Foto: Manuela Multari
Die Top 50 Kult-Tauchplätze

Kult-Tauchgang: Die Thistlegorm

Art des Tauchgangs: Wracktauchen

Erfahrungsstufe: Fortgeschrittene und Spezialisten

Ort: 27° 48’ 51” N 33° 55’ 12” E

Länge: 146 Meter

Gesunken am: 6. Oktober 1941 durch eine He-111 (ein deutsches Bombenflugzeug)

In Die schweigende Welt von Louis Malle taucht Kapitän Albert Falco zum allerersten Mal an einem Wrack, das während des 2. Weltkriegs im Roten Meer gesunken ist. Und das Bild der Schiffsglocke, auf der der Name Thistlegorm steht, wird sofort legendär. Mit ihren Motorrädern, LKWs, Beiwagen, Geländefahrzeugen, Flugzeugteilen, Eisenbahnwaggons, Gummistiefeln und Munition (und zwar unglaublich viele Gummistiefel und unglaublich viel Munition), wirkt die Ladung wie eine echte Zeitmaschine. Als ich den Film sah, hätte ich nie gedacht, dass Tauchgänge an diesem Wrack einmal mein täglich Brot werden würden.

BRIEFING

Der Tauchplatz liegt in der Straße von Gubal, durch die starke Winde und Gezeitenströme fegen. Wenn du also mit einer starken und wechselhaften Strömung rechnest, die innerhalb weniger Stunden ihre Richtung um 180° ändern kann, dann täuschst du dich nicht. Falls du nicht von einem RIB aus tauchst, musst du an einer Abstiegsleine abtauchen (und auftauchen!). Wenn du das nicht tust, kann es sein, dass du nicht zur Leine zurückschwimmen kannst oder, falls du sie doch erreichst, dafür eine halbe Flasche Atemgas geopfert hast. Deine alternative Luftversorgung sollte so positioniert sein, dass ein lockeres Herunterhängen in der Strömung vermieden wird: das Mundstück sollte also fest bedeckt sein oder in Flussrichtung ausgerichtet sein.

Wenn es einen Tauchgang auf der Welt gibt, für den sich ein Nitrox-Brevet lohnt, dann für die Thistlegorm. Der erste Tauchgang führt normalerweise außen am Wrack entlang. Du kannst Nitrox 32 oder sogar 36 (mit einer Maximaltiefe von 28,8 m) verwenden, wenn du nicht vor hast bei 32 Metern auf dem Meeresboden herumzusitzen.

Wenn die Strömung von Norden her kommt treffen sich am Bug massenweise Makrelen, Riffbarsche, Füsiliere und Thunfische. Von unten wie von oben ist das ein beeindruckendes Schauspiel. Zwischen dem Heck und der Explosionsstelle schweben Fledermausfische und Barrakudaschwärme. Am Bug ist der Selfie-Spot. Das Heck liegt tiefer, fast 90° Grad geneigt. Das ist der Tauchgang, bei dem es dem Luftverbrauch ernsthaft an den Kragen geht.

Der zweite Tauchgang geht ins Innere des Schiffswracks hinein. Hier ist eine Nitrox 36-Gasmischung angemessen. Eine niedrigere prozentuale Mischung macht an einem Tauchplatz, bei dem die Maximaltiefe 26 Meter erreicht, keinen Sinn. Hier ist der Luftverbrauch minimal, da es kaum Strömung gibt. Die Laderäume befinden sich auf zwei Ebenen. Nicht alle sind mit einander verbunden, aber alle sind, wie es bei den meisten Frachtschiffen der Fall ist, zur Mitte hin offen, damit einfach be- und entladen werden kann.  In den Laderaum Nr. 1 links kann auf keiner der beiden Ebenen getaucht werden, da an Deck ein Tankwagen eingegrochen ist. Der Laderaum Nr. 3 ist fast komplett dunkel, schwierig zu erreichen und nicht interessant: er enthält nur Kohle. Die hintersten Winkel der Laderäume zu erforschen ist nicht immer die beste Idee. Man bleibt besser in der Nähe der zentralen Öffnungen. Die Sicht ist innen meist ganz in Ordnung und von außen ist auch alles zu sehen.

Bei einer vor kurzem von HEPCA durchgeführten Untersuchung wurde festgestellt, dass die Stahlstrukturen des Wracks schwächer geworden sind. Auf den Decks wurden Löcher gebohrt, damit die Luftblasen besser entweichen können, weil sie die Hauptursache für Korrosion sind. Und zum Schutz des Wrackkörpers  wurden Ankerketten darum gelegt.

ACHTUNG:
Versuche hier nicht zu tauchen, wenn du nicht wirklich Erfahrung hast und körperlich fit genug bist: 
an der Thistlegorm allein kommt es zu mehr Unfällen als an allen anderen über 90 Tauchplätzen in Sharm el Sheikh! 
Das Hauptrisiko geht von den Schiffspropellern der Boote und RIBs aus. Man sollte immer an einer Leine aufsteigen. 
Das Meer kann sehr rau sein und der Aufstieg zur Tauchplattform eines verankerten Bootes kann gefährlich und körperlich anstrengend sein. 
Deko-Tauchgänge sollten bei starker Strömung und rauer See vermieden werden. Es empfiehlt sich Bauarbeiterhandschuhe oder andere widerstandsfähige Handschuhe zu tragen.

Logistik: in 2-4 Stunden Fahrt von Sharm el Sheikh, Hurghada oder El Gouna aus zu erreichen.
Flughäfen: Sharm el Sheikh, Hurghada, El Gouna


Rolf Schmidt, Adel Taher und John Keen sprechen über die Sicherheit auf der Thistlegorm:

Andrea Zuccari mit einem Unterwasser-Scooter am Wrack. Mit einem Hintergrundkommentar vom Filmregisseur Ahmed Sharif.


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