Tauchen in einem Barometer

Der Taucher Shayne Pemberton aus Richardson, Texas, hat in seinem Teich ein wenig herumgespielt. Er füllte ein Glas mit Wasser, hob das geschlossene Ende über die Wasseroberfläche und ein Fisch schwamm nach oben in das Glas.
Ein 18-Meter-hohes Glas Wasser ist wie ein Quecksilberbarometer, mit dem man den atmosphärischen Druck misst. Das eigentlich Barometer ist ein Glasrohr mit etwa einem Viertel Zoll (6,35 mm) Durchmesser, gefüllt mit Quecksilber, das offen ist und sich auf dem Kopf stehend in einem kleinen Pool von Quecksilber befindet.

Das Quecksilber im oberen Ende des Röhrchens fällt etwa ein Zoll unter das verschlossene, obere Ende und befindet sich etwa auf einer Höhe von 30 Zoll (76 cm) über der Oberfläche des Quecksilberpools. Die Länge der Säule entspricht einem bestimmten Druck – dem atmosphärischen oder barometrischen Druck – mit 14,7 Pfund pro Quadratzoll (psia =pounds-force per square inch absolute). Wenn ein Sturm vorbei zieht oder das Barometer auf einen Berg getragen wird (das taten die Naturphilosophen im 17. Jahrhundert), fällt die Höhe der Quecksilbersäule ab, da der barometrische Druck sinkt. Die Quecksilbersäule befindet sich über dem Quecksilberpool, da der Atmosphärendruck an der Oberfläche des Pools sie in der Röhre nach oben drückt. Der scheinbar „leere“ Bereich im oberen der Säule ist in Wirklichkeit mit Quecksilberdampf gefüllt.
 

Um diesen Punkt darzustellen, könnte man ein Barometer auch mit Salzwasser anstelle von Quecksilber füllen (Körperkontakt mit Quecksilber sollte vermieden werden, da es giftig ist). Würde man das geschlossene Ende eines mit Salzwasser gefüllten Röhrchens langsam über den Meeresspiegel anheben, würde es komplett mit Wasser gefüllt bleiben, bis es eine Höhe von 10 Metern erreicht. Über dieser Höhe würde das Salzwasser beginnen, sich vom Ende des Röhrchens weg zu bewegen und auf 10 Metern verbleiben und nicht weiter aufsteigen, egal wie hoch man das Röhrchen auch anheben würde. Wäre das Rohr groß genug, um darin zu tauchen, würde ein Taucher bemerken, dass der Druck beim Aufsteigen immer mehr abnimmt. Genauso funktioniert ein uecksilberbarometer, nur dass die Flüssigkeit hier kein Wasser ist. Es wurden tatsächlich schon Süßwasserbarometer hergestellt, aber statt 10 Meter waren sie 11 Meter hoch: 11 Meter Süßwasser = 1 Atmosphäre Druck = 76 cm Quecksilber = 10 Meter Salzwasser. Der leere Bereich im oberen der Säule ist gefüllt mit Wasserdampf mit einem Druck von 0,05 Atmosphären (atm).
 

Die Saugpumpe
Ein Wasserbarometer und eine Saugpumpe  haben viel gemeinsam. Wenn man den oberen Teil des Barometers öffnet, so dass der Umgebungsdruck eindringen kann, fällt das Wasser zurück auf Meeresspiegelhöhe. Nun verschließt man den oberen Bereich wieder und erstellt mithilfe einer Saugpumpe ein Vakuum, indem man das Salzwasser zurück in das Röhrchen zieht. Das Wasser steigt auf 10 Meter an und bleibt auf dieser Höhe. In einem Süßwasserbrunnen ist es unmöglich, Wasser aus einer größeren Tiefe als 11 Meter zu pumpen, ebenso wie das Wasser in einem Süßwasserbarometer nicht  höher als 11 Meter steigt – mehr zu den Gründen, warum dies so ist, später. Tauchen in großer Höhe Was ist mit dem Fisch passiert, der in das Glas in Shayne Pembertons Teich schwamm, und was würde einem Taucher in einem Wasserbarometer passieren? Zuerst müssen wir bedenken, dass der Druck auf  Meeresspiegelhöhe am unteren Ende der Wassersäule 1 atm beträgt, während er 10 Meter weiter oben bei 0,05 atm liegt (der Druck von Wasserdampf). Würde der Taucher die Wassersäule auf 5 Meter hinauf schwimmen, würde der absolute Druck auf 0,5 atm fallen. Dies entspricht dem barometrischen Druck auf einer Höhe von 5.486 Meter.
 

Würde der Taucher auf 7 Meter hinauf schwimmen, würde der Druck auf 0,3 atm abfallen, was einer Höhe von 9.144 Meter entspricht. Der Gipfel des Mount Everest ist etwa 8.839 Meter hoch und der Anzug eines Astronauten hat die Druckentsprechung von einer Höhe von 9.235 Meter. Dieser Taucher befindet sich in einer künstlichen Welt mit zwei sehr unwahrscheinlichen Tauchproblemen. Erstens würde ein Taucher, der auf 7 Meter Höhe in der Wassersäule Luft atmet, aufgrund unzureichender Sauerstoffversorgung (Hypoxie) ohnmächtig werden, da der Sauerstoffpartialdruck auf 9.144 Meter  Höhe nur 0,06 atm beträgt. Dies entspricht 6 Prozent auf Meeresspiegelhöhe. Um eine Hypoxie zu vermeiden, ist der Raumanzug eines Astronauten mit reinem Sauerstoff gefüllt. Zweitens würde der Taucher aufgrund der Höhe an Symptomen der Dekompressionskrankheit (DCS) leiden, die ihn außer Gefecht setzen und sogar zum Tode führen könnten, da der Stickstoff in seinem Gewebe Bläschen bilden würde. Um die Dekompressionskrankheit zu vermeiden, atmen Astronauten bis zu vier Stunden lang reinen Sauerstoff auf Meeresspiegelhöhe. Dadurch soll der in ihrem Körper gelöste Stickstoff eliminiert werden, bevor eine Dekompression auf den Druck des Raumanzugs stattfindet.
 

Denken wir über diese künstliche Welt nach: Eine Säule mit komprimierbarer Luft von mehr als 330.480 Metern Höhe wurde ersetzt durch eine 10-Meter-hohe Säule mit inkomprimierbarem Salzwasser. Jede Säule übt auf die Oberfläche des Meeres das gleiche Gewicht aus. Tauchen in einem Wasserbarometer wäre ein kluger Weg, um etwas über atmosphärische Druckdifferenz und absoluten Druck zu lernen – wären da nicht Hypoxie und DCS. Kochend kalt Warum ist die Säulenhöhe in einem Süßwasserbarometer auf 10 Meter begrenzt und warum kann Wasser nicht aus einer größeren Tiefe als 11 Meter aus einem Süßwasserbrunnen gepumpt werden? Das liegt am Siedepunkt. Bei Raumtemperatur (22°C) liegt der Wasserdampfdruck bei 0,05 atm oder 0,7 psi. Erhitzt man Wasser,steigt der Druck des Dampfes und wenn die Temperatur 100°C erreicht, liegt der Dampfdruck bei 14,7 psi oder 1 atm. Das Wasser kocht also, wenn der Dampfdruck gleich dem absoluten Druck ist.
 

Das kann man sich auch anders vorstellen. Wenn man auf einen Berg steigt, kocht das Wasser bei geringerem (Dampf-)Druck, da der barometrische Druck geringer ist. Das Gegenteil ist der Fall in einem Dampfkochtopf, in dem man den Druck im Inneren erhöht, um den Siedepunkt auf eine höhere Temperatur zu verändern. Dekompressionsbläschen Auch über die Bläschen, die sich während der Dekompression bilden, kann man hier etwas lernen. Die Blasen bilden sich, wenn die Summe aller Partialdruckwerte der gelösten Gase (Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid, Helium etc.) – plus den Wasserdampfdruck – den absoluten Druck übersteigt. Dieses Phänomen nennt man „Übersättigung“. Beim Tauchen ist aber im Gegensatz zum Kochen der Wasserdampfdruck viel geringer als der Partialdruck des gelösten Stickstoffs, also verursacht der Stickstoff, und nicht der Wasserdampf, Bläschenbildung.

Einige Dekompressionstheoretiker behaupten, dass es möglich ist, einem höheren Übersättigungsniveau standzuhalten, bevor sich Blasen in Blut und Gewebe bilden, aber dieses Niveau ist nur um ein Geringes höher, falls es überhaupt existiert. „Stille“ Blasen, die keine DCS-Zeichen oder -Symptome verursachen, können selbst nach den trivialsten Tauchgängen erscheinen. Bei der Ultraschalluntersuchung auf Blasen werden bei Menschen regelmäßig Blasen auf einem Übersättigungsniveau von nur 0,4 atm (6 psi; 12 fsw/4 msw) festgestellt. Das hohe Übersättigungsniveau der Dekompressionstheorie steht wohl für stille Blasen, die zu klein oder ungünstig lokalisiert sind, so dass sie keine Symptome verursachen.
 

Man kann aber über die Blasenbildung etwas noch Ausgefalleneres lernen: Wasserdampf verlässt die Wasseroberfläche nur, wenn diese direkt an eine Gasoberfläche anschließt. Gäbe es im Wasserbarometer keine Gasoberfläche, wäre es unmöglich, dass die Wassersäule Tausende von Metern nach oben steigt und dort verbleibt. Auch wenn es seltsam klingt, aber der Druck im oberen Bereich der Säule wäre Hunderte von Atmosphären geringer als der atmosphärische Druck. Dies wurde experimentell nachgewiesen mit sehr klarem Wasser und mit überhitztem Wasser, das nicht kocht, auch wenn der Dampfdruck Hunderte Mal höher ist, als der atmosphärische Druck. Wenn sich schließlich  eine reine Wasserdampfblase bildet, hat das Wasser seine „Zugfestigkeit“ erreicht und bricht oder reißt auseinander. Dies wird auch de novo Blasenbildung genannt, d.h. die Blasen entstehen „aus nichts“. In der Realität bilden sich Blasen aber eigentlich immer „aus etwas“, und dieses Etwas ist ein kleiner gasgefüllter Hohlraum, sei es im Meer oder in unserem Körper. Wer hat eigentlich behauptet, dass Physik langweilig ist?

Über den Autor

Richard Vann promovierte am Duke Center for Diving Medicine and Environmental Physiology in Biomedizintechnik. Er untersuchte die Blasenbildung und den Austausch von Inertgasen. Er entwickelte Dekompressionsprozesse, die von Forschungstauchern und Astronauten der Space Station auf Außenbordeinsätzen angewandt werden. Vann ist Vizepräsident im Bereich Forschung bei DAN

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