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Ein Interview mit Michele Geraci

Am 24. August 2014 erreichte Michele Geraci vor dem Kap Ampelio von Bordighera/Ligurien eine Tauchtiefe von 253 Metern und wurde damit der tiefste Taucher Italiens.

– Aber du hattest noch ehrgeizigere Ziele, Michele…

Mein Ziel war es tief zu tauchen, sehr tief: 340 Meter, eine Tiefe, die ich nach spätestens 14 Minuten erreichen musste. Andernfalls würde ich die Reserveluft verbrauchen, die eigentlich für einen Notfall gedacht war. Ein Problem mit einem Ventil machte mich langsamer und Minute 14 meldete sich schon kurz nach 250 Metern. Also brach ich meinen Abstieg ab.

– Aber du bist trotzdem mit einem Lächeln aufgetaucht…

Ja, es war ein guter Tauchgang und ich bin ohne Probleme wieder aufgetaucht. Manchmal ist es sehr schwer aufzuhören. Wenn du aufhören kannst, dann heißt das, du hast dich selbst unter Kontrolle.

– Du und das Tauchen: wie hat die ganze Geschichte angefangen?

Mein Vater ist Taucher der alten Schule und als ich 8 Jahre alt war, schnallte er mir eine kleine 4 Liter "Aralù"-Flasche auf den Rücken. Ich erinnere mich noch, wie ich vom Strand aus ins Wasser ging und eigentlich nur 10 Minuten drin bleiben sollte. Aber er musste so lange auf mich warten, bis meine gesamte Luft verbraucht war, ich wollte einfach nicht mehr rauskommen…

– Was kam zuerst – Freitauchen oder Gerätetauchen?

Freitauchen! Ich habe immer für meine Katze Fische gefangen. Heutzutage betrachte ich das alles als Tauchen und ich wechsle zwischen dem Gerätetauchen, Rebreather-Tauchen und Freitauchen und dem Fotografieren und Fischen hin und her. Wenn ich morgens aufwache, dann schaue ich mir das Meer an und entscheide, was ich mache.

– Du und DAN: Versicherung oder Forschung?

Meine Versicherung bei DAN habe ich 1994 während meines Fortgeschrittenenkurses abgeschlossen, aber bald habe ich verstanden, dass es da noch viel mehr gibt und 1997 wurde ich dann DAN Oxygen Provider Instructor. Bald danach nahm ich an einem Forschungsprojekt mit den Black Boxen von Uwatec teil und sammelte Daten zu Tauchprofilen. Zu der Zeit tauchte ich schon bis auf 150 Meter und war der Ansicht, es sei wichtig, meine Erfahrungen zu teilen, da es nicht viele statistische Daten zu dieser Art Tauchen gab. Aber es gibt noch etwas, das ich an DAN mag: den menschlichen Ansatz der Wissenschaftler. Das ist etwas, dass über die kalten Statistiken, Tabellen und Zahlen hinausgeht.

– Je einen Moment der Angst erlebt?

Ich stehe in DANs Schuld. Ja, ich kann sagen, ich verdanke DAN mein Leben. Auch wenn es ein Zufall war. Meinen Tauchrekordversuch machte ich an einem vertikalen Kabel und da das Risiko, sich irgendwo zu verfangen minimal war, hatte ein Messer für mich keine Priorität und ich ließ es oben. Während des Aufstiegs stellte ich auf 140 Metern fest, dass ich mich mit meinen fünf Tanks in der Schleife des Kamerakabels verfangen hatte. Ich konnte weder hoch noch runter! Ich steckte fest und als ich auf den Bildschirm meines Computers sah, da bemerkte ich ein kleines Sicherheitsmesser, das DAN mir 6 Monate zuvor geschenkt hatte. Ich hatte es in das Armband des Computers gesteckt und völlig vergessen! Ich bekomme heute immer noch Gänsehaut, wenn ich mir das Video anschaue.

– Erzähl mir von einem "Wow"-Moment 

Nur ein Beispiel: Ich tauchte mit einem Freund am Wrack der Tirpitz vor Sanremo und am Ende des Tauchgangs näherte sich uns ein Delphin – in 70 Metern Tiefe! Das Unglaublich dabei war aber, dass wir die gesamten anderthalb Stunden Dekompressionszeit damit verbrachten, sein Herumtollen zu bewundern. Nachdem wir aus dem Wasser gestiegen waren und unsere Ausrüstung abgelegt hatten, tauchten wir noch einmal mit ihm und später spielte er dann noch vor unserem Bug und eskortierte uns bis in den Hafen. Ganz ehrlich, wow!

– Als Ausbilder und Berater, wie trägst du da zur Tauchsicherheit bei?

Ich habe schon viele Projekte durchgeführt, bei denen die meisten in staatlichen Trainingsprogrammen entwickelt wurden. Und jetzt engagiere ich mich für die Sicherheit der Freitaucher bei Wettbewerben im Tieftauchen. Vergangenen Oktober hatte ich die Ehre zum Main Judge der CMAS Apnea Outdoor World Championships ernannt zu werden. Wir hoffen, in Zukunft sogar einfache Trainingseinheiten so sicher wie die Weltmeisterschaften machen zu können.

– Welche Rolle hat ein Feuerwehrtaucher und wie sieht ein typischer Tag aus?

Wir arbeiten in 12-Stunden-Schichten, bei Tag oder Nacht. Tagsüber treffen wir uns um 8 Uhr mit unseren Kollegen aus dem Hauptquartier, frühstücken um 9 Uhr und dann kommen die Übungen, wenn möglich im Meer, ansonsten im Pool. Nach dem Mittagessen sind dann Wartungsarbeiten dran und nach 17 Uhr geht es ins Fitnessstudio oder zum Laufen, wenn wir uns vorher keine „Bläschen" eingefangen haben. Natürlich sind wir immer bereit bei einem Notfall in Aktion zu treten. Jeden Tag werden zwei von uns zur Hubschraubermannschaft beordert.

– Dein geheimer Tauchtraum?

Nun ja, ich würde gerne tiefer als 300m gehen und nicht nur wegen des Rekordes. Und an dem arbeite ich. Aber im Moment ist das Apnoe-Projekt für mich am wichtigsten. Ich würde es gerne bei den Olympischen Spielen im Fernsehen sehen. Ja, wahrscheinlich ist das mein Traum.

– Lass uns mal über deinen Lieblingstauchplatz „Tombant des americains“ vor Nizza sprechen…

Das ist der Ort, an dem ich als Tieftaucher quasi groß geworden bin. Die “Tombant” ist eine unglaubliche vertikale Steilwand, es gibt einen Gipfel bei 55 Metern, mit riesigen Gorgonien bewachsene Felsen und der 55-85-Meter-Gürtel ist so schön – es sieht aus wie auf den Malediven mit roten Korallen, schwarzen Korallen und Schwämmen aller Art! Am Fuß der vertikalen Wand befindet sich eine kurze, abfallende Schlammgalerie, die normalerweise trüb und gespenstisch ist und nicht gerade zum durchtauchen einlädt. Wenn du aber einmal durch bist, dann befindest du dich in der Kuppel einer Höhle, die 118m tief geht. Du hast das Gefühl, du bist in einem Film, das Adrenalin pumpt und du kannst dich nur entspannen, wenn du weitertauchst.  Nach 160 Metern sind da noch mehr Felsen, die Wand wird zu einem Erdhang und es gibt große Felsbrocken in merkwürdigen Formen, die aus dem Meeresboden herausragen wie gotische Wasserspeier mit Fratzengesichtern. Unter 200 Meter dann, ganz viel Schlamm… die abyssische Zone.


Profil

  • Sternzeichen: Jungfrau
  • Alter: 39
  • Heimatort: geboren 1976 in Sanremo, heute lebt er zwischen Genua und Ventimiglia
  • Lieblingstauchplatz: Tombant des americains (Nizza, Frankreich)
  • DAN Mitglied seit 1994

Taucher-Lebenslauf

  • 1995 Dive Master
  • 1997 Ausbilder im Sporttauchen und DAN Oxygen Instructor
  • 1998 Ausbilder im Tec-Tauchen
  • 2000 Trimix Ausbilder und CCR Taucher
  • 2003 Feuerwehrtaucher
  • 2012 Weltrekord im Tieftauchen mit autonomem Kreislauftauchgerät ohne zusätzliche Sicherheitsvorkehrungen 212,5m vor Nizza
  • 2014 Italienischer Rekord (Weltrekordversuch) 253m vor Bordighera


https://www.youtube.com/watch?v=iZX7JJbBXKE
https://www.youtube.com/watch?v=0zk_ktKbkIs
https://www.youtube.com/watch?v=S4rnV9GsVgg

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