Foto: Davide Bastiani
Erkenntnisse aus Unfällen

Umgang mit Überraschungen

Lagebewusstsein und grundlegende Sicherheitsvorkehrungen können Leben retten.

Als bei einem Tauchgang in tropisch warmen Gewässern sich plötzlich die Bedingungen änderten, entschied der Leiter unserer Gruppe, den Tauchgang abzubrechen. Seine Kenntnis der taucherischen Fähigkeiten der Gruppe, das umschlagende Wetter und die rauer werdende See veranlassten ihn dazu, eine Reihe wichtiger und richtiger Entscheidungen zu treffen.

Unsere Gruppe begann, sich langsam von dem Riff zu entfernen, an dem wir auf 10 Metern Tiefe getaucht hatten. Ich war am hinteren Ende der Gruppe. Irgendwann merkte ich, dass ich häufig einen Druckausgleich machen musste. Ein Blick auf den Tiefenmesser zeigte mir, dass ich auf 15 Meter abgestiegen war. Ich begann, kräftiger mit den Flossen zu schlagen und pumpte ein wenig mehr Luft in mein Tariermittel. Als sich mein Partner zu mir umdrehte und das OK-Zeichen gab, antwortete ich ebenfalls mit “OK.”

ich bemühte mich weiterhin aufzusteigen und dabei die Gruppe im Auge zu behalten, doch ich musste weiterhin häufig den Druckausgleich machen. Ich pumpte mehr Luft in mein Tariermittel und verstärkte meine Anstrengungen, nach oben zu schwimmen. Trotzdem sank ich auf 21 Meter ab. Ich war in einer Abwärtsströmung gefangen.

Als mein Tauchpartner das nächste Mal Kontakt aufnahm, signalisierte ich, dass ich ein Problem hatte, und er kam mir zur Hilfe. Wir hakten uns mit den Armen unter, und es gelang uns, aus der Abwärtsströmung herauszukommen und die Gruppe zu erreichen, die gerade ihren Sicherheitsstopp absolvierte. Mein Partner sagte später, er sei besorgt gewesen, dass wir möglicherweise zu schnell aufgestiegen seien, doch sein Tauchcomputer bestätigte, was ich bereits wusste: Aufzusteigen kostete Arbeit. Die gesamte Episode dauerte etwa zweieinhalb Minuten.

Was haben wir richtig gemacht?

Mehrere Elemente trugen zu diesem glimpflichen Ausgang bei: Erstens bemerkte ich, dass es ein Problem gab, und wurde aktiv. Durch verstärktes Schwimmen und mehr Luft im Tariermittel konnte ich der Abwärtsströmung widerstehen. Während meine Ausbildung und Erfahrung mir sagten, dass ich näher am Riff tauchen sollte, um aus der Strömung hinauszukommen, stand mir diese Option unter den gegebenen Umständen nicht zur Verfügung, da wir uns im Freiwasser befanden.

Zweitens bat ich um Hilfe, als meinen eigenen Anstrengungen nicht das gewünschte Ergebnis brachten. Gemeinsam hatten mein Partner und ich die Kraft, uns aus der Strömung zu befreien.

Drittens blieb mein Tauchpartner aufmerksam und in meiner Nähe, so dass er mir die benötigte Hilfe leisten konnte. Wäre ich solo getaucht oder von der Gruppe getrennt worden, hätte die Sache schlimm ausgehen können.

Ruhe bewahren und überlegt zu Handeln sind wichtige Elemente bei jeder Problemlösung. Als mein Partner mir zur Hilfe kam, hatte ich immer noch Zeit, mein Blei abzuwerfen. ich hatte noch ausreichend Luft, und ich war nicht zu tief für das Nitrox-Gemisch in meiner Flasche. Durch rechtzeitiges Handeln konnten wir die Kette der Ereignisse brechen und eine Eskalation des Problems verhindern.

Lagebewusstsein ist für das sichere Tauchen und eine zügige Reaktion auf Probleme unabdingbar. Bei diesem Vorfall waren sowohl ich als auch mein Retter aufmerksam und konnten so einen Unfall vermeiden. Bei Rettungsfertigkeiten geht nicht nur darum, Anderen zu helfen. Selbstrettung, die Fähigkeit eine Gefahr zu erkennen, und bei Bedarf um Hilfe zu bitten sind genauso wichtig.


Die Autorin

Als Patty Seary 2008 zu DAN stieß, brachte sie neben ihrer Ausbildung als Tauchlehrerin und Kusleiterin über 30 Jahre Erfahrung aus dem Gesundheitswesen und als Ausbildertrainerin für Herz-Lungen-Wiederbelebung mit. Als Training Director bei DAN war sie federführend an der Gestaltung von DANs Erste-Hilfe-Kursen beteiligt, die noch heute von Tauchern und Verbänden in aller Welt verwendet und unterrichtet werden. Patty ist heute in anderen Bereichen der Rauchbranche aktiv.


Der Übersetzer

Tim Blömeke unterrichtet Tech- und Sporttauchen in Taiwan und auf den Philippinen. Er ist Autor und freier Übersetzer, sowie Mitglied des Redaktionsteams von Alert Diver. Er taucht einen Fathom CCR. Im Netz erreicht man ihn über seinen Blog und auf Instagram.


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