Safety
Unterwasser-Scooter: Spielzeug, Werkzeug, dummes Zeug
Vorteile und Risiken von Diver Propulsion Vehicles (DPV)
Beginnen wir mit einer kleinen Geschichte: Drei Taucher (A, B, C) traten einen Deko-Tauchgang auf eine Tiefe von 50 Metern an. Neben einem Doppelgerät führte jeder Taucher zwei Deko-Flaschen mit 50% Nitrox bzw. reinem Sauerstoff mit sich. Wegen der zu erwartenden starken Strömung und dem Umfang der Ausrüstung entschied das Team, für diesen Tauchgang Unterwasser-Scooter zu mieten.
Nach einem anfänglichen Abstieg auf 30 Meter folgte das Team einem mit Geröll bedeckten Abhang, der zum eigentlichen Ziel des Tauchgangs führte: einem tiefen Riff, dessen oberer Rand bei 42 Metern lag. An diesem Tag war die Strömung sogar noch stärker als erwartet und schob die Taucher vorwärts und abwärts. Das Team hielt kurz an und drehte um, um sich zu vergewissern, dass die Leistung der Scooter für diese Strömung auch in Gegenrichtung ausreichte. Der Test fiel positiv aus, und das Team setzte seinen Weg fort.
Etwa eine Minute später warf Taucher A (in Front) einen Blick hinter sich und sah lediglich eine Lampe statt der erwarteten zwei. Dem Team fehlte ein Mitglied. A und B kehrten um und arbeiteten sich zurück gegen die Strömung. Wenig später fanden sie C, die das Lampesignal für “brauche Hilfe” gab. Eine Peitschenkoralle war in den Propeller von C’s Scooter geraten, und sie steckte fest.
Versuche des Team, den Scooter zu befreien, blieben erfolglos. Die Peitschenkoralle hatte sich um die Propellerwelle gewickelt und klemmte in dem schmalen Spalt zwischen Propeller und dem Gehäuse des Scooters. Das Team entschied, die Koralle zu kappen und den Tauchgang zu beenden. Hierzu wollten sie C und ihren funktionsunfähigen Scooter in einen vor der Strömung geschützten Bereich abschleppen und dort ihre Dekompression absolvieren.
Foto: Nicola Boninsegna
Es gab jedoch einen Haken: Die Leistung der Scooter reichte bei den gegebenen Strömungsverhältnissen aus, solange jeder Scooter nur einen Taucher zog. Mit zwei Tauchern an einem Scooter war dies nicht mehr der Fall. So sehr sich das Team auch bemühte, der Weg den Hang hinauf war versperrt. Alldieweil stieg die Dekompressionszeit an. Nach ein paar Minuten gab das Team auf und enschied sich, im Blauwasser aufzusteigen und mit der Strömung zu driften.
Unmittelbar nach dem ersten Gaswechsel auf 21 Metern setzte das Team eine Boje, um die Bootscrew über die veränderte Situation zu informieren. Die Bootscrew war aufmerksam, folgte der Boje und sammelte die Taucher an der Oberfläche ein, mehr als zwei Kilometer vom geplanten Aufsteigsort entfernt.
Unterwassser-Scooter (auch DPV genannt, für Diver Propulsion Vehicle) werden aus guten Gründen immer beliebter. Sie eröffnen die Möglichkeit, längere Strecken zurückzulegen. Anstrengung zu reduzieren, und dadurch Luft zu sparen. Darüber hinaus bringen sie eine Menge Spaß.
DPVs bieten jedoch auch neue Möglichkeiten, in Schwierigkeiten zu geraten – einige recht offenkundig, andere weniger. Ich nutze meinen Scooter sehr regelmäßig auf technischen Tauchgängen und habe etliche Schüler im Gebrauch von DPVs ausgebildet. In diesem Artikel möchte ich auf einige mögliche Probleme eingehen, die das Tauchen mit Scootern mit sich bringt, und wie man diese Probleme vermeidet. Es versteht sich hoffentlich von selbst, dass dieser Artikel keinen Ersatz für einen Kurs mit einem qualifizierten Lehrer darstellt.
Entwicklung von DPVs
Verbesserungen in der Batterietechnologie haben in den vergangenen Jahren zu einer rapiden Entwicklung von DPVs beigetragen. Die Scooter, auf denen ich selbst gelernt habe, hatten in etwa die Größe einer Tauchflasche und wurden von einer Blei-Säure-Autobatterie mit einer Laufzeit von 50-60 Minuten bei mäßigem Tempo angetrieben. Heutzutage kann eine ähnliche Leistung in einem Gerät vom Format eines Handstaubsaugers untergebracht werden, während tauchflaschengroße Scooter Batterielaufzeiten von mehreren Stunden haben und in der Lage sind, einen Taucher schneller durchs Wasser zu ziehen, als man das auf Dauer möchte.
Der Preis der Macht…
Im Sporttauchen werden Scooter meist als Abwechslung zum nrormalen Tauchbetrieb eingesetzt. Sie ermöglichen Tauchern, längere Strecken zurückzulegen und in einem Tauchgang mehrere nah beieinander liegende Tauchplätze zu besuchen. Insbesondere für neue Nutzer ist die Erfahrung, sich schnell durch das Wasser zu bewegen, per se ziemlich aufregend. Ich habe anderweitig reife Erwachsene erlebt, die wie Vierjahrige auf einem Zuckerwatte-High durchs Wasser schossen und den Finger nur widerstrebend vom Fahrhebel nehmen wollten. Weniger frivole Zwecke von DPVs im Sporttauchen sind das Sparen von Atemgas durch reduzierte Anstrengung, sowie das Überwinden von Strömungen.
Im technischen Tauchen verschiebt sich der Schwerpunkt ein wenig. Hier dienen DPVs als Werkzeuge – obschon sie zugegeben weiterhin Spaß machen. Das Vermeiden von Anstrengung wird mit zunehmender Tiefe wichtiger, und die Fähigkeit, einer Strömung zu trotzen, kann den Unterschied zwischen einer gemütlichen Deko an einer geschützten Stelle des Riffs und einem Aufstieg im Blauwasser mit Drift ins Ungewisse machen. Im Höhlentauchen ermöglichen Scooter, den Erkundungsradius erheblich zu erweitern und Bereiche von Höhlen aufzusuchen, die ohne Scooter entfernungsbedingt unzugänglich wären.
Die meisten meiner Tauchgänge finden in einer für ihre Strömungen bekannten Umgebung statt (Puerto Galera auf den Philippinen). Für uns sind DPVs ein mehr oder weniger unverzichtbares Hilfsmittel bei tieferen Dekompressionstauchgängen – sie ermöglichen uns dort zu sein, wo wir sein wollen, statt von der Strömung dorthin getragen zu werden, wo wir nicht sein wollen.
Foto: Elke Riedl
…ist Verantwortung.
Scooter sind schnell; das ist ihr Zweck. Ohne Gefahr zu laufen, sich zu überanstrengen, sind geübte Taucher ohne Scooter in der Lage, ein Schwimmtempo von etwa 15 Metern pro Minute aufrechtzuerhalten. Ein Scooter im mittleren Preisbereich ist locker dreimal so schnell. Wenn sich Taucher in unterschiedliche Richtungen bewegen, kann aufgrund dieser Geschwindigkeit (bei sagen wir 15 Metern Sicht) der Verlust eines Tauchpartners eine Sicht eine Frage von Sekunden sein. Gute Teamdisziplin ist unverzichtbar, und das Mitführen einer Lampe auch auf Tagtauchgängen sehr sinnvoll – nicht um besser zu sehen, sondern um besser gesehen zu werden.
Druckausgleich ist ein zweiter, wichtiger Punkt. Auch wenn Scooter nicht zum Auf- oder Abstieg verwendet werden (dürfen!), kommt es dennoch vor, dass sich während der Fahrt die Tauchtiefe ändert – entweder versehentlich, oder auf dem Weg ein leicht geneigtes Riff hinauf oder hinab. Besonders im Flachasser können rasche Tiefenwechsel Probleme mit dem Druckausgleich bis hin zum Barotrauma verursachen.
Aufgrund der Kompression und Ausdehnung von Anzug und Tariermittel (BCD) verursachen Änderungen der Tauchtiefe auch Änderungen in der Tarierung. Beim Tauchen mit DPV kommt es leicht vor, dass man diese Änderungen nicht wahrnimmt. Ein positiv tarierter Taucher beispielsweise kann seinen Fehler dadurch kompensieren, dass er den Scooter unbewusst leicht nach unten richtet. Dies verursacht erstens unnötigen Wasserwiderstand; zweitens führt es zu einem unbeabsichtigten Aufstieg, sobald der Taucher den Finger vom Hebel nimmt.
Wer sich schon einmal in starker Strömung an einem Felsen festgehalten hat, kennt diese Situation vielleicht: Der Wasserdruck auf die Luftdusche führt dazu, dass die zweite Stufe auslöst und beginnt, Luftblasen zu verströmen. Ein schneller Scooter kann den gleichen Effekt haben und dem Taucher ein Grinsen im Gesicht, eine Fahne von Blasen im Fahrwasser, und wenig später eine unangenehme Überraschung bescheren.
Um dies zu vermeiden empfiehlt es sich, nicht in Gebrauch befindliche zweite Stufen (d.h. den Oktopus oder Backup) herunterzuregeln und idealerweise an einer Stelle zu tragen, wo man einen eventuellen Freifluss bemerken würde. Ein kurzer Schlauch unter dem Kinn ist besser als die traditionelle Sporttaucher-Konfiguration, bei der der Oktopus an der Schulter oder der rechten Körperseite getragen wird. Die Kontrolle des Finimeters während der Fahrt ist eine wichtige Fertigkeit und einer der Gründe, warum für den einhändigen Gebrauch ausgelegte Scooter (mit am Geschirr eingehakter Zugleine) gegenüber Modellen zu bevorzugen sind, deren Gebrach beide Hände des Tauchers beansprucht.
Diese wichtigen Aspekte – Zusammenhalt des Teams, Druckausgleich, Tarierung, Flaschendruck – können schnell vergessen werden, wenn der Taucher unerfahren, schlecht ausgebildet, oder schlicht unaufmerksam oder durch das DPV selbst abgelenkt ist
Navigation
Scooter-Tauchgänge enden nicht selten weit vom Ausgangspunkt entfernt – möglicherweise außer Sichtweite. Wenn die Planung für den Ausstieg aus dem Wasser das Einsammeln der Taucher durch ein Boot beinhaltet, muss der Bootscrew dieser Endpunkt vorher mitgeteilt werden. Die relativ hohe Geschwindigkeit macht es außerdem wahrscheinlicher, dass Taucher Fehler bei der Navigation machen und sich verirren. Das gilt insbesondere dann, wenn die Handhabung des Scooters selbst noch einen erheblichen Teil der Aufmerksamkeit des Tauchers beansprucht.
Foto: Nicola Boninsegna
“Aus einem Scooter-Tauchgang kann man sich nicht herausschwimmen.”
Mit DPVs können Taucher Orte aufsuchen, die ohne Scooter unzugänglich wären. Der klassische Anwendungsfall hierfür ist das Höhlentauchen; Strandtauchgänge stellen eine weitere Möglichkeit dar. Mit einem DPV ist eine Distanz von 500 Metern schnell zu bewältigen; beim Schwimmen in voller Ausrüstung hingegen sind sie ein weiter Weg. Sollten sich Taucher also entscheiden, Scooter auf diese Art und Weise einzusetzen, brauchen sie einen Plan B für den Fall, dass ein Scooter ausfällt.
Der Ausfall eines Scooters kann auf verschiedene Arten und Weisen verursacht werden. In der Vergangenheit war die Batterie der hauptsächliche Schwachpunkt. Dank technologischer Weiterentwicklung ist dies jedoch nur noch bei extremen Höhlentauchgängen oder sehr schwachen (oder veralteten) Scootern der Fall.
Weitere mögliche Szenarien für den Ausfall eines Scooters sind Obstruktion des Propellers (z. B. durch Peitschenkorallen oder Angelschnur), mechanische Beschädigung des Fahrhebels, oder Schäden an der Elektronik durch Überhitzung oder Eindringen von Wasser. Bessere Sccoter haben Sicherheitsfunktionen, die Lösungen für einige mögliche Probleme bieten, z. B. .Überbrückungsschalter für die Fahrhebel-Elektronik. Nichtsdestoweniger bleibt der Scooter eine mögliche Fehlerstelle, und die Möglichkeit eines Ausfalls muss bei der Tauchgangsplanung berücksichtigt werden.
Bei den meisten Tauchgängen im Freiwasser kann die Reaktion auf einen Scooter-Ausfall der direkte Aufstieg an die Oberfläche sein. Bei Strandtauchgängen mit großer Reichweite kann dies jedoch wenig wünschenswert sein. Dichter Bootsverkehr könnte für Taucher an der Oberfläche eine Gefahr darstellen, und Strömungen den Rückweg zum Strand erschweren oder verunmöglichen.
Bei entsprechender Ausbildung und ausreichend leistungsfähigen DPVs kann das Abschleppen durch einen anderen Taucher eine Lösung darstellen. In Situationen, wo der Aufstieg an die Oberfläche kategorisch ausgeschlossen ist (Höhlentauchen), wird ein Reserve-Scooter erforderlich: EInem schwimmender Taucher würde die Luft ausgehen, bevor er den Asgang erreicht. Wie einer meiner Lehrer gern sagt, “aus einem Scooter-Tauchgang kann man sich nicht herausschwimmen.”
DPVs und Kameras
An einem Korallenriff entlang scooternde Taucher sind gutes Kamerafutter. Wenn man jedoch ein DPV zu steuern, eine Lampe zu halten, seine Tarierung zu kontrollieren, auf seinen Flaschendruck und seine Tauchpartner zu achten hat, sind die gleichzeitige Handhabung eines Selfie-Sticks und das Richten der Frisur des Guten zuviel.
Es gibt jedoch Optionen: Bei entsprecheder Planung und Absprache im Team könnte man einen Drehort wählen, dort seine Videos schießen, anschließend die Kamera wieder einpacken und mit dem Tauchgang fortfahren. Eine weitere Möglichkeit ist, auf dem Scooter eine Action Cam zu montieren und den geamten Tauchgang aufzuzeichnen.
Zum Schluss
Ob Spielzeug oder Werkzeug, das Potential von Scootern ist nicht zu leugnen. Der kompetente und sichere Einsatz erfordert jedoch Wissen, Ausbildung, Übung, Planung, und Disziplin. Ich hoffe, dieser Artikel inspiriert den/die eine(n) oder andere(n) von euch, den Versuch zu wagen und eine neue Art zu tauchen zu entdecken. Oder, wer schon DPV-Taucher(in) ist, einen Schritt weiter zu gehen und zu lernen, wie Scooter im Tech- und Höhlentauchen eingesetzt werden. Zoom-zoom.
Der Autor
Tim Blömeke unterrichtet Tech-Tauchen in Taiwan und auf den Philippinen. Er ist Autor und freier Übersetzer, sowie Mitglied des Redaktionsteams von Alert Diver. Er taucht einen Fathom Mk3 CCR. Im Netz erreicht man ihn über seinen Blog und auf Instagram.