SCHMERZVOLLE ERINNERUNGEN

FRAGE: Etwa 10-15 Minuten nach dem Abtauchen bekomme ich Kopfschmerzen. Sie bleiben den ganzen Tauchgang über, verschwinden aber wenige Minuten nach dem Auftauchen. Was ist die Ursache, und was kann ich tun? Antwort: Sie beschreiben ein interessantes Problem. Ihre Kopfschmerzen scheinen nichts mit dem Abstieg, Aufstieg oder der Tiefe zu tun zu haben. Der einzige konstante Faktor liegt in den Zeiten:10-15 Minuten nach dem Abtauchen, und die Schmerzen verschwinden wenige Minuten nach dem Auftauchen. Kopfschmerzen entstehen bei jedem betroffenen Taucher normalerweise nach einem bestimmten Muster. Sie können regelmäßig während oder nach einem Tauchgang auftreten, in der Tiefe, während des Aufstiegs und, sehr häufig, direkt nach dem Auftauchen. Neben den unter Tauchern immer wieder anzutreffenden Katerkopfschmerzen oder einem direkten Stoß auf den Kopf während des Aufstiegs gibt es weitere, häufig vorkommende Ursachen für Kopfschmerzen bei Tauchern, die nachfolgend beschrieben werden. Ihre Kopfschmerzen könnten mit einigen dieser Ursachen zusammenhängen, und ich hoffe, dass Ihnen dieser Artikel helfen wird.

PSYCHOLOGISCHE URSACHEN
Bei angespannten Tauchneulingen ist Beklemmung eine gängige Ursache von Kopfschmerzen. Sie zeigen sich als klassischer Spannungskopfschmerz, die Schmerzen ziehen sich über beide Seiten des Kopfes und den Nacken hinweg, und sie entstehen aus der Angst heraus, einer potenziell gefährlichen Umgebung unter Wasser ausgesetzt zu sein. Mit steigendem Erfahrungsgrad und besseren Unterwasserfertigkeiten verschwinden sie eigentlich immer.
Tauchanfänger mit der Furcht, unter Wasser ihre Luftversorgung zu verlieren, beißen oft zu kräftig auf das Atemreglermundstück. Hierdurch können Krämpfe in den Schläfenmuskeln [schließen den Unterkiefer] entstehen und Kopfschmerzen hervorrufen. Ein ungleichmäßiger Biss oder eine zu hohe Zahnfüllung kann zu ungleicher Belastung der Gelenke zwischen Kieferknochen und Schädel führen. Auch das wird Kopfschmerzen hervorrufen, wenn das Mundstück mit den Zähnen fest umklammert wird.

PHYSISCHE URSACHEN
Straff sitzende Ausrüstungsteile stellen eine weitere häufige Ursache für Kopfschmerzen bei unerfahrenen Tauchern dar. Wenn die Maskenbänder – in der Hoffnung, damit einen Wassereinbruch während des Tauchgangs zu verhindern – zu straff angezogen werden, wird rund um den Kopf Druck ausgeübt, genau wie bei einem stramm sitzenden Hut oder einer für den Träger zu engen Brille. Dieser Druckeffekt der Maskenbänder entfaltet seine Wirkung nach wenigen Minuten des Tauchgangs und wird im Laufe der Zeit immer schlimmer. Erleichterung gibt es erst beim Abnehmen der Maske nach dem Tauchgang, und der Schmerz verschwindet meist recht schnell. Zu eng am Hals anliegende Kragenbünde von Tauchanzügen sind eine weitere Ursache für Kopfschmerzen. Zu enge Kragenbünde [oder Halsmanschetten] komprimieren die Venen, über die Blut aus dem Schädelraum und dem Hirn abfließen soll, und können zu einem Anstauen von Kohlendioxid im Hirn und in der Folge zu einem typischen Kohlendioxid-Kopfschmerz führen (s. u.). Wenn der Halsbund viel zu straff anliegt, kann die Druckwirkung auf den in der inneren Karotisarterie [Halsschlagader] gelegenen Karotissinus zu einem reflexartigen Abfallen des Blutdrucks, evtl. sogar zu plötzlicher Bewusstlosigkeit führen – dem sogenannten Karotissinus-Reflex. Kopfschmerzen können auch durch Tauchanzüge, Bänderungen oder Tarierjackets verursacht werden, wenn diese den Brustbereich einengen und die Atmung erschweren.
 

Dies kann ebenso zu einem Anstauen von Kohlendioxid und Kopfschmerzen führen. Mit Barotraumen der Nasennebenhöhlen zusammenhängende Schmerzen im Kopfbereich haben ihre Ursache direkt in den betroffenen Nebenhöhlen. Allergische Reaktionen in Nase und Nebenhöhlen, Polypen oder auch Infektionen führen leicht zu einer Blockierung der feinen Öffnungen zwischen den Nebenhöhlen und der Nase. Ein Luftaustausch zwischen Nebenhöhlen und Nasenraum kann dann nur schwer oder gar nicht erfolgen, und wenn der Druck beim Abstieg steigt, wirkt sich das Gesetz von Boyle* aus und führt zu einem Nebenhöhlenbarotrauma. Am häufigsten treten diese Barotraumen in der Stirnhöhle auf. Schmerzen im Bereich einer oder beider Wangen oder der oberen Zähne kommen aus den Kieferhöhlen. Schmerzen im Bereich der Augenhöhlen entstehen aus einem Barotrauma der Siebbeinzellen, und Schmerzen im Hinterkopf beim Abtauchen rühren oft von einem Barotrauma der Keilbeinhöhle her. Der Schmerz verschwindet in der Regel beim Auftauchen. Aber auch beim Auftauchen kann es zu Barotraumen kommen. Wenn nach problemlosen Abstieg komprimierte Luft in einer Nebenhöhle eingeschlossen wird, kommt es eben beim Auftauchen zu Schmerzen im Kopfbereich [Umkehrblockierung]. Um Barotraumen der Nebenhöhlen zu vermeiden, sollte man nicht tauchen gehen, wenn man an einer deutlichen Obstruktion im Bereich des Nasenraums leidet; Allergien und Infektionen sollte man vorher erfolgreich behandeln lassen.
 

Nackenprobleme, die auf überstandene Verkehrsunfälle mit Schleudertrauma der Halswirbelsäule zurükkzuführen sind, oder auch andere Kopf- oder Nakkenverletzungen, führen recht häufig zu Kopfschmerzen beim Tauchen. Der Schmerz sitzt normalerweise direkt im Hinterkopf und Nacken und strahlt ggf. bis zur Stirn und den Schultern aus. Dieser Kopfschmerz wird durch die Haltung mit überstrecktem Hals ausgelöst, an die sich alle Taucher gewöhnen müssen, um nach vorn sehen zu können, während sie in horizontaler Lage unter Wasser schwimmen. Das ist so ähnlich, als wenn man an Land spazieren gehen und dabei eine Stunde lang zum Himmel hinauf sehen würde. Es können Krämpfe in der Nackenmuskulatur auftreten und Rückenmarksnerven eingezwängt werden. Beides verursacht Kopfschmerzen. Der Taucher kann also ansonsten vollständig beschwerdefrei sein, und der Schmerz tritt  immer nur dann auf, wenn er die anormale Nackenposition unter Wasser einnimmt. Diese Schmerzen treten normalerweise bei Tauchern mit vorangegangenen Verletzungen im Nackenbereich auf; sie können Minuten, Stunden, aber auch Tage nach dem Tauchen anhalten. Oftmals hilft es, wenn der Taucher sich nunmehr in einem Winkel von 30° zum Meeresboden fortbewegt. Dies gestattet dem Taucher, nach vorn zu sehen und sich voranzubewegen, ohne den Hals allzu stark überstrecken zu müssen. Taucher, die diese Position einnehmen, sollten allerdings verstärkt auf ihre Umwelt achten: ihre Flossenschläge könnten empfindliche Meeresorganismen schädigen.

Einige Taucher nehmen etwas Gewicht vom Bleigurt und ersetzen es durch Fußblei, um so die angestrebte Position unter Wasser zu erreichen; andere finden, sie ermüden dadurch schneller. Durchdenken Sie solche Entscheidungen also sorgfältig. Kälte verursacht einen heftigen, pochenden Kopfschmerz, der sich in der Stirn oder im Hinterkopf ausbilden kann. Er ist dem extremen Ziehen sehr ähnlich, dass bei zu schnellem Essen von Speiseeis auftreten kann. Diese Art Kopfschmerz tritt unterschiedlich auf, entweder sofort, oder nach einigen Minuten des Tauchgangs, er nimmt mit der Zeit des Tauchgangs normalerweise noch zu und hält noch eine Weile nach dem Verlassen des Wassers an. Diese Art Kopfschmerz kann durch eine Kopfhaube abgeschwächt werden, aber das klappt nicht immer. Wenn Sie diese Kopfschmerzen des öfteren bekommen, sollten Sie eine Kopfhaube tragen und die Haut vor dem Abtauchen an die Temperatur gewöhnen. Versuchen Sie, das Gesicht vor dem Einstieg schrittweise mit immer kälterem Wasser zu benetzen, in den meisten Fällen hilft dies gegen die Kaltwasserkopfschmerzen.
 

Ein Anstauen von Kohlendioxid, entweder im gesamten Körper, verursacht durch ‚Skip Breathing‘ (Sparatmung), kontaminiertes Atemgas, oder ausschließlich im Hirnbereich, verursacht durch den abdrückend wirkenden, engen Kragenbund eines Tauchanzugs, führt zu Kopfschmerzen, die sich im Laufe des Tauchgangs nach und nach mit dem ansteigenden Kohlendioxidpegel entwickeln. Die Kopfschmerzen können auch kurz nach dem Auftauchen in Erscheinung treten, sobald man wieder frische Außenluft atmet und der Kohlendioxidpegel im Blut plötzlich abfällt, als Auswirkung vermeintlich ‚fehlenden‘ Kohlendioxids. Bei einigen Tauchern entwikkelt sich ein hoher CO2-Pegel im Blut, ohne dass die genannten Faktoren überhaupt vorliegen. Kopfschmerzen durch Kohlendioxid sind heftig und pochend, können nicht immer mit Schmerzmitteln beseitigt werden und können noch Stunden nach dem Tauchgang anhalten. Auch Kohlenmonoxid kann Kopfschmerzen verursachen, wenn die Atemluft damit verunreinigt wurde, und nach tieferen Tauchgängen mit sauerstoffangereicherten Atemgasgemischen oder nach Tauchgängen mit Sauerstoff-Kreislauftauchgeräten kann es durch eine Kohlendioxidvergiftung ebenfalls zu Kopfschmerzen kommen. Wenn bei einem Tauchgang im Meer unabsichtlich Salzwasser eingeatmet wurde, kann auch das zu Kopfschmerzen führen. Diese Kopfschmerzen setzen in der Regel etwa eine halbe Stunde nach Tauchen ein, werden von Schmerzen im Körper begleitet und verschlimmern sich bei Anstrengungen oder Kälteeinwirkung.
 

Akute neurologische Dekompressionserkrankungen zeigen sich normalerweise innerhalb von Minuten nach dem Auftauchen. Sie treten in Gestalt von Kopfschmerzen zutage, nach einem langen oder tiefen Tauchgang mit einer hohen Stickstoff-Aufsättigung (oder eines anderen Inertgases) oder aufgrund einer arteriellen Gasembolie nach einem Lungenbarotrauma. Kopfschmerzen aufgrund einer sehr hohen Inertgasaufsättigung stellen ein sehr ernstes Symptom dar. Diese Kopfschmerzen treten in der Regel zusammen mit weiteren Anzeichen für Verletzungen des zentralen Nervensystems auf, z. B. Schwäche, Lähmungen, Verwirrung oder veränderter Sinneswahrnehmung. In diesen Fällen muss sofort normobarer Sauerstoff über eine Maske verabreicht werden, der Taucher muss unverzüglich von einem Taucherarzt untersucht und mit einer Notfall-Rekompressionstherapie behandelt werden. Wenn man längere Zeit vom Sonnenlicht oder dem glitzernden Wasser geblendet wird, können Krämpfe in den Muskeln der Stirn– und Kopfhaut Kopfschmerzen hervorrufen. Als Prävention gegen die Einflüsse der Blendwirkung bieten sich logischerweise Sonnenbrillen an, vorzugsweise mit polarisierten Gläsern. Alle oben genannten Ursachen für Kopfschmerzen können eine Unterwasser-Migräne auslösen, und das ist ein potenziell gefährlicher Zustand. Diese Art Kopfschmerzen kann, sowohl über als auch unter Wasser, zu Übelkeit und Erbrechen führen. Einige Betroffenen leiden bei Migräne zugleich unter neurologischen Anomalitäten, z. B. teilweiser Blindheit, Schwäche und Benommenheit. Eine heftige, schmerzhafte Kopfschmerzattacke kann zu Verwirrung, zur Unfähigkeit,auf die Herausforderungen der Unterwasserumgebung zu reagieren, zu Schwindel und zum Erbrechen in den Atemregler führen.

Personen mit häufigen Migränekopfschmerzen sollten nicht tauchen, insbesondere, wenn sie dabei unter weiteren neurologischen Symptomen leiden. Migräne wird manchmal durch das Tauchen selbst ausgelöst. Zudem kann es fast unmöglich werden, schwere Kopfschmerzen nach einem Tauchgang, insbesondere in Verbindung mit neurologischen Symptomen, von einer akuten zerebralen Dekompressionserkrankung, z. B. einer arteriellen Gasembolie zu unterscheiden. Wenn ein Migräniker mit Kopfschmerzen dieser Art darauf bestehen sollte zu tauchen, könnte es sinnvoll sein, Buddy-Teams aus drei Tauchern oder aus Doppel-Paaren zusammenzustellen, um dafür zu sorgen, dass der Taucher, der im Migränefall vielleicht überhaupt nicht mehr in der Lage ist, sein eigenes Leben zu retten, sicher an die Oberfläche und in die Hände professioneller Helfer gebracht werden kann. Der beste Rat lautet aber, nicht tauchen zu gehen. Kopfschmerzen bleiben für Taucher ein Problem. Die Ursachen sind mannigfaltig, und es kann schwierig sein, den exakten Auslöser nachzuweisen. In vielen Fällen wird die wahre Ursache niemals eindeutig geklärt. Wenn Sie zu denen gehören, die unter Wasser Kopfschmerzen bekommen, dann prüfen Sie die oben genannten Gründe offen und aufrichtig für sich. Wenn die Gründe für Ihre Schmerzen immer noch im Dunkel liegen, suchen Sie einen Tauchmediziner auf oder lassen Sie sich von einem Neurologen beraten – es gibt viele nicht so häufige Ursachen für Kopfschmerzen, und irgend etwas davon könnte bei Ihnen passen. Genießen Sie das Tauchen, und lassen Sie dabei Vorsicht walten.

* Das Gesetz von Boyle besagt, dass sich das Volumen einer Gasmenge bei konstanter Temperatur und konstanter Masse umgekehrt proportional zu dem Druck verhält, der auf dem Gas lastet. Das heißt, das Gasvolumen wird sich bei einer Verdoppelung des Drucks, wie beim Abstieg unter Wasser, auf die Hälfte seiner ursprünglichen Größe verringern.

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