der Abteilung für medizinische Dienstleistungen bei DAN, stimmt dem zu. Wenn man die bei der Tauchnotfall-Hotline von DAN eingehenden Anrufe zugrunde legt, seien starke Rückenschmerzen keine häufig vorkommende Beschwerde bei Tauchern, sagte er. “Wir erhalten gelegentlich den Anruf einer Person, die nachfragt,
ob die Rückenschmerzen vielleicht Symptom einer Dekompressionskrankheit [DCS] sein könnten, aber Rückenschmerzen sind keine vom Tauchen ausgehende Gefahr”, sagte er. “Wenn Taucher mit Rückenschmerzen in die Schwerelosigkeit eintauchen, bedeutet das oft eine Erleichterung für sie”.

Und trotzdem zeigt eine Auswertung medizinischer Statistiken auf, dass Rückenschmerzen der zweithäufigste Anlass für einen Arztbesuch sind (der häufigste ist eine gewöhnliche Erkältung). Laut der ‘Agency for Health Care Policy and Research’ (AHCPR), einer Regierungsinstanz [der USA], die medizinische Behandlungsrichtlinien überwacht, sind sie der dritthäufigste Grund für eine Operation und der häufigste Grund für die Erwerbsunfähigkeit von Arbeitern unter 45 Jahren.

Ein Prozent der Bevölkerung [der USA] ist dauerhaft arbeitsunfähig durch Rückenprobleme, und noch einmal so viele sind, unabhängig vom Zeitpunkt der Stichprobe, völlig außer Gefecht gesetzt. Die AHCPR schätzt, dass dieses gesellschaftliche Problem sich mit den Erwerbsunfähigkeitszahlungen, medizinischen und sozialen Kosten insgesamt auf jährlich mindestens 15 Milliarden Euro beläuft, und das ist eine eher zurückhaltende Schätzung.

Wie die Einen, so die Anderen
Wenn ein hoher Prozentsatz der Gesamtbevölkerung an Rückenschmerzen leidet, erscheint es logisch, dass es unter Tauchern einen ähnlich hohen Prozentsatz trifft. Neben der Schwerelosigkeit gibt es bestimmte Verhaltensweisen, Aktivitäten und Bewegungen beim Tauchen, die Rücken– und Nackenbeschwerden verschlimmern können. “Wenn wir an die Evolution glauben,” sagte mir Dr. Strain nachdenklich, “dann haben wir uns so entwickelt, um an Land zu gehen, und nicht um unter Wasser mit einer Flasche auf dem Rücken zu schwimmen, mit großen Flossen, die unseren Körper auf unnatürliche Weise verdrehen. Man kann sich vorstellen, dass die Muskeln damit (mit dem Tauchen) Probleme haben, und so kommt es eben auch.”

“Wenn wir tauchen”, fuhr er fort, “befinden wir uns in einer anderen Umgebung, und der Körper wird auf eine Art belastet, die er nicht gewohnt ist; die Kräfte wirken anders. Immer, wenn wir uns von der normalen Evolutionsbestimmung (d. h., der normalen Benutzung unseres Rückens) entfernen, belasten wir bestimmte Muskeln. Beim Tauchen stehen wir nicht aufrecht und sind nicht der Schwerkraft ausgesetzt, und wenn wir nicht im Wasser sind, haben wir eine schwere Flasche auf dem Rücken und Gewichte auf den Hüften; die Physik wirkt also anders auf uns ein.

Dr. Neal Pollock, wissenschaftlicher Physiologe am ‘Center for Hyperbaric Medicine and Environmental Physiology’ [Zentrum für Hyperbarmedizin und Umweltphysiologie] am ‘Duke University Medical Center’, stimmt dem zu und ergänzt: “Ein weiterer zu berücksichtigender Faktor ist zu viel Blei. Dieses muss mit mehr Luft im Tarierjacket ausgeglichen werden, was wiederum die Kräfte verstärkt, die sich belastend auf die Vorkrümmung der Wirbelsäule auswirken.”

“Wir mögen schwerelos sein, aber wir sind nicht dafür geschaffen, mit großen Flossen zu schwimmen”, sagte Strain. “Und diese Flasche auf unserem Rücken wird hin und her rutschen, bis wir sie schließlich zur Ruhe bringen. Solange sie sich bewegt, wird es durch ihre Trägheit immer eine Krafteinwirkung auf die Wirbelsäule geben. Bedenken Sie, wenn Sie tauchen, machen Sie Dinge, die Ihr Körper nicht gewohnt ist. Wenn Sie Landesgesetze übertreten, gehen Sie vielleicht ins Gefängnis, physikalische Gesetze lassen sich aber einfach nicht außer Kraft setzen.”

David Dornfeld, D.O., ein Osteopath aus Middletown, New Jersey, ist ein Spezialist für Sportmedizin und Muskel-Skelett-Erkrankungen. Er taucht zudem seit 13 Jahren und behandelt viele der knallharten Wracktaucher aus New Jersey. Aus seiner Erfahrung heraus vermutet er, dass Rückenschmerzen bei Tauchern etwas häufiger auftreten als bei Nichttauchern, hauptsächlich, weil sie schwere Flaschen tragen und mit schwerer Ausrüstung ins und aus dem Wasser steigen. Dieses Problem kann man leicht beseitigen.

Man sollte sich auf dem Boot nur ohne Last bewegen, den Divemaster die Ausrüstung tragen lassen und sie erst dann übernehmen. Legen Sie diese erst im Sitzen an, stehen Sie dann auf und springen Sie mit einem großen Schritt vorwärts ins Wasser. Wenn diese Einstiegstechnik richtig praktiziert wird, bedeutet sie etwas weniger Belastung für den Körper als die Rolle rückwärts, und kaum Belastung für den Rücken, da alles dabei gut verstaut ist. Bei der Rückwärtsrolle, wenn Sie nach hinten kippen, wird die Flasche in Ihren Rücken hinein gedrückt, und die Wirbelsäule kann im Bereich von Hals oder Brustkorb leicht belastet werden. Für die Rückkehr auf das Boot rät Dornfeld seinen Patienten, ihre Ausrüstung im Wasser abzulegen und sie dem Divemaster zu übergeben.

Wenngleich Rückenschmerzen beim Tauchen nicht unvermeidbar sind, kann es zu Nackenproblemen kommen, da der Hals beim Tauchen immer überstreckt ist. Sowohl Dornfield als auch Strain erklärten, dass unser Rücken eine natürliche Krümmung aufweist, wenn wir horizontal im Wasser liegen. Wenn wir absolut gerade liegen, würde unser Kopf und Hals nach unten weisen. Um nach vorn sehen zu können, müssen wir unseren Kopf um etwa 50 bis 60 Grad nach oben heben, was der natürlichen Krümmung entgegensteht.

Wenn diese Position länger eingehalten wird, bewirkt das Überstrecken eine Kompensationsbewegung der Lendenwirbelsäule, die sich damit der Position anpasst. Daran können wir aber nicht viel ändern, wenn wir da unten ein paar Dinge sehen und nicht nur ‘Toter Mann’ üben wollen. Und wenn es dazu kommt, dass wir in einer starken Strömung tauchen, in einer Höhle oder Grotte schwerelos bleiben müssen oder mit dem Auf– oder Abstieg an einer Ankerleine kämpfen, kann das nochmals mehr Belastung für den Nacken, die Schultern und den Rücken bedeuten.

Guy Dear, M.D., DAN’s stellvertretender medizinischer Direktor, ist der Überzeugung, dass Rückenschmerzen beim Tauchen sich zumeist auf die Nachwirkungen haltungsbedingter Muskelverspannungen im Wasser beziehen, die
sich bereits an Land entwickelt haben mögen. Wenn wir tauchen und dabei versuchen nach vorn zu schauen – zum Riff, zum Tauchpartner oder zu jenem Hai hinüber – , überstrecken wir Taucher den Hals, und die Unnachgiebigkeit der Kombination von Flasche und Tarierjacket drückt die betroffenen Teile des Rückens jenseits dessen, was man im Trockenen als möglich oder bequem erachten würde. Es ist einmal eben diese Tatsache, und dann, dass wir über Wasser weit schwerere Gewichte mit uns herumschleppen, als wir es täglich gewohnt sind, Leitern hoch und runter.” Um dem zu begegnen und den ggf. später am Tag auftretenden Rückenschmerzen vorzubeugen, schlägt er vor, sich mehrere Male während des ersten Tauchgangs zu einer engen Kugel zusammenzurollen.

Einfache Abhilfe
Natürlich müssen wir uns allgemein für das Tauchen fit halten, aber wir können ein paar einfache, zusätzliche Dinge an Land tun, um die Gefahr der Entstehung oder Verschlimmerung von Rückenschmerzen zu mindern. “Zuerst einmal,” sagt Strain, “je aktiver Sie sind, umso besser. Gute körperliche Fitness bedeutet eine geringere Wahrscheinlichkeit, dass Schmerzen auftreten.”

Beim Tauchen: Je mehr Übung Sie erlangen, desto mehr schwindet die Gefahr auf Rückenschmerzen. Bessere Tarierfähigkeiten bedeuten, dass Sie ihre Bleimenge reduzieren können, was zugleich die Belastung von Rücken und Hüften mindert. Ein Tarierjacket mit integriertem Blei kann ebenfalls hilfreich sein. Berücksichtigen Sie aber trotzdem die Umweltbedingungen, unter denen Sie tauchen werden, und sorgen Sie für einen ausreichenden Kälteschutz. Wenn Sie Ihren Luftverbrauch senken, können Sie mit einer kleineren Flasche tauchen und die Last auf Ihrem Körper weiter reduzieren.

An Land: Die vier großen Themen heißen Sport, Dehnen / Körperarbeit, Ernährung und Flüssigkeitszufuhr. Sie sollten Ihren Körper unbedingt fit und gelenkig halten, insbesondere den Rumpf (den unteren Rückenbereich und die Bauchmuskeln).

Dornfeld ist engagierter Verfechter einer guten Ernährungsweise. “Essentielle Fettsäuren (‘essential fatty acids’ – EFAs), z. B. Fischöl, wirken entzündungshemmend”, sagte er. “Sie wirken ähnlich, als wenn man WD-40 [ölhaltiges Gleitmittel] auf das Scharnier einer quietschenden Tür sprüht.” Er bevorzugt Produkte der USamerikanischen Firma ‘Carlson Laboratories’; Studien zeigten, dass deren Produkte wenig bzw. gar kein Quecksilber enthalten. Seine Empfehlung:

  • 3000 mg Fischöl oder einen Teelöffel Dorschleberöl (Lebertran) am Tag
  • Glucosamin (1500 mg.)
  • Chondroitin (1200mg)
  • Vitamin D (400 mg.)
  • Vitamin E (400 IE) – aber stellen Sie sicher, dass es aus gemischten Tocopherolen besteht.

Zur Sicherheit empfiehlt er, dass man ein Multivitaminpräparat guter Qualität einnehmen sollte, idealerweise mit 200 μg des Antoxidans Selen und 120 mg des Coenzyms Q10. Dornfelds Grundaussage lautet: “Essen Sie nicht so viel minderwertiges Zeug, rauchen Sie nicht, und trinken Sie keinen Alkohol vor dem Tauchen.”

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