Rebreather-Tauchen will gelernt sein

Abendbrotzeit bei Divetech. Als ich an der Küche vorbeiging, fielen mir zwei rote Blinklichter am Backofen auf. Bevor ich überhaupt verstand, was ich da tat, hatte ich schon eine Hand am Mund und drehte einen imaginären Schalter von meinem Gesicht weg. Zugleich zitierte ich vor mir selbst: Wenn ein Problem auftritt, zum offenen Kreislauf wechseln” – das Mantra jedes Schülers, der als Sporttaucher den Umgang mit einem Rebreather lernt.

Bisher hatte ich noch niemals einen Rebreather in der Hand gehabt, wohl aber schon jede Menge darüber gelesen. Mein Ausbildungshandbuch hatte ich schon in den Wochen zuvor durchgearbeitet. Auf dem Flug zu den Grand Caymans las ich mir sorgfältig jede Seite des Benutzerhandbuchs des Poseidon MKVI durch, des Rebreathers, mit dem ich während der Tek Week 2012 tauchen lernen würde. Als ich dann tatsächlich mit der Ausbildung begann, begriff ich rasch, auf ein Warnlicht sinnvollerweise die Kontrolle der Konsole zu erfolgen hat. Ich fühlte mich in meinem geschärften Problembewusstsein bestätigt.

Ich tauche bereits seit 20 Jahren, aber das Technische Tauchen ist Neuland für mich. Weil das Tauchen mit Rebreathern bei Sporttauchern  zunehmend populärer wird, wollte auch ich einmal in diese neue Welt hinein schnuppern.

Tarieren neu lernen

Offensichtlich habe ich in all den Jahren als Taucher meine Tarierung nur über die Atmung feinjustiert. Das weiß ich jetzt, weil meine Tarierung an meinen ersten Rebreather-Tauchtag komplett den Bach hinunterging. Der Hauptunterschied liegt darin: Bei einem Rebreather mit geschlossenem Kreislauf (CCR), verändert die Atmung nicht die Gasmenge im System. Es wird einfach nur eine bestimmte Menge Gas zwischen deinen Lungen und den Gegenlungen des Geräts hin- und hergeschoben. Meine Versuche die Tarierung durch wohlplatziertes Einatmen zu justieren führten dazu, dass ich mehrmals recht unsanft auf dem Poolboden aufschlug.

Ich musste nicht nur das Tarieren völlig neu erlernen, sondern auch zu akzeptieren, dass aus der zweiten Stufe keine kalte, trockene Atemluft mehr ausströmte. Immer wieder ist es ein Gesprächstthema unter Tauchern, dass man beim Gerätetauchen mit offenem Kreislauf ganz normal atmen soll. Das Tauchen mit Rebreather ist dem normalen Atmen über Wasser aber sehr viel ähnlicher als das Tauchen mit offenem Kreislauf. In der Tat ist es mit dem normalen Atmen vergleichbar. Es fühlte sich für mich sehr merkwürdig an, unter Wasser genauso zu atmen wie über Wasser.

Elegantes Design

Die Schläuche, das Mundstück, die Gegenlungen und die Atemkalkpatrone nennt man „den Loop" (das Volumen des Kreislaufsystems). Das Tolle an den Rebreathern für Sporttaucher ist, dass das Gas im Loop für die Atmung immer optimal halten. Das geschieht automatisch. Der prozentuelle Sauerstoffanteil im zirkulierenden Gas wird gemessen, die Tiefe berechnet und je nach Bedarf dem Gemisch Sauerstoff oder Luft hinzugefügt. Die Atemkalkpatrone entfernt das CO2 aus dem Gas. Das hat zwei klare Vorteile: lange Tauchzeiten und eine Stille ohne störende Gasblasen.

Rebreather vereinigen überraschend komplexe neben eher einfachen, aber brilliant eingesetzte Bauteile. Zu den komplexeren Bauteilen gehört die Batterie des von mir verwendeten Gerätes. Sie hält 30 Stunden, bevor sie wieder aufgeladen werden muss, hat ihren eigenen Computer (der Tauchlogbuchdaten und den Dekompressionsstatus unabhängig vom Hauptcomputer des Gerätes aufzeichnet) und sie ist sogar mit LEDs und einem Lautsprecher ausgestattet ist, der Notsignale sendet, wenn der Computer Probleme signalisiert. Zu den einfacheren Bauteilen gehören die Pilzförmigen Ventile des Rebreathers, ein Paar dünne Flatterventile aus Silikon, die in beiden Atemluftschläuchen links und rechts vom Mund des Tauchers eingebaut sind. Beim Einatmen öffnet sich das Ventil auf der Seite, die frisch gereinigtes und mit der richtigen Menge Sauerstoff angereichertes Gas liefert, während das Ventil geschlossen ist, das zur Atemkalkpatrone führt. Beim Ausatmen werden die flexiblen Ventilscheiben in die jeweils andere Richtung gedrückt. Mehr als diese beiden Flatterventile braucht es nicht, um den korrekten Luftstrom im Kreislaufsystem sicherzustellen.

Die Rebreather für den Sportgebrauch sind mittlerweile so vollautomatisiert, dass ich erst einmal meine Zweifel hatte, ob ich mein Leben ganz und gar so einem Computer anvertrauen sollte. „Jedes Mal, wenn du fliegst, machst du das doch auch", sagte mir meine Ausbilderin Georgia Hausserman, die auch Pilotin ist. Der Blickwinkel eines anderen, mich angrinsenden Rebreather-Tauchers gefiel mir auch nicht schlecht: „Überlege es dir doch mal so – wer ist deiner Meinung nach besser geeignet, solche Berechnungen anzustellen: Richard Pyle und Bill Stone (beides sehr erfahrene wissenschaftliche Rebreather-Taucher, Anm. d. Übers.) oder DU?” Am ehesten hat mich aber wahrscheinlich der Kommentar eines weiteren Tauchers beruhigt: „Stell dir den Computer deines Rebreathers nicht als einen PC vor, sondern eher als einen Taschenrechner." Das überzeugte mich. Meinen Laptop hatte ich schon mehr als ein Dutzend Mal zum Fenster hinauswerfen wollen, aber ich hatte noch nie einen Taschenrechner, der mir vorgaukeln wollte, dass zwei plus zwei gleich fünf sei.

Checklisten als Lebensretter

Wenn man Rebreather-Taucher werden will, muss man lernen, eine Checkliste zu führen und ein Atem-Test (einen „Prebreathe", d.h. einen 5-minütigen Atem-Test des Rebreathers vor dem Tauchgang) durchzuführen. Georgia hatte erst vor ein paar Wochen einen Taucher erlebt, der an der Oberfläche einen Sauerstoffmangel erlitt und beinahe an der Hypoxie starb. Nachdem er vor einem Tauchgang aufgrund eines Problems seinen Rebreather auseinander- und dann wieder zusammenbauen musste, hatte er schlicht vergessen, den Sauerstoff wieder anzuschließen. Wenn er seine Checkliste wieder von Anfang an durchgegangen wäre, einen ordentlichen Atem-Test durchgeführt bzw. sein Display kontrolliert hätte, wäre er nicht in Lebensgefahr geraten, als er in nur einem Meter Tiefe versuchte, sich die Flossen anzuziehen.  Glücklicherweise bemerkten Ersthelfer, dass er sich nicht mehr bewegte. Sie retteten ihn aus dem Wasser und damit sein Leben. Der Mann hatte am Abend zuvor beim Essen noch behauptet, dass Checklisten nichts taugten.

Unglaubliche Erlebnisse

Als ich Georgia nach ihrem eigenen Einstieg ins Rebreather-Tauchen fragte, berichtete sie mir, sie habe eher widerwillig damit begonnen habe. Nun taucht sie aber mehr mit ihrem Rebreather als sie es jemals zuvor mit ihrem offenen Kreislaufgerät getan hatte. Als ich sie nach dem Grund fragte, sagte sie: „Weil ich so unter Wasser Unglaubliches erleben kann." Eines ihrer unglaublichen Erlebnisse war ein acht Meter langer Hammerhai, der direkt von hinten auf sie zu und nur wenige Zentimeter an ihr vorbei schwamm. Ein anderes Mal wurde sie dreimal von einem Weißspitzen-Riffhai umrundet, während ein zweiter aus dem Nichts auf sie zu schwamm und haarscharf an ihr vorbeizog.

Bisher habe ich nur ein paar wenige Rebreather-Tauchgänge in mein Logbuch eintragen können, aber auch ich hatte schon ein paar unvergessliche Begegnungen. Einmal befand ich mich Auge in Auge mit einem großen Schnapper, der auf mich zu schwamm, mich mit seinem Blick durchbohrte und dann nur wenige Zentimeter vor meinem Gesicht abdrehte. Recht früh in meiner Ausbildung, noch bevor ich herausgefunden hatte, wie ich die richtige Menge an Gas in meinem Loop halten sollte, sah ich ein paar Kieferfische, die über ihren Erdhöhlen tanzten. Jedes Mal, wenn ich Gas aus dem Kreislauf lassen musste, scheuchte ich sie dadurch zurück in ihre Löcher. Als ich endlich die richtige Menge im Kreislauf hatte und keine Bläschen mehr produzierte, tanzten sie ganz so, als würde niemand zusehen.

Bei meinen Tauchgängen mit dem Rebreather nahm ich auch einige unvergessliche Geräusche wahr. Ich beobachtete einen Papageienfisch minutenlang dabei, wie er am Riff herumnagte und hörte dabei jedes einzelne Knuspern. Später, als ich über einer tiefen Felsnadel hing, wurde ich dann auf ein vorbeirasendes Brummen aufmerksam, dass aus dem tiefen Blau, das mich umgab, zu kommen schien.

An meinem letzten Tag auf den Caymans hatte ich dann das Glück das Wrack der USS Kittiwake zu besuchen. Die Kittiwake liegt im Sand, nur wenige Meter entfernt vom Plateau einer Wand, die recht drastisch in schier unendliche Tiefe abfällt. Am anderen Ende des Sandes, in der das Wrack liegt, ganz in der Nähe der Wand, erheben sich massive Korallenstrukturen aus dem Sand. Als ich am Meeresboden entlang und durch einen schmalen Durchgang zwischen zwei dieser turmhohen Strukturen hindurch schwamm, kam ich an der oberen Kante der Steilwand heraus. Und als ich da so über dem Nichts hing, empfand ich das als unglaublich anziehend.

„Also das ist es, was diese Tekkies meinen!“, dachte ich bei mir.

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