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Haie lieben lernen: ein Interview mit Erich Ritter
Erich Ritter ist der Konrad Lorenz der Haie. Ja, er promovierte an der Universität Zürich in „Verhaltensökologie” und ist der einzige professionelle Spezialist für Hai-Mensch-Interaktion. Ritters hauptsächliche Expertise ist die Körpersprache von Haien, wobei er sich vor allem für Haiangriffe und deren Ursachen interessiert. Dank seiner Erkenntnisse über die möglichen Ursachen von Haiangriffen haben sich auf diesem Gebiet der Forschung viele neue Türen geöffnet.
Dr. Erich Ritter (57) ist Leiter der SharkSchool™, einer Institution, die Verhaltensregeln zum Umgang mit Haien unterrichtet. Er ist der Geschäftsführer von SAVN™ , dem Netzwerk für Opfer von Haiangriffen. Und er ist ein anerkannter DAN Ausbilder.
– Dr. Ritter, wie trat das Meer in das Leben eines in der Schweiz geborenen Jungen?
Ich wuchs mit den Fernsehserien „Abenteuer unter Wasser“ und „Flipper”, gefolgt von den Filmen von Cousteau und den Büchern von Hans Hass auf. Damals, als ich 8 Jahre alt war, reisten wir zum ersten Mal nach Mallorca und ich kam in Kontakt mit Meerwasser. Ich weiß noch genau, wie aufgeregt ich war. Außerdem wuchs ich am Zürichsee auf und entwickelte dort einfach eine Liebe zum Wasser…
– Und wann stellten Sie fest, dass Sie eine echte Leidenschaft für Haie besaßen?
Das begann mit dem ersten Hai, den ich im Fernsehen sah. Da war ich 7 Jahre alt. Ich war fasziniert davon, dass solche Wesen überhaupt existierten, aber etwas störte mich schon von Anfang an: die Beschreibungen des Erzählers der Serie, die für mich nicht stimmig waren. Sie wühlten etwas in mir auf, das ich nicht erklären konnte. Als ich 10 Jahre alt war, las ich „Doktor Dolittle” und danach war ich mir sicher, dass Menschen mit Tieren sprechen können. Und es war klar, was ich werden wollte, wenn ich einmal erwachsen war. Ich erzählte jedem, der bis dahin noch nicht genug über meine Faszination gehört hatte, dass ich „Hai-Doktor“ werden wollte.
– Es gibt viele Mythen rund um Haie: was ist das Lustigste, das Sie je gehört haben?
Das Lustigste, was ich je gehört habe, ist wahrscheinlich, dass es den Megalodon noch gibt und er in der Tiefsee seine Bahnen zieht, oder dass Haie schlecht sehen und auch nur in schwarz-weiß.
– Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft dieser faszinierenden Tiere aus?
Sehr, sehr schlecht. Die Überfischung der Haie ist die größte ökologische Zeitbombe unserer Zeit, die jetzt entschärft werden muss. Obwohl wir oft hören, dass es bei der Ausrottung der Haie „5 vor 12“ ist, ist es eigentlich schon nach 12. Der Schaden, den wir angerichtet haben, lässt sich nicht einfach durch irgendeine Reduzierung von Fischfangquoten beheben, ein sofortiger Stopp jeglicher Art von Haifang ist nötig.
– Was hat Sie in Ihrer Taucherlaufbahn einmal richtig beeindruckt?
Das war während einer meiner ersten Apnoetauchgänge mit weißen Haien. Das Wetter war ziemlich schlecht (dunkle Wolken, Regen), aber wir hatten noch einiges an Arbeit zu erledigen. Ich interagierte etwa 10 Minuten lang mit einem Weißen Haiweibchen, als sie plötzlich direkt auf mich zu schwamm. Ich konzentrierte mich auf ihre Augen – das ist wichtig, wenn man mit Haien zu tun hat – und sie sah mir auch in die Augen. Als sie in etwa einem Meter Entfernung an mir vorbeizog, traf ein Sonnenstrahl, der durch das Wasser brach, ihr rechtes Auge. Und ich sah zum ersten Mal, dass diese Augen nicht schwarz sind, sondern blau. Ein dunkles, sehr schönes Blau.
"Der Schaden, den wir angerichtet haben, lässt sich nicht einfach durch irgendeine Reduzierung von Fischfangquoten beheben, ein sofortiger Stopp jeglicher Art von Haifang ist nötig."
– Und wann hatte Sie einmal richtig Angst?
Ich kann nicht sagen, dass ich im Umgang mit Haien jemals Angst um meine Sicherheit gehabt hätte. Gut, wenn die Sicht schlecht ist und man „fühlt“ einfach, dass in wenigen Metern Entfernung ein (großer) Hai ist, man ihn aber nicht sehen kann, dann kann das schon etwas beunruhigend sein. Oder man versucht nachts ohne Taschenlampe mit einem Hai zu interagieren und hat dabei nur den Mond und das Licht der Sterne.
– Sie sind DAN Mitglied und Oxygen Provider Ausbilder und engagieren sich schon lange für die Sicherheit von Tauchern… Welche Vision haben Sie ganz persönlich, wenn es um die Verbesserung der Tauchsicherheit geht?
Ich würde ein Programm begrüßen, das jeder neue Taucher durchlaufen muss und in dem gezeigt wird, wie man sicher mit Haien umgeht und was die Menschen falsch machen, wenn sie gebissen werden. Ich würde also Prävention unterrichten. Es gibt keine gefährlichen Haie, aber gefährliche Situationen, die von uns hervorgerufen werden. Taucher, die aufgeklärt und sachkundig sind, könnten zu den Fürsprechern werden, die Haie so dringen brauchen. Alle Menschen über die wahre Natur der Haie aufzuklären, das ist wahrscheinlich das Allerwichtigste, was man zu ihrem Schutz tun kann. Und je mehr Taucher daran glauben und es tatsächlich im Umgang mit Haien fühlen, desto besser wären die Chancen dieser Tiere. Ich habe noch keinen einzigen Taucher gesehen, der nicht mit Nicht-Tauchern über Haie hätte sprechen wollen, um ihnen zu sagen was er über Haie weiß.
"Es gibt keine gefährlichen Haie, aber gefährliche Situationen, die von uns hervorgerufen werden."
– Haben Sie ein paar besondere Tipps für Geräte- und Freitaucher, die sich in der Nähe von Haien aufhalten?
Wenn man sich bedroht fühlt, dann sollte man sich immer in eine vertikale Position bringen, egal ob unter Wasser oder an der Oberfläche. Man sollte versuchen, die Beine so wenig wie möglich zu bewegen (Haie vergleichen uns mit ihnen bekannten Objekten und Druckwellen deuten auf eine Art Schwanz hin, den sie dann untersuchen und in seltenen Fällen in den Mund nehmen). Man sollte sich ganz auf den bzw. die Haie konzentrieren und sich immer zu ihnen drehen. Unsere Forschung hat gezeigt, dass Haie erheblich weiter entfernt bleiben, wenn man sich in einer vertikalen, statt in einer horizontalen Position befindet. Sollte das Interesse eines Haies stärker sein als seine natürliche Angst (das Tier überschreitet seinen innersten Kreis, die innere Schwelle seiner Zweifel) und sich in Berührungsentfernung befinden (ohne Vorbeugen des Oberkörpers mit dem ausgestreckten Arm erreichbar), dann empfehle ich FACE-GUIDE-PUSH-MOVE. Schau den Hai immer an, lenke ihn in eine andere Richtung oder drücke ihn von dir weg und, falls das nicht funktioniert und der Hai dir nahe bzw. näher kommt, dann bewege dich auf ihn zu. Obwohl Haie nicht wissen, wer wir sind, bedeutet die Bewegung auf sie zu, dass wir eine Art Raubtier sind. Sollte nichts etwas nützen und man zu drastischeren Maßnahmen greifen müssen, dann sollte man die Kiemen des Hais leicht (!) berühren. Und noch mal: sie wissen nicht, was wir sind, aber dieses Signal verstehen sie. Wenn Haie versuchen einander zu töten, dann greifen sie die Kiemen an.
– Ihr Lieblingstauchplatz?
Tiger Beach auf den Bahamas. Ich liebe Tiger Beach, weil es hier so viele verschiedene Arten von Haien gibt. Und hier kann ich vor allem gut mit Tigerhaien abhängen, den größten Babys überhaupt. Tigerhaie werden komplett missverstanden. Sie sind wie große Dänen, die ja auch glauben, sie seien Schoßhündchen.
Erich Ritter – Daten
- PADI Instructor
- DAN Oxygen Provider Ausbilder
- Doktortitel in „Verhaltensökologie“ der Universität Zürich
- Post-Doktorand an der Rosenschiel School der Universität Miami, U.S.A.
- Leiter der SharkSchool™
- Vorsitzender des SAVN™ Shark Accident Victim Network, einer gemeinnützigen Organisation zur Unterstützung der Opfer von Haiangriffen.
- Hauptrolle im Kultfilm „Sharkwater – Wenn Haie sterben“ (mit Paul Watson von den Sea Shepherds), der 40 internationale Preise gewann, und
- Ermittler für GSAF – Global Shark Attack Files