Panik und Solotauchen
5. Oktober 2011
Es mag paradox klingen, aber genau die in ihrem Panik-Artikel beschriebenen Mechanismen sind einer der Hauptgründe, warum ich seit Jahren überwiegend solo tauche.
Als Taucher in der Gruppe oder auch nur mit einem einzigen Partner stand ich stets unter mehreren Aspekten von Stress.
Zum ersten die Sorge, nicht rechtzeitig fertig zu werden und den oder die anderen warten zu lassen (ich führe meist umfangreiche Fotoausrüstung mit mir, was allein schon mehr Vorbereitungszeit erfordert).
Hauptsächlich aber unter dem weit schlimmeren Stress, dass ich die Sicherheitsvorbereitungen, bzw. dann während des Tauchgangs das Sicherheitsverhalten der anderen, für ungenügend hielt. Mir waren häufig Gefahren bewusst, die man einging. Meine entsprechenden weitergehenden Vorbereitungswünsche oder Bedenken wurden aber mehrfach mit nonchalanter Geste oder gar Unmut hinweg gewischt. Oft führten sie auch zu Misstrauen, dass ich ein schlechter Taucher sei und mir selbst wenig zutraue (ich tauche ganzjährig und kontinuierlich, auch in deutschen Binnenseen, und habe über tausend Tauchgänge).
Unter Wasser war selten ein Verhalten gewährleistet, von dem ich sicher war, dass es uns im Havariefall retten würde. Es war zum Teil unglaublich, wie fahrlässig Gruppen tauchten. Beispielsweise entfernten sich die Taucher infolge Fehleinschätzung der Entfernung regelmäßig so weit voneinander, dass der von einem Luftausfall Betroffenene keine Chance gehabt hätte, ohne schon extreme Atemnot beim Partner anzukommen. Akute Atemnot kann aber schnell dazu führen, dass der Ankommende beim Aufnehmen des Oktopus-Reglers Fehler macht und Wasser schluckt – dann ist die Panik sofort da. Mehrmals führten meine vergeblichen Versuche, die Fehler der anderen unter Wasser auszugleichen, bei mir zu beginnender Hyperventilation – es war stets ich, der dem verschwundenen Partner hinterher tauchte, oft, ohne ihn noch zu finden. Derjenige rechtfertigte dann oben sein Verhalten gewöhnlich mit dem Satz "was denn, es ist doch nichts passiert…"
Als Solotaucher hingegen bin ich die Ruhe selber, bereite mich gründlichst und so lange wie notwenig vor, achte genau darauf, meinen Körper während aller Phasen des Tauchgangs in ausgeglichener Ruhe zu halten, um Leistungsreserven zu haben. Regelmäßig trainiere ich Sicherheitselemente und Rettungsroutinen, was mir mit Partner oder gar in der Gruppe bestenfalls heimlich möglich ist (so setze ich auch beim Gruppentauchgang verstohlen ein paar mal die Brille ab, um in einer Verlustsituation nicht überrascht zu sein). Ich bin davon überzeugt, dass solchermaßen schlechte Vorbereitung und Durchführung, wie sie beim Partnertauchen mehr die Regel als die Ausnahme ist, fast die Garantie ist, dass es bei Havarie zu schweren Unfällen kommt, während mir meine Vorbereitung als Solotaucher viel besser gestatten würde, mit einer Havariesituation zurecht zu kommen.
Damit will ich aber keinesfalls behaupten, dass Solotauchen für alle Taucher das Allheilmittel gegen Panik sei. In meiner Jahrzehnte langen Tauchkarriere habe ich auch Taucher kennen gelernt, für die die Vorstellung, ohne Partner zu tauchen, Angst, und damit am Ende vermutlich Panik, erzeugend war. Wogegen ich mich wende, und der Artikel bestärkt mich darin, ist die arrogant-dogmatische Indoktrination, mit der von verschiedenen Verbänden und Gewässerpächtern noch immer das Solotauchen als eine Art Majestätsverbrechen behandelt wird. Es als eine mögliche Art des Tauchens, und eine für psychisch entsprechend Veranlagte vielleicht sogar zu bevorzugende, zu rehabilitieren, wäre längst an der Zeit. Es würde meines Erachtens vielen Tauchern nützen, wenn sich Ihr Magazin einmal konkret mit der Frage auseinander setzen würde, für wen und unter welchen Umständen Solotauchen auf psychomedizinischer Sicht eben kein Majestätsverbrechen ist.