DAN Botschafter
Die Pioniere von Sharm el Sheikh: ein Interview mit Adel Taher
Es war einmal eine umkämpfte Wüste, eine faszinierend geheimnisvolle Bergwüste, die auf das schönste Meer der Welt hinabsah: das Rote Meer. Dort, auf der Sinai-Halbinsel träumten ein paar Taucher von einem Leben ganz im Rhythmus von Wüste und Meer. Und gründeten eines der beliebtesten Tauchziele der Welt: Sharm el Sheikh. Sie waren DAN Mitglieder und hatten eine sehr genau Vorstellung davon, wie man Touristen empfangen und für Tauchsicherheit sorgen sollte. Sie wussten: wenn du willst, dass deine Taucher wiederkommen, dann musst du sicherstellen, dass sie von jedem Tauchgang wirklich unbeschadet zurückkehren…
Dr. Adel Taher, 59 Jahre: Medizinischer Leiter der Druckkammereinrichtung „Hyperbaric Medical Center (HMC)“ in Sharm el Sheikh und Dahab seit 1993. Dr. Taher ist seit 1994 Regional Director von DAN-Egypt, seit 1982 Tauchlehrer und er gilt als einer der führenden Experten für Überdruckmedizin weltweit.
– Sharm el Sheikh. Wann war das erste Kennenlernen?
Dr. Adel Taher
Ich kam am 24. April 1982 spätabends in Sharm el-Sheikh an. Nach einer langen und anstrengenden Reise auf Straßen, von denen wir nicht gewusst hatten, dass sie seit Jahren nicht mehr instand gehalten wurden. Zusammen mit meinem Freund, dem Ingenieur Farid Atteia hatte ich das Privileg mich der Armee und der ersten aus Zivilisten bestehenden Stadtverwaltung anschließen zu dürfen, die die sogenannte "Sektion C" des Sinais gemäß des Camp David Abkommens von den Israelis übernahmen. Das war etwas Besonderes. Das Warum und Wie ist eine lange Geschichte, aber wir waren doch tatsächlich die ersten Ägypter, die nach der Rückgabe bei Ras Mohamed tauchen gingen.
– War es Liebe auf den ersten Blick?
Dr. Adel Taher
Etwa eine Stunde nachdem wir den den Suez-Kanal zur Sinai-Halbinsel überquert hatten, hatte ich das merkwürdige, ergreifende Gefühl, dass dieses Land anders sein würde als alles, was ich in meinem bisherigen Leben je gesehen hatte. Und ich wusste noch ehe ich meinen Kopf das erste Mal ins Wasser steckte, dass meine Vorstellungen und Pläne für die Zukunft und für mein Leben sich alle ändern würden… und zwar drastisch! Wüste und Meer hatten mich schon immer fasziniert. Sharm bot mir beides in einer wunderschönen Kombination.
– Die Wüste Sinai ist mystisch. Welchen Einfluss hat sie immer noch auf Ihren Alltag?
Dr. Adel Taher
Die Wüste bedeutet Reinigung und Regeneration, sie unterzieht deine psychischen und körperlichen Fähigkeiten kontinuierlich einer Prüfung. Und dazu kommt ein unglaubliches Gefühl der Euphorie und des Schwebens. Die Wüste von Sharm ist ganz in der Nähe meines Hauses und innerhalb von 15 Autominuten kann ich in einigen faszinierenden Canyons sein, die sonst kaum jemand kennt und dann fühle ich mich, als würde ich ganz oben auf dem Gipfel der Erde stehen. Keine Plastikflaschen, keine Lebensmittelverpackungen, noch nicht einmal Zigarettenkippen… die Schöpfung so wie sie vom Schöpfer gewollt war. Ich versuche jeden Tag meinen Hund mitzunehmen und einen Teil der Wüste in meinen Tagesablauf zu integrieren, entweder sehr früh am morgen oder eine Stunde vor Sonnenuntergang.
– Wie war das Rote Meer als es noch unberührt war? Was hat sich geändert?
Dr. Adel Taher
Das Erste, was mir auffällt, sind die Geräusche. Früher war es, wie Cousteau sagte, „die Welt der Stille”. Nun ja, nicht wirklich still, aber man hörte die „natürlichen” Geräusche des Meeres: das Knabbern des Papageienfisches an den Korallen, das Brechen der Wellen, wenn man in Küstennähe oder an der Oberfläche war. Wenn man Glück hatte, dann hörte man Delphine. Während des ersten und des zweiten Golfkrieges hörten wir sogar überall das „Pingen“ der U-Boot-Sonare! Heute hört man hauptsächlich Bootsmotoren, die Shaker der Tauchlehrer und die Crewmitglieder, die auf die Leitern klopfen damit die Taucher wieder nach oben kommen… Auch das Leben im Meer hat sich sehr verändert. Früher gab es keine abgebrochenen Korallenstücke und dass sich Angelleinen um Fersenbänder von Taucherflossen wickelten, das gab es auch kaum. Es gabe keine Plastikbecher und -flaschen, keine Verpackungen und keine Bierdosen. Der Meeresboden war sauber. Die so genannte „touristische Erschließungen” hat einen traurigen hohen Preis: den bezahlen wir, indem wir immer mal wieder Säuberungstauchgänge organisieren, um das herauszuholen, was andere hineingeworfen haben.
– Sicherheit war der Taucher-Community in Sharm el Sheikh schon immer sehr wichtig…
Dr. Adel Taher
Sicherheit beim Tauchen bedeutet Bewusstsein. Als wir anfingen, da hatten wir keine Druckkammer, keine Such- und Rettungsteams, keine Krankenwagen und auch keine Intensivstationen. Wir mussten also im Unterricht deutlich machen, wie wichtig Sicherheit ist. Am Ende ihrer Open Water Kurse waren alle meine Schüler Experten der Themen Dekompressionskrankheiten und Erste Hilfe und wussten genau, wie man die Stiche giftiger Fische richtig versorgen musste. Divemaster lernten noch mehr. Sie konnten, wenn nötig, Wunden nähen und Infusionen geben. Es war vielleicht unorthodox, aber es rettete Leben. Wir konnten neue Richtlinien einführen, wie z.B. die Pflicht Sauerstoff an Bord zu haben und wir kämpfen nach wie vor dafür, dass die Sauerstoffsysteme vereinheitlicht und so effektiv werden wie die Systeme von DAN. Am Wichtigsten dabei ist es, die Menschen aufzuklären. Wir sprechen mit Tauchprofis, mit Geschäftsführern und Eigentümern von Tauchbasen und auch mit den Behörden, damit sie uns dabei unterstützen, dass Sicherheit durch Richtlinien gewährleistet wird. Das funktioniert nicht immer, aber wir bemühen uns weiter. 1993 schaffte ich es endlich, dass in Sharm el-Sheikh eine Druckkammereinrichtung eröffnet wurde. Das war, als würde ein Traum wahr werden. Das Hyperbaric Medical Center und sein Team hat Tausende Leben gerettet. Es arbeitet seit März 1993 ohne Pause, reagiert auf alle Notfälle und hat noch nie einen Patienten abgelehnt.
– Und dann war da DAN Egypt…
Dr. Adel Taher
DAN-Egypt ist eine Tochtergesellschaft von DAN-Europe. Das erste Mal sprach ich 1994 mit Professor Alessandro Marroni darüber, als unser gemeinsamer, mittlerweile verstorbener Freund Rheinhard Berger ein Treffen arrangierte und wir nach der BOOT von Deutschland aus nach Roseto fuhren. Seit jenem Tag ist Sandro ein echter Freund, Mentor und ein Schutzschild, das uns in harten Zeiten schützt. Er unterstützt DAN-Egypt voll und ganz und das erlaubte es uns zu expandieren und zu wachsen und allen DAN Mitgliedern und Nichtmitgliedern bei Notfällen in Ägypten und in den Nachbarländern zu Hilfe zu kommen. Die Kurse, die DAN den Tauchern anbietet, haben ihr Verständnis von Sicherheit und Verantwortung verändert. Und ich wage es zu behaupten, dass DAN Mitglieder im Vergleich zu Durchschnittstauchern ein sehr viel besseres Verständnis von Sicherheit haben. DAN-Egypt hat auch zu einigen Forschungsprojekten von DAN Research beigetragen und wir sind immer sehr daran interessiert dabei zu helfen, dass sich unser Verständnis von dem, „was falsch läuft und zu Tauchunfällen führt“ zu erweitern.
Ich werde viel und oft zum Thema Tauchunfälle gefragt und dann sage ich: „Tauchsicherheit ist nicht mehr als gesunder Menschenverstand, aber leider scheint es, dass dieser gesunde Menschenverstand gar nicht mehr so weit verbreitet ist.” Dank DAN ändert sich das!
– Ihr Lieblingstauchplatz?
Dr.Adel Taher
Das ist eine sehr schwierige Frage! Die beiden Wracks bei den Brothers Islands, die Numidia und die Aida. Außerdem die Steilwand von Ras Mohamed und die nördliche Spitze des Jackson Riffs in der Straße von Tiran.
Der beste Tauchplatz kommt aber noch. Ich träume immer davon, einen neuen Platz im südlichen Roten Meer, in Halaieb und Shalatin zu finden. Es ist einfach das großartigste Gefühl, einen neuen Tauchplatz zu erkunden und davon überzeugt zu sein, dass deine Augen die ersten menschlichen Augen sind, die ihn zu sehen bekommen.
– Was empfiehlt der Experte Tauchern, die nach Sharm kommen?
Dr. Adel Taher
Trinken, trinken und noch mehr trinken! Das Tauchen wird großartig und es wird viele Faktoren geben, die zur Dehydrierung führen: deine Flugreise, das trockene, heiße Wetter, der Nassanzug, den du trägst, das Warten in der Sonne bis die anderen Taucher fertig sind, längere Tauchzeiten, da das Wasser eine angenehme Temperatur hat und die Sicht großartig ist, die trockene Luft, die du aus deiner Flasche atmest, der Alkohol, den du am Abend zuvor getrunken hast und die zwei Tassen Kaffee zum Frühstück. Dabei gehen wir natürlich davon aus, dass du keine Reisediarrhoe bekommst und dir bei der Bootsfahrt auch nicht übel wird!
Es ist gut orale Rehydrationslösung (ORL) dabei zu haben und Sonnencreme für empfindliche Haut kann dir deinen Urlaub retten. Wir hoffen, dass wir dich bald hier bei uns sehen und du bist herzlich eingeladen, einmal die Druckkammer zu besichtigen.
Dr. Adel Taher – Fakten und Kurzlebenslauf
1982 – Abschluss in Medizin und Chirurgie (MB, BCh), Universität Kairo
1982 – Ankunft und erster Tauchgang in Sharm el Sheikh
1982 – PADI Open Water Scuba Instructor & Master Scuba Diver Trainer
1993 – Eröffnung des Hyperbaric Medical Center und Medizinische Leitung
1994 – DAN Egypt – als Medical Director: Behandlung von Tauchunfällen, Besetzung der 24- Stunden-Hotline, Taucherausbildung in Tauchsicherheit und die Verwendung von Sauerstoffsystemen, Kontrolle der Versicherung von Profi- und Sporttauchern und Aufklärung zum Thema Sicherheit, Beratung von Regierungsbehörden zum Thema Tauchsicherheit, Teilnahme an verschiedenen tauchmedizinischen Forschungsprojekten und Konferenzen.
2006 – Eröffnung des Dahab Hyperbaric Medical Centre und der Sea Rescue Facility (HMC) zur Rettung auf See.
2008 – Geschäftsführer der Sharm Medical Group, Sinai Clinic Hospital
2019 – Eingetragen in der International Scuba Diving Hall of Fame, weil er “eine wichtige Rolle bei der Förderung der Tauchersicherheit in der Region des Roten Meeres” gespielt hat.