Foto: Marcello Di Francesco
Safety

Die DAN Hira Initiative: die Förderung einer Kultur der Sicherheit bei Tauchunternehmen

Nachdem der DMO schon wieder zum Nähen einer erheblichen Schnittverletzung am Finger herbeigerufen wurde, die sich ein Taucher an einer Tauchleiter zugezogen hatte, hatte er es endgültig satt. Auf seine eigene Art und Weise forderte er, dass DAN dringend handeln und ein Programm ins Leben rufen müsse, mit dessen Hilfe alle Beteiligten der Branche sich darauf konzentrieren könnten die Anzahl unnötiger, vermeidbarer und sich wiederholender Unfälle zu verringern.

Auf den Grundsätzen der Gefahrenermittlung und Risikobewertung (HIRA) basierend arbeitet Divers Alert Network seit 1999 weltweit an der Verbesserung der Sicherheit und Wirksamkeit von Dekompressionskammern: über das DAN RCAPP (Recompression Chamber Assistance & Partnership Program). 

Dieser Hilferuf des DMO reichte aus, um uns davon zu überzeugen, uns 2008 und basierend auf dem Vorbild der RCAPP, ein neues Ziel zu setzen:  in Sachen Tauchsicherheit echte Veränderungen herbeiführen, und zwar durch die Schaffung und Förderung einer Kultur der Sicherheit bei allen Tauchschulen, Tauchbooten und Tauchunternehmen weltweit. 

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung dessen, was hoffentlich eine Reihe von Diskussionen sein wird, die sich verschiedenen Aspekten des typischen Tauchunternehmens und seiner Interaktion mit seinen Kunden, d. h. den Sporttauchern, widmen.

Begründung:

Die primäre Aufgabe von DAN ist es, verletzten Sporttauchern zu helfen.  Eine zweite wichtige Aufgabe ist es, Tauchverletzungen zu verhindern. Als Teil der globalen Kampagne zur Reduzierung von Verletzungen und Todesfällen im Sporttauchen, will DAN seine Vision, dass „jeder Tauchgang unfall- und verletzungsfrei“ bleibt, dadurch erfüllen, dass Gefahren, die mit dem Tauchen in Zusammenhang stehen, identifiziert und minimiert werden.

Die Prävention von Verletzungen oder Verlusten impliziert, dass aktiv verhindert wird, dass ein Unfall geschieht. Dies wiederum erfordert ein Programm, das für Bewusstsein, Kontrolle und letztlich für eine Verringerung von Sicherheits- und Gesundheitsrisiken sorgt.

Wie kann man also solch ein präventives Programm entwickeln, vorantreiben und etablieren? Nach reiflicher Überlegung und Auseinandersetzung mit unseren Partnern aus der Branche wurden die folgenden allgemeinen Ziele formuliert:

  • Weiterbildung aller Teilnehmer in Sachen Risiko- und Sicherheitsbewusstsein
  • Beratungsangebot zur Risikominderung und -kontrolle, basierend auf tatsächlichen operativen Aspekten eines Unternehmens
  • Initiierung und Wachstum hinsichtlich der Partizipation aller Tauchdienstleister
  • Überwachung von Unfällen und Vorfällen, so dass wir den Status der Fortschritte in Richtung unserer Vision beurteilen können

Um diese Ziele zu erreichen, müssen die Partner auf allen Ebenen einbezogen werden und zusammenarbeiten, und zwar allen voran dahingehend, dass die Einrichtungen ihre Verantwortung in Sachen Sicherheit verstehen und annehmen.

Prozess:

Die umfangreiche 19-jährige Erfahrung, die DAN mit dem RCAPP hat, hat deutlich gezeigt, welchen Wert ein strukturierter, methodischer und einheitlicher Prozess hat. Der DAN Risk Assessment Guide, der in mehreren Sprachen verfügbar ist und überall in der Tauchwelt genutzt wird, hat hierbei eine wichtige Rolle gespielt.

Das Konzept wurde jetzt, mit der Entwicklung eines strukturierten und dokumentierten Prozesses erweitert, der auf dem Druckkammer Risk Assessment Guide basiert und den Namen DAN HIRA Guide trägt.

Zunächst einmal ist zu beachten, dass DAN keine regulatorische Rolle innehat. Wir sind nicht die Taucherpolizei und wir glauben, dass man die Dinge am besten beeinflusst, indem man sich mit allen betroffenen Parteien im positiven Sinne auseinandersetzt.  Zweitens: Der Prozess beginnt mit einer detaillierten Selbsteinschätzung mit einem umfassenden Handbuch, das online geteilt wird. Wir engagieren uns nur dort, wo wir ausdrücklich von einem Tauchunternehmen eingeladen werden und dabei sind ein umfassendes Bekenntnis zum Prozess und freiwilliges Engagement sehr wichtig.

Das System bietet eine realistische Einschätzung der tatsächlichen Betriebssicherheit in den verschiedenen Bereichen eines Tauchunternehmens. Der Schwerpunkt liegt auf der Identifizierung der tatsächlich vorhandenen Risiken und nicht der fiktiven, vermuteten oder oft erwarteten. Wir bezeichnen dies als die Identifizierung der möglichen Gefahren, auf die dann eine Risikobewertung folgt.

Ebenso versuchen wir Ressourcen zur definitiven Messungen zu Verfügung zu stellen, so dass das tatsächliche Risiko weiter gemessen werden kann: Beispiele hierfür wären die Vor-Ort-Messung des Umgebungslärms oder der Beleuchtung bzw. der Luftqualität.

Es folgt die Risikominimierung, was bedeutet, dass die Quelle der Gefahr eindeutig identifiziert und isoliert wird, so dass entsprechend gehandelt werden kann.

Unser üblicher Ansatz zur Minimierung von Risiken ist es, diese entweder mit irgendeinem technischen oder mechanischen Kontrollmechanismus -also einer Art Barriere- zu beseitigen oder Richtlinien oder Verfahren zur Verfügung zu stellen, durch die jegliche Interaktionen mit dem Risiko verhindert werden. Ein Beispiel hierfür wäre, den Menschen zu zeigen, wie man die Leiter richtig benutzt. Falls dies nicht zum Erfolg führt, würden wir einen physischen Schutz zur Verfügung stellen, also z. B. einen Gehörschutz für Arbeiter, die am Kompressor arbeiten.

Wie jedes effektive Programm, benötigt auch dieser Prozess eine Form der Überwachung oder Messung, damit die Wirksamkeit der Maßnahmen gewährleistet ist und Feedback an die Schritte Risikobewertung und -minimierung fließen kann. Dadurch können die Dynamiken der unterschiedlichen Situationen berücksichtigt werden.

Dies bedeutet natürlich, dass das gesamte Personal des Tauchunternehmens einbezogen wird. Dadurch sollen alle Beteiligten die Risiken akzeptieren, sich über mögliche Strategien zur Vermeidung einigen und eine Form von Überwachung annehmen, damit die Fortschritte hin zu einer Kultur der Sicherheit gemessen werden können.

Hilfsmittel:

Hier kommen zwei grundlegende Konzepte zum Einsatz.

Erstens müssen wir dafür sorgen, dass wir die zentralen Kontrollpunkte bestimmen, d. h. die wichtigsten Gefahrenquellen, so dass wir sicher sind, dass wir tatsächlich ihre Ursachen angehen.

Zweitens sind nicht alle Risiken gleich und ein System zur Messung hilft uns dabei, uns auf die Prioritäten eines Unternehmens zu konzentrieren und dadurch ein gewisses Maß an Sicherheit dahingehend zu liefern, dass die Bedeutung der einzelnen Punkte deutlich ist.

Das Analysetool, das verwendet wird, ist in eine anerkannte Definition des Begriffes Risiko eingebettet: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Exposition gegenüber einer Gefahr zu negativen Folgen führen wird.

Dadurch können wir alle theoretischen Gefahren berücksichtigen. Aber dann machen wir uns daran zu prüfen, in wieweit eine Wahrscheinlichkeit besteht, dass Personen oder Ausrüstungen diesen Gefahren ausgesetzt sein und irgendeine Form von untragbaren Schäden entstehen könnten. So wird die Theorie in die Praxis umgesetzt: das ermöglicht es uns, die wirklichen Probleme zu identifizieren anstatt diejenigen, denen man sich auch noch zu einem späteren Zeitpunkt widmen und denjenigen, die man sogar völlig außer Acht lassen kann.

Die Konzepte Wahrscheinlichkeit, Exposition und Folgen lassen sich alle mit relativ einfach zu verwendenden Skalen von ① bis ⑤ quantifizieren.  Das tatsächliche Risiko kann demnach ermittelt werden, indem man diese drei Ergebnisse miteinander multipliziert und eine typische Tabelle zur Risikoeinstufung konsultiert.

Risikobewertung Risikostufe Beschreibung
> 100 1 Extrem (Gefahr)
50 – 100 2 Sehr hoch (Verwendungsstopp)
20 – 50 3 Hoch (Sofortige Beachtung notwendig)
5 – 20 4 Mittel (Beachtung notwendig)
< 5 5 Niedriger (annehmbares Risiko)

Bereits bestehende Dokumente:

Gesetzliche und branchenregulierende Dokumente können, je nach nationalen, regionalen und branchenspezifischen Anforderungen variieren. Für alle Beteiligten ist es jedoch wirklich wichtig zu wissen, was auf sie  zutrifft und was in ihren jeweiligen Verantwortungsbereich fällt. Ganz sicher ist es unbedingt erforderlich, dass man weiß, was in den einschlägigen Dokumenten steht!

Es gibt viele zusätzliche Dokumente, die als Ratgeber, Anleitungen und Empfehlungen dienen können, wenn es um die Ventile von Gasflaschen, Flaschenmarkierungen, medizinische Gasflaschen, das Überprüfen von Ausrüstungen und um die Anforderungen für Flaschenfüllungen geht.

Wie funktioniert der DAN HIRA Prozess dann?

Um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen, verwenden wir einen pädagogischen Ansatz, bei dem der Geschäftsführer oder Inhaber (bzw. der Sicherheitsverantwortliche) einer Tauchbasis die Mittel erhält, die er benötigt, um die risikobehafteten Bereiche und die Möglichkeiten zur Risikominimierung besser zu verstehen. Dies geschieht durch ein schrittweises Onlineverfahren, das aus 3 Stufen besteht. Während man sich von Stufe 1 bis Stufe 3 weiter vorarbeitet, nehmen die sicherheitsrelevanten Voraussetzungen zu, und zwar immer mit dem Ziel, das Tauchunternehmen sicherer und nachhaltiger zu machen. Der Prozess basiert auf Selbstverpflichtung und ist auf den tatsächlichen Betrieb ausgerichtet: die täglichen Aktivitäten und den vollen Umfang des Geschäfts. Bei der letzten Stufe, also bei HIRA 3, erhält der Inhaber bzw. der Geschäftsführer der Tauchbasis den umfassenden „Risk Assessment Guide“, der alle operativen Bereiche abdeckt. Das Ergebnis ist ein umfassender Bericht, der es ermöglicht sich auf Maßnahmen zu konzentrieren, mit denen alle für das Tauchunternehmen relevanten Risiken angegangen werden.

In den folgenden Artikeln werden die typischen Einsatzgebiete detailliert besprochen und problematische Bereiche sowie Schwerpunkte verdeutlicht.

Als allgemeine Leitlinien dienen dabei zwar Branchenstandards, Ziel ist es aber, dass aus dem DAN Risk Assessment Guide letztendlich das wird, was alle Sporttaucher erwarten können sollten, wenn sie ein sicherheitsbewusstes Tauchunternehmen auswählen.

Der Bericht der Selbsteinschätzung kann dann der Geschäftsführung zur Überprüfung und Abnahme, aber viel wichtiger noch, zur Nutzung als Ressource vorgelegt werden, damit zentrale Probleme angegangen werden können.

Also, um welche Bereiche geht es dabei?

In den folgenden Artikeln werden die verschiedenen Aktivitäten besprochen, die zum Betrieb typischer Tauchunternehmen gehören. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, was diese sein könnten, haben wir sie im Folgenden aufgelistet.

  • Mitarbeitergesundheit & Sicherheit,
  • Kundengesundheit & Sicherheit,
  • Mitarbeiterausbildung & Zertifizierung,
  • Poolbereich für Schulungen,
  • Schulungsraum,
  • Verkaufsbereich,
  • Tauchbootsbetriebe,
  • Tauchsafaris,
  • Bereiche mit Kompressor- & Flaschenfüllanlagen,
  • Ausrüstungslager,
  • Werkstatt mit kleinen Werkzeugen,
  • Fahrzeugsicherheit,
  • Reiseberatung & Gesundheitsberatung für Kunden und zu guter Letzt, da in einigen Gebieten möglich…
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