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Die Top 50 Kult-Tauchplätze

Strýtan, Nordisland

Wenn Taucher an Island denken, haben sie ziemlich sicher als erstes Bilder der berühmten Silfra-Spalte im Kopf, einer tektonischen Verwerfung in der Nähe von Islands größter Stadt Reykjavik, die mit kaltem, kristallklarem Gletscherwasser gefüllt ist. Weit weniger Taucher wissen jedoch, dass es im hohen Norden Islands einen weiteren außergewöhnlichen und sogar noch spektakuläreren Tauchplatz gibt: den hydrothermalen Schlot Strýtan.

Strýtan ist der einzige bekannte hydrothermale Kamin, der überhaupt für Taucher erreichbar ist. Alle anderen entdeckten hydrothermalen Schlote, die man je nachdem, ob das von ihnen ausgestoßene heiße Wasser rauchschwarz oder klar ist, auch „schwarze“ bzw. „weiße Raucher“ nennt, befinden sich in der Tiefsee in Tiefen von 2.000 – 6.000 m und können nur von U-Booten erreicht werden.

Island liegt geologisch betrachtet auf dem Mittelatlantischen Rücken, wo sich die Kontinentalplatten Eurasiens und Nordamerikas um etwa 1 bis 2 cm pro Jahr auseinander bewegen. Dieser Prozess reißt die Insel langsam auseinander und verursacht dabei immer wieder Erdbeben und Vulkanausbrüche, deren Lava die entstehenden Gräben und Risse füllt. Das wäre an sich schon genug tektonische Aktivität, aber auf Island ist das noch nicht alles: die Insel befindet sich außerdem noch über einem vulkanischen Hotspot, einem sogenannten „Mantle Plume“, wo Magma aus der Tiefe des Erdinneren aufsteigt und riesige Vulkane speist, von denen viele unter massiven Gletschern schlafen. Island ist eine unruhige Insel – ihre Natur wird ständig durch Feuer und Eis verändert. Genau diese Prozesse haben auch den Strýtan geschaffen, den einzigen hydrothermalen Schlot der Welt, an dem man tauchen kann.

Der Flug nach Keflavik dauert aus den meisten europäischen Städten ca. 4 Stunden. Islands Flughafen liegt an der Südwestspitze der Insel und ist ungefähr eine Autostunde von der Hauptstadt Reykjavik entfernt. Wer nach Island reisen möchte, kann das als Trip für ein langes Wochenende bis hin zu einer mehrwöchigen Rundreise durch das weitläufige Land planen.

Taucher, die den Tauchplatz Strýtan im Norden besuchen möchten, müssen sich auf den Weg nach Akureyri, Islands zweitgrößter Stadt, machen. Es gibt Direktflüge von Reykjavik, wer fliegt, verpasst einen der schönsten Roadtrips auf unserem Planeten – und man kann problemlos ein Auto direkt am Flughafen oder in Reykjavik mieten. Island hat eine Hauptstraße, die Ringstraße. Sie verläuft einmal rund um die Insel und führt auch direkt durch Akureyri. Die kürzere Strecke beträgt von Reykjavik aus ca. 400 km und kann an einem Tag zurückgelegt werden. Reisende mit etwas mehr Zeit sollten aber in Erwägung ziehen, die lange Strecke (ca. 900 km) zu nehmen und ein paar Zwischenstopps mit Übernachtungen einzulegen.

Einige der beeindruckendsten Landschaften und beliebten Sehenswürdigkeiten Islands sind ganz einfach von der Ringstraße aus zu erreichen, beispielsweise die Wasserfälle Seljalandsfoss und Skógafoss, die Gletscherlagune Jökulsárlón oder die Basaltsäulen und schwarzen Sandstrände von Vík. Überall auf der Insel gibt es zahlreiche geothermale Gebiete mit dampfenden Hügeln, heißen Quellen, sprudelnden und stinkenden Schlammbecken und Geysiren – hier kann man die Kräfte der Natur hautnah erleben.

Akureyri liegt nur 50 km südlich des Polarkreises. Etwas außerhalb der Stadt am Westufer des Eyjafjörður, einem Fjord im arktischen Ozean, liegt eine Siedlung namens Hjalteyri mit einer alten, umgebauten Fischfabrik – hier ist das Strýtan Dive Center ansässig. Der Inhaber, Erlendur Bogason, ist eine wahre isländische Taucherlegende und leitet zusammen mit seiner Tochter Sævör die Tauchbasis. Erlendur hat die hydrothermalen Gebiete Strýtan und Arnarnesstrýtur entdeckt, als Erster erkundet und kartografiert.

Mitten im Eyjafjörður, in einer Tiefe von etwa 70 Metern, haben die geologischen Kräfte aus dem Erdinneren eine heiße Quelle entstehen lassen, aus der durch Magma erhitztes Süßwasser in den Ozean strömt. Hohe Konzentrationen gelöster Mineralien in diesem Wasser erhärten, sobald sie mit dem kalten Meerwasser in Kontakt kommen. Dieser Prozess hat einen einzelnen, monumentalen Kalkstein-Kamin, den Strýtan, geschaffen, der sich wie ein riesiger dunkler Turm aus über 70 m Tiefe bis auf 15 m unter der Oberfläche erhebt. Wissenschaftler schätzen, dass es mehr als 10.000 Jahre, also seit dem Ende der letzten Eiszeit, gedauert hat, bis der hydrothermale Schlot seine heutige Größe erreicht hat. Pro Sekunde kommen rund 100 Liter 72°C warmes Süßwasser aus dem Schornstein. Einige Bereiche des Schlots, einschließlich der Turmspitzen, sind nach wie vor aktiv im Aufbau.

Mindestanforderungen:

  • 17 Jahre alt
  • Advanced Diver Zertifizierung oder gleichwertig
  • Entweder Trockentauchen-Zertifizierung oder 10 geloggte Trockentauchgänge
  • Mindestens 25 geloggte Tauchgänge
  • Höchstens 6 Monate seit dem letzten Tauchgang
  • Empfohlene Tiefe: 15 – 30 m
  • Bootstauchgang 

Seit 2001 sind die hydrothermalen Gebiete im Eyjafjörður die ersten ausgewiesenen Unterwasser-Schutzgebiete in Island und das Strýtan Dive Center ist ihr offizieller Wächter. Das Tauchen in diesem Gebiet ist ohne die Erlaubnis von Erlendur Bogason nicht gestattet. Jeder Tauchgang wird von Erlendur selbst, seiner Tochter Sævör oder einem von ihm ausgebildeten Tauchguide geführt.

Als Taucher checkst Du in der Tauchbasis ein und kannst bei Bedarf auch hochwertige, gut gewartete Leihausrüstung erhalten. Bevor es zum Tauchen geht, führt Erlendur seine Gäste durch sein kleines Museum im Obergeschoss des Tauchcenters. Er erzählt von der einzigartigen Natur und der geologischen Geschichte der Tauchplätze und von den Meeresbewohnern, die Dir auf den Tauchgängen begegnen können.

Die Tauchausrüstung wird in der Tauchbasis komplett angezogen. Von dort ist es nur ein kurzer Fußweg zum kleinen Hafen von Hjalteyri, wo die Taucher in eines der Schlauchboote des Dive Centers steigen.

Die meisten Taucher kommen für mindestens zwei Tauchgänge zum Strýtan Dive Center. Normalerweise macht Erlendur zuerst einen „Check Dive“ in Arnarnesstrýtur, bevor er zum großen Schlot fährt. Dieser Tauchplatz heißt auch „Little Strýtan“ und bietet Dir die Möglichkeit, Dich an die Bedingungen im kalten arktischen Ozean zu gewöhnen und zu testen, ob mit Deiner Tauchausrüstung alles in Ordnung ist. In Arnarnesstrýtur gibt es eine Ansammlung kleinerer hydrothermaler Schlote, die sich vom flachen Meeresgrund in 23 m bis in 15 m Höhe erheben und aus denen 79° C warmes Süßwasser sprudelt. Das Gebiet hier stellt aber nicht nur ein seltenes geologisches Phänomen dar, sondern beherbergt auch eine reichhaltige und vielfältige Unterwasserflora und -fauna. Zwischen den Algen, die die hydrothermalen Schlote bedecken, kannst Du zahlreiche Arten von Seesternen, Krabben, Nacktschnecken und andere Makrolebewesen finden. Atlantische Wolfsfische bewohnen viele Spalten und Höhlen rund um den Hügel und viele andere Fische wie Kabeljau, Flundern und Seehasen sind hier eigentlich immer anzutreffen.

Der nächste Tauchgang führt die Taucher dann zur „Hauptattraktion“, dem großen Strýtan, der in nur 10 Minuten mit dem Schlauchboot erreicht werden kann. Der Abstieg erfolgt an einer fest verankerten Bojenleine bis auf etwa 30 m Tiefe, von wo aus man zum Schlot quert. Auf dem Weg nach unten kann es manchmal vorkommen, dass Du auf eine flirrende Salzgehaltssprungschicht stößt, vor allem in den Sommermonaten, wenn Schmelzwasser von den schneebedeckten Bergen in den Fjord fließt und auf dem schwereren Salzwasser liegen bleibt.

Schon der erste Anblick des Strýtans ist überwältigend: Wie ein dunkler Turm aus den kalten Tiefen des Fjords erhebt er sich einsam inmitten des arktischen Ozeans. Er scheint so völlig fremd und nicht von dieser Welt zu sein und ist dennoch wahrscheinlich das „irdischste“ Phänomen, das es überhaupt gibt. Wissenschaftler vermuten, dass sich das erste Leben auf der Erde unter ähnlichen Bedingungen entwickelt hat wie sie am Strýtan und anderen hydrothermalen Quellen herrschen. 

Während des Tauchgangs umrundest Du einige Male langsam den Kamin, der einen Durchmesser von mehreren Metern hat und tauchst mit jeder Runde etwas flacher. Man kann gut sehen, an welchen Stellen sich der Schlot aktiv im Aufbau befindet – warmes Wasser strömt aus den Spalten und die Mineralablagerungen sind noch völlig unbewachsen. Man kann die Wärme des Wassers spüren, das aus den hydrothermal aktiven Spalten austritt, aber es hat keinen wirklichen Einfluss auf die Gesamttemperatur des Wassers, die zwischen 4° und 8° C liegt. Die Sichtweite beträgt normalerweise um die 10 m, manchmal auch etwas mehr oder etwas weniger. Es kann schnell passieren, dass dich die Aktivität der Schlote und das schimmernde Wasser, das aus ihnen strömt, völlig in den Bann zieht. Schaue daher unbedingt regelmäßig auf Deine verbleibende Grundzeit.

Der große Schlot ist der Lebensraum einer einzigartigen Flora und Fauna, die sich unter diesen extremen Umständen entwickelt und angesiedelt hat. Hier wachsen verschiedene Algen, Kelp und blasse Kaltwasser-Anemonen. Die hydrothermalen Quellen ziehen viele Meerestiere an und mit etwas Glück kannst Du Kabeljauschwärme sehen, die am Kamin auf und ab schwimmen oder auf unterschiedliche Arten von Quallen treffen, die anmutig vorbei schweben.

Nach etwa einer halben Stunde am Strýtan erreichst Du die Spitze des Gebildes in etwa 15 m Tiefe. Einige kleine Schornsteine erheben sich wie die weißen Türme einer verzauberten Burg und stoßen heißes, flimmerndes Wasser aus.

Wenn Du noch genügend Grundzeit und Luft im Tank hast, kannst Du Dich hier noch ein paar Minuten umschauen, bevor Du zum Seil tauchst, das zurück zur Boje und zum Boot führt. Da sich die Spitze des Schlots in 15 m Tiefe befindet, muss der Sicherheitsstopp im Blauwasser durchgeführt werden. Gute Tarierfähigkeiten sind ein absolutes Muss, Du kannst Dich aber auch an der Leine festhalten, während Du langsam auftauchst, vor allem wenn das Meer unruhig sein sollte oder es Strömung gibt.

Wenn Du zurück am Boot bist, befolge bitte das richtige Verhalten bei Bootstauchgängen: reiche zuerst Deinen Bleigurt / Deine Bleitaschen hoch, bevor Du Dein Tauchgerät ausziehst und hebe Deinen Tank und BCD von unten etwas an, um die Crew im Boot zu unterstützen. Sie helfen Dir im Anschluss, selbst wieder in das RIB einzusteigen.

Hinweis: Dieses Video wurde mit einem speziellen 360 ° -Kamera-Setup mit 6 einzelnen Kameras erstellt. Zusammengesetzt ermöglichen sie eine nie zuvor gesehene Perspektive des hydrothermalen Schlots.

Safety Check:

Diese Tauchplätze sind nur für fortgeschrittene Tauchern empfohlen. Tauchen im Norden Islands bedeutet, dass Du im arktischen Ozean tauchst, was extrem herausfordernd sein kann. Das Wasser ist kalt und die Meeresoberfläche ist oft unruhig. Taucher, die sich für eine Reise zu diesem absolut einmaligen Tauchplatz entscheiden, müssen im Trockentauchanzug gut tarieren können, um die zerbrechlichen und langsam wachsenden Mineralstrukturen nicht zu berühren. Auch solltest Du körperlich fit sein, da die Strömung im Fjord manchmal stark sein kann.

Bonus: 

Nachdem Du Dir nach den Tauchgängen etwas Zeit zum Entsättigen gegeben hast, kannst Du Dich in einem mit Geothermalwasser gefüllten Hot Tub direkt vor der Tauchbasis aufwärmen und die Landschaft mit den schneebedeckten Bergen, die den Fjord umgeben, genießen. Wenn Du Glück hast, kannst Du dabei auch Robben, Schweinswale oder sogar Buckelwale sichten!


Geschrieben von: Claudia Schmitt, The Jetlagged
Fotos & Videos von: Claudia Schmitt, Hendrik S. Schmitt, The Jetlagged


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