Propellerschutz für mehr Tauchsicherheit: Allheilmittel oder nur Betäubung?

Die Präventionskampagne gegen Verletzungen durch Schiffsschrauben, die DAN vor 10 Jahren ins Leben gerufen hat, wird auch dieses Jahr wieder durchgeführt und motiviert viele Taucher der verschiedensten Nationalitäten zum Mitmachen. Sie verbreiten das Thema über soziale Medien und schicken uns ihre Vorschläge und persönlichen Erfahrungsberichte.

Einige Follower unserer Facebook-Seite empfehlen nachdrücklich die Verwendung von Propellerschutz-Vorrichtungen und schlagen sogar vor diese gesetzlich vorzuschreiben, um so tödliche Unfälle und Verletzungen, die zu Behinderungen führen, zu vermeiden.

Wir präsentieren Euch einige Facetten diese Themas, indem wir uns die kritischen Vergleiche verschiedener Fachleute anschauen (Giovanni Cozzi, Gaetano Occhiuzzi, Riccardo Lattanzi und der Taucher & Segler Alessandro). Hier die Meinungen unserer Interviewpartner:

Was ist Deine Erfahrung? Kann ein Propellerschutz dazu beitragen, dass es zu weniger tödlichen Tauchunfällen kommt?

G.C. Ich denke nicht. Ein langsameres Boot erlaubt es dem Skipper an Hindernissen vorbei zu manövrieren oder die Geschwindigkeit, mit der das Boot auf einen Taucher trifft, zu drosseln. Bei der Montage an einem Schnellboot ändert sich wenig an der Intensität des Aufpralls.

G.O. Ich halte einen Propellerschutz für nützlich, aber ich denke nicht, dass er die Lösung für das Problem ist. Die Gefahr eines tödlichen Zusammenstoßes beginnt am Bug oder an der Seite des Bootsrumpfes. Bei hoher Geschwindigkeit kann sogar der erste Zusammenstoß mit dem Taucher tödlich sein. Erst danach kommt der Taucher am Ende des Bootes in Kontakt mit der Schraube.

Der Propellerschutz ist dann nützlich, wenn man mit einem Boot in Kontakt kommt, das rückwärts oder seitwärts fährt. Zu solchen Unfällen kommt es aber sehr viel seltener als zu Unfällen mit sehr schnell fahrenden Booten.

R.L. Der Propellerschutz wurde zur Verwendung in sehr schmutzigen bzw. Gewässern mit starkem Algenwachstum entwickelt um zu vermeiden, dass es auf den Schrauben zu Ablagerungen kommt. Er funktioniert nur bei geringer Geschwindigkeit.

Ich denke nicht, dass ein Propellerschutz eine wirklich verlässliche Lösung ist, denn der Zusammenstoß eines Bootes mit einem Taucher kann genauso schlimme Auswirkungen haben.

Was denkst Du über den Vorschlag, die Montage von Propellerschutz-Vorrichtungen für jede Art von Schiff bzw. Boot gesetzlich vorzuschreiben (ähnlich wie Airbags bei Autos)?

G.C. Das ist ein Vorschlag, der sowohl bei Nutzern als auch bei Schiffswerften auf viel Gegenwehr stoßen wird. Ein Propellerschutz an Schnellbooten kann zu Kavitation und zum Wildwuchs von Organismen führen und damit die Leistungsfähigkeit der Schraube reduzieren. Die Folge: langsamere Geschwindigkeit des Bootes, erhöhter Verbrauch und natürlich höhere Kosten. Man müsste stärkere Motoren einbauen, was wiederum zu einer höheren wirtschaftlichen Belastung führt.

G.O. Ich halte nicht viel von solchen Vorschlägen. Das würde dazu führen, dass man zusätzliche Ausrüstungsgegenstände bräuchte, die vermutlich nicht von jedem verstanden würden. Und damit würde es einen weiteren guten Grund geben die Bußgelder für alle, die zur See fahren, zu erhöhen.

R.L. Eine Pflicht zur Installation solcher Vorrichtungen hätte nicht die Ergebnisse, die man erwartet.

Möchtest Du noch mehr zu diesem Thema sagen?

G.C. Ja, noch zwei Dinge:

  • Der Propellerschutz ist nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Warum sprechen wir stattdessen nicht darüber, wie wichtig Ausbildung ist und vor allem über Auflagen? Die Regularien gibt es. Wir sollten die Küstenwache dazu ermutigen, sich weniger Sorgen um Haftpflichtversicherungen und Medikamentenboxen zu machen und sich stattdessen mehr um die Einhaltung der richtigen Abstände zu Taucherbojen zu kümmern.
  • Bei Booten mit Transmissionswelle wäre es ohne den Einsatz eines professionellen Inspektionstauchers nicht möglich zu kontrollieren, ob ein Propellerschutz verwendet wird.

G.O. Sicher. Diese Art von Unfällen wird in der Regel von Leuten verursacht, die schlecht auf eine Bootsfahrt vorbereitet sind oder die beim Führen des Bootes nachlässig sind. Wenn alle, die zur See fahren, sich auskennen würden, dann könnten viele Unfälle vermieden werden und wir würden keine Boote sehen, die heckwärts ankern oder vertäut sind.

R.L. Ich denke, es ist wichtig, dass verschiedene Aktionen durchgeführt werden:

Information Über Eure lobenswerte Initiative, bei der Ihr mit Flyern und Aufklebern für die Sicherheitskampagne werbt, könntet Ihr auch mit Behörden und privaten Firmen zusammenarbeiten, mit ihnen Plakatwände an Straßen und Häfen aufstellen und im Fernsehen und Radio sowie über Online-Banner Werbung machen.

Tauchcenter Vielversprechend wäre die Gründung eines Vereins, der als Ansprechpartner Beziehungen zu Behörden aufbauen könnte und der sich mit verschiedenen tauchrelevanten Themen beschäftigen würde (u.a. mit Unfällen durch Propeller).

Bojen Unterstützt die Verankerung von Bojen, die Tauchplätze markieren (mit international anerkannten Symbolen). Dadurch hättet Ihr einen doppelten Vorteil: es wird weniger geankert und im Notfall ist das Abankern erlaubt.

Bootsgeschwindigkeit und Entfernung von der Küste Ermutigt Küstengemeinden in Absprache mit den Seeschifffahrts- und Hafenbehörden dazu, Hinweise an risikoreichen Stellen mit einem festgelegtem Sicherheitsabstand zum Ufer anzubringen. Dadurch reduziert sich die Anzahl der vorbeifahrenden Schnellboote und letztendlich auch die Anzahl der Unfälle.

Tauchbojen Manchmal behindern Wellen die Sicht des Skippers oder er wird von der Sonne geblendet und sieht die -ganz nach Vorschrift- 300m entfernte Boje nicht. Es wäre von Vorteil, wenn man diese Bojen abschaffen und sie durch eine aufblasbare, rote, vertikale Boje mit mindestens 1,5m Höhe ersetzen würde. Es wäre einfacher, wenn jeder Taucher dieselben Signale bekäme, sie erkennen und identifizieren könnte.

Standard Taucherflaggensignal Es wäre eine gute Idee bei der roten Flagge mit dem weißen diagonalen Strich Standardmaße zu verwenden. Die Alpha-Flagge des internationalen Signalcodes ist Teil der internationalen Praxis und sie sollte genau kontrolliert werden.

Boote ohne Lizenz In einigen Ländern ist das Führen von bestimmten Boote ohne Lizenz erlaubt. Diese Situation setzt Taucher und Schwimmer erheblichen Risiken aus. Bei den Booten, die man ohne Lizenz führen kann, sollte am Landungssteg ein gut sichtbares Schild angebracht sein, das die 10 wichtigsten Regeln für sicheres Navigieren auflistet.

Alessandro, Taucher und Hobbysegler, sagt: Ein Propellerschutz löst das Problem nicht. Wenn sich das Boot mit hoher Geschwindigkeit bewegt, kann ein Propellerschutz genauso traumatisch sein wie der Propeller. Bei einem sehr kleinen Propeller kann es teilweise ein Schutz sein. Außerdem muss der Propellerschutz den Propeller völlig umschließen, damit er wirklich effektiv ist und die Wirkung des Antriebssystems drastisch reduziert. Das wäre nicht bei allen Motortypen machbar, beispielsweise nicht bei denen, die bei Segelbooten verwendet werden.

Wenn Ihr bei der Kampagne nur auf den Propellerschutz setzt, dann riskiert Ihr, dass die Aufmerksamkeit vom wichtigsten Faktor weggelenkt wird: dem besseren Verständnis der Sicherheit auf See.

Propellerschutz, ja oder nein? Die Diskussion geht weiter. Es gibt jedoch einen kleinsten gemeinsamen Nenner bei dem Thema… wie wichtig es ist auf allen Ebenen für eine Kultur der Sicherheit zu werben.

Lest unsere Sicherheitsregeln für Taucher und Bootsführer
Macht mit bei DANs Präventionskampagne gegen Verletzungen durch Schiffsschrauben
Schickt uns Eure Meinungen bzw. Erfahrungen mit Propellerschutzvorrichtungen an: [email protected]


Lern die Experten kennen

Giovanni Cozzi, Ingenieur, ADISUB (Association of Diver Training Organisations, Italien)
Gaetano Occhiuzzi, Präsident, IDEA Europe
Riccardo Lattanzi, Experte für Seenotrettung
Alessandro, Taucher und Hobbysegler

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