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„Wie hätten Sie Ihre Qualle denn gerne? Mit Essig und Öl?“

In der amerikanischen Komödie „Nach 7 Tagen – Ausgeflittert“ trifft der bekannte Hollywood-Darsteller Ben Stiller auf ein giftiges, quallenartiges Meerestier. Nachdem er von einer Portugiesischen Galeere (und dabei handelt es sich nicht um eine Qualle, sondern um eine auch Siphonophorae genannte Polypenkolonie) genesselt wird, sieht man Stiller während seiner Flitterwochen in Mexiko schreiend am Strand entlang laufen. Und das einzige, zur Verfügung stehende, lebensrettende Mittel ist das frische Urin seiner Frau. Igitt! Kein Wunder, dass sich die Taucher und Schwimmer der Welt so dringend eine andere Behandlungsmöglichkeit wünschen.

Bei der Portugiesischen Galeere handelt es sich um einen Organismus, der aus einer Kolonie, also aus unzähligen winzigen Einzelorganismen besteht. Eine Qualle dagegen ist ein einziger vielzelliger Organismus. Was allerdings beide verbindet, ist ihr Stich. Und genau darum geht es in diesem Artikel…

An den Tentakeln von Quallen befinden sich Zellen, die mikroskopisch kleine, mit Gift gefüllte, scharfe Harpunen auf jeden abschießen können, der ihnen zu nahe kommt. Für einen Wassersportfan hat das unangenehme Schmerzen und Ausschläge (Rötungen) zur Folge — für die Qualle ist es ein Überlebensmechanismus.

Glücklicherweise ist warmer Urin nicht die einzige Behandlungsmöglichkeit bei Quallenstichen und ähnlichen Verletzungen. Unterschiedliche Quallen haben unterschiedliche Gifte, daher kann sich auch die Behandlung unterscheiden. Tatsächlich haben Wissenschaftler der notfallmedizinischen Abteilung des chirurgischen Instituts der Universität Stanford vor Kurzem herausgefunden, welche Behandlung sich bei den unterschiedlichen Stichen jeweils am Besten eignet. Eine gute Behandlung von Quallenstichen sollte die Schmerzen wirkungsvoll lindern, die Absonderung des Gifts reduzieren bzw. stoppen und eine Entzündung der Haut verhindern.

Leider hat man auf einem Tauchboot oft nur eingeschränkte Behandlungsmöglichkeiten.  In den meisten Notfall- und Erste Hilfe-Kursen wird empfohlen, das Gift zu neutralisieren, indem man die betroffene Stelle zunächst mit Essig aus 4% oder 6% Essigsäure wäscht und sie dann in heißes Wasser eintaucht. Falls das heiße Wasser nicht zum Abklingen des stechenden Schmerzes führen sollte, wird empfohlen kaltes Wasser, Alkohol, Fleischzartmacher oder Natron zu verwenden. Lidocain – ein lokalanästhetisches Kortison –, ein entzündungshemmendes Medikament oder eine sterile Kochsalzlösung — eine dem Meerwasser ähnliche Flüssigkeit, könnten auch helfen.

Falls keines der oben genannten Mittel hilft, dann sollte man das verwenden, worin die Qualle lebt – Meerwasser.  Jede Veränderung der Osmolarität kann zu einer Entladung von Nematozysten führen. Um genau das zu vermeiden, lässt sich Meerwasser auch gut durch Kochsalzlösung bzw. Süßwasser gut durch Leitungswasser ersetzen.

Die gute Nachricht ist: das ist nur Erste Hilfe – sobald man wieder an Land ist, ist man im Behandlungsparadies. Denn da kann man einen Arzt aufsuchen, der einen mit dem echten Zeug behandelt – mit Schmerzmitteln, Antibiotika, Desinfektionsmitteln und allem, was man sonst noch braucht.  Das Risiko einer Ersten Hilfe-Behandlung an Bord liegt darin, dass man bei falscher Behandlung eine Entladung der in der Haut steckenden, noch inaktiven kleinen Harpunen auslösen kann. Und dann kommen die Schmerzen zurück. Aua!

Wenn das Zusammentreffen mit Quallen nur zu Hautausschlägen und Schmerzen führen würde, dann wären sie wohl nichts weiter als ein vorübergehendes Ärgernis.  Manchmal kann das Gift jedoch hämolytische, neurotoxische oder kardiotoxische Komponenten enthalten, die durch einen anaphylaktischen Schock bzw. eine Atem- oder Herzstillstand zum Tod führen können. In dieser speziellen Studie liessen sich 96 Freiwillige am Unterarm von einer Chrysaora chinensis-Qualle stechen. Die Stiche wurden behandelt und die Reaktion auf die jeweilige Behandlung hinsichtlich Schmerzen und Rötung nach einem Punkteschema bewertet. Zur mikroskopischen Untersuchung der Zunahme bzw. Abnahme der Nematozytenentladung, wurden dieselben Behandlungsmethoden auch durch In-vitro-Tests überprüft. Untersucht wurde die Behandlung mit Isopropylalkohol, heißem Wasser, Essigsäure, Fleischzartmacher, Lidocain und Natron.

Überraschenderweise erwies sich der Fleischzartmacher aus Papain am effektivsten. Hierbei handelt es sich um ein Enyzm der Papayafrucht, das auch als starker Verdauungshelfer von Proteinen bekannt ist und von dem man annimmt, dass es das Quallengift aufspalten kann.  Keine der anderen örtlichen Behandlungsmethoden erreichte eine vergleichbare statistische Relevanz, da es Schmerzen und Rötungen reduzierte und keine weiteren Nematozytenentladungen auslöste.

Derweil erwies sich der oft empfohlene Essig keineswegs als gute Option. Natron war bei der Reduzierung des Ausschlags am effektivsten (30 Minuten nach dem Stich). Natron und Papain wirkten in Kombination innerhalb einer Stunde. Essigsäure und Isopropylalkohol führten zu einer Nematozytenentladung während Natron, Papain, heißes Wasser bzw. Lidocain dies nicht taten.  Einfaches Meerwasser löste keine Nematozytenentladung aus und funktioniert vermutlich immer, wenn es darum geht die Haut zu reinigen und dabei keine neuen Stiche auszulösen. Die Wissenschaftler gingen davon aus, dass Nematozytenentladungen mit dem menschlichen Schmerzempfinden korreliert. Daher muss eine Nematozytenentladung bei der Behandlung vermieden werden.

Zur Vermeidung weiterer Nematozytenentladungen wurde von der Verwendung von Essigsäure und Isopropylalkohol zur Reinigung abgeraten.

Diese Forschungsstudie wurde von DAN (Divers Alert Network) inspiriert und finanziert.  Obwohl die Studie und ihres statistischen Tests sehr präzise und professionell durchgeführt wurden, wiesen die Autoren jedoch deutlich auf die Grenzen der Studie hin und darauf, dass die Ergebnisse nicht allgemein gültig und auf alle Arten von Quallen anwendbar seien.

Es gibt also vermutlich noch einige weitere Überraschungen zu entdecken. Halte Dich über die neuesten Entwicklungen der Tauchmedizin auf dem Laufenden, indem du regelmäßig unsere medizinischen Nachrichten liest. Oder reiche deine eigenen Forschungsideen bei DAN ein!


Referenzen:

Efficacy of Topical Treatments for Chrysaora chinensis Species: A Human Model in Comparison with an In Vitro Model. Wilderness Environ Med., März 2016; 27(1): 25-38. DeClerck MP1, Bailey Y2, Craig D2, Lin M2, Auerbach LJ2, Linney O3, Morrison DE4, Patry W5, Auerbach PS2. – Epub 27. Januar 2016.

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