Sonderbeiträge
Tauchtourismus wird unterschätzt
Schwache Verbindungen zwischen Tauchern und lokalen Gemeinden, Steuerungsprobleme und fehlende Unterstützung von Behörden und Wissenschaft – diese Themen kamen im Rahmen des Green Bubbles-Projektes zum Vorschein, das die Probleme näher beleuchtete, welche dem Zusammenwirken der Tauchtourismus-Systemen derzeit im Wege stehen.
Der Tauchtourismus engagiert sich im Umweltschutz und unterstützt Gemeinden. Außerdem erwirtschaftet er weltweit Milliarden und trägt stark zu den Volkswirtschaften ganzer Länder bei – und dennoch wird sein Potenzial als nachhaltige Form des Tourismus immer noch nicht ausreichend erkannt.
Das führt dazu, dass Tauchtourismus-Systeme selten so funktionieren wie sie sollten – und dass die Tauchbranche und die an ihr interessierten Gruppen unter den Konsequenzen leiden.
Diesem Thema wollte sich das von der EU finanzierte Green Bubbles-Projekt widmen und die Dinge näher beleuchten, die ein gesundes Funktionieren des „Ökosystems Gerätetauchen“ verhindern. Ziel des Projektes war es, die Probleme zu verstehen und Lösungen vorzuschlagen, mit deren Hilfe sich das Wachstum der Tauchtourismusbranche ankurbeln lässt. Dabei ist wichtig, die Wechselwirkungen mit der Umwelt, dem sozialen Umfeld und der Wirtschaft in Meeresschutzgebieten (MPA) zu verstehen, denn die Dynamik zwischen den Akteuren dort ist komplex.
Das Projekt sollte zwei Fallstudien mit völlig unterschiedlichen Gegebenheiten untersuchen: das Portofino-Meeresschutzgebiet in Italien und das Ponta do Ouro-Meeresschutzgebiet in dem Entwicklungsland Mosambik.
Lokale Tauchunternehmen aus beiden Ländern wurden eingeladen, im Rahmen von Fokusgruppen und Interviews ihre Ansichten über die Tauchtourismusbranche zu teilen. Interessanterweise hatten die Antworten aus den unterschiedlichen Ecken der Welt vieles gemeinsam:
Fragen der Steuerung
Tauchunternehmer in Italien und Mosambik waren der Ansicht, dass Steuerungsprobleme die Arbeit der Tauchtourismusbranche beeinträchtigen. Sie wünschten sich ein besseres Verhältnis zur Verwaltung der MPA und zu den lokalen Behörden, d. h. ein Verhältnis, das auf solider Zusammenarbeit und Kommunikation basiert. Als eine mögliche Lösung nannten sie mehr Transparenz bei der Kommunikation mit den zuständigen Behörden und schlugen vor, sich an der Planung und Verwaltung von Meeresschutzgebieten zu beteiligen.
Zu weit von der lokalen Bevölkerung entfernt
Eine weitere übereinstimmende Beobachtung war, in der man übereinstimmte war, dass die Mitglieder der ansässigen Gemeinden völlig von der lokalen Tauchtourismusbranche getrennt sind und es daher kaum eine Verbindung zu ihnen gibt. Besucher und die ansässige Bevölkerung müssten besser darüber aufgeklärt werden, welche Rolle die Tauchtourismusbranche in ihrem Land spielt und welche Vorteile sie mit sich bringt. Schließlich habe die Branche unter anderem das Potenzial die Wirtschaft anzukurbeln und die Öffentlichkeit zum Thema Umweltschutz aufzuklären.
Wenig Schutz in Meeresschutzgebieten
Die Tauchunternehmer waren der Ansicht, dass andere Branchen, wie beispielsweise die Fischerei, eine Gefahr für die gesunde Meeresumwelt und den lokalen Tauchtourismus darstellten, obwohl meist angenommen wird, dass MPA eigentlich vor menschlichem Eingreifen geschützt sind. Diesem Problem könne man, laut ihrem Vorschlag, durch eine bessere Zoneneinteilung, häufigere Patrouillen und mehr Umweltschutzmaßnahmen begegnen.
Wissenschaftliche Unterstützung
Die Unternehmer erkannten zwar an, dass wissenschaftliche Forschung für ihre Branche eine große Bereicherung ist, merkten aber an, dass die Verbindung zwischen der wissenschaftlichen Gemeinschaft und der Tauchbranche schwach ist. Laut ihrer Empfehlung solle sich die wissenschaftliche Gemeinschaft besser einbringen. Das Projekt zeigt deutlich, dass die Branche einige Herausforderungen zu meistern hat, wenn sie die Nachhaltigkeitsziele erreichen soll, die ihr gesetzt wurden. Dies wird nur mit der Unterstützung aller relevanten Beteiligten möglich sein.
Es muss unbedingt gewährleistet werden, dass die Tauchbranche dabei unterstützt wird,, eine gewisse Widerstandskraft gegenüber Veränderungen aufzubauen, und zwar vor allem auch deshalb, weil sie ein enormes Potenzial für Bildung, Schutz, Erforschung, Erhaltung, Entwicklung und wirtschaftliche Emanzipation hat. Wird dieses Potenzial, angesichts der nicht enden wollenden Herausforderungen der Tauchbranche, möglicherweise nur von kurzer Dauer sein? Sorgen wir gemeinsam dafür, dass es nicht so weit kommt.
Die Autorin:
Dr. Serena Lucrezi arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin für TREES (Tourism Research in Economic Environs and Society) an der North-West University in Südafrika. Sie ist Sandstrand-Ökologin, hat aber eine große Leidenschaft für die Tauchforschung, und zwar vor allem für die menschlichen Seiten des Sports wie die Einstellung von Tauchern zur Umwelt und ihre Ansichten zu Themen wie Umweltschutz, Kontrolle und das richtige Verhalten unter Wasser. Sie hat drei Aufsätze zum Thema Gerätetauchen geschrieben, die in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht wurden. Außerdem hat sie auch einige Artikel geschrieben, die in Blogs und Online-Magazinen veröffentlicht wurden. Und zu guter Letzt ist sie zwar erst seit Kurzem, dafür aber mit Begeisterung Taucherin und hat eine Schwäche fürs Sidemount-Tauchen.
Scuba diving tourism systems and sustainability: Perceptions by the scuba diving industry in two Marine Protected Areas – vollständige Ausgabe, Tourism Management, Band 59, April 2017, Seiten 385–403.